IT-Tools für die Gesundheit
Fitness-Tracker und Smart Watches am Körper, künstliche Intelligenz, Machine Learning und Big Data im Hintergrund: Mit modernen Tools lassen sich nicht nur Prozesse und Geschäftszahlen, sondern auch die Gesundheit der Mitarbeiter optimieren.
Künstliche Intelligenz, Machine Learning und Big Data sollen Arbeitgebern künftig helfen, die Gesundheit der Mitarbeiter zu optimieren.
Viele Unternehmen betreiben Gesundheits- und Wellness-Programme für ihre Mitarbeiter. Natürlich ist das Wasser auf die Mühlen all jener Berater und Hersteller einschlägiger Produkte, die behaupten, unternehmerischer Erfolg hänge auch von solchen Programmen und Tools ab. Chris Boyce etwa, seines Zeichens CEO von Virgin Pulse aus Framingham in Massachusetts, steckte im Gespräch mit der CW-Schwesterpublikation „CIO.com“seine Zielgruppe ab: „Fortschrittliche Unternehmen stellen ihren Mitarbeitern Ressourcen und Tools zum Erreichen persönlicher Ziele zur Verfügung und haben den daraus entstehenden Mehrwert für ihr Business längst erkannt – egal, ob es dabei beispielsweise um ein Leben mit Diabetes geht oder nur darum, wie man sich gesund ernährt.“ Virgin Pulse ist einer der Anbieter, die technische Lösungen für Unternehmen entwickeln, mit denen sich Wellness- und Gesundheitsprogramme ausarbeiten und verfeinern lassen. Vor Kurzem hat das Unternehmen Amazons KI-Assistentin Alexa in seine Produkte integriert, damit Beschäftigte in Unternehmen ihre Gesundheit über natürlichsprachige Eingaben abfragen und „tracken“können. Alexa könnte also künftig den vorzeitigen Feierabend einläuten oder daran erinnern, dass das letzte Workout schon ziemlich lange her ist, oder auch einfach nur die nächste Pause bei der Bildschirmarbeit anmahnen. Boyce bringt die Vision von Virgin Pulse auf den Punkt: „Wir glauben, dass Alexa zu einem hochpersonalisierten und effektiven Personal Coach wird. Die Lösung wird unseren Kunden und deren Familien helfen, einen gesünderen Lebensstil zu verinnerlichen.“
Auch wenn der eine oder andere Datenschützer jetzt empört aufschreien wird: Die Technologie dafür ist in der Realität längst angekommen und liegt auch an den Arbeitsplätzen vor – in Form von Wearables, Apps und FitnessTrackern. Für die kommenden Jahre erwartet Boyce, dass diese Produkte mit zahlreichen
lokalen Signalgebern kombiniert werden. Ein solcher Signalgeber könnte beispielsweise ein Aufzug sein, der daran erinnert, dass es gesünder wäre, die Treppe zu benutzen. Oder ein Wasserspender in der Büroküche, der beim Eintreten automatisch auf sich aufmerksam macht.
Der Aufzug mahnt: Nimm die Treppe!
Technische Innovationen haben zu mobilen Arbeitsplätzen geführt: Mitarbeiter können heute dank Smartphone, Tablet und Co. quasi von überall aus arbeiten. Das hat allerdings auch dazu geführt, dass sich die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben immer weiter aufheben.
In manchen Fällen reicht das so weit, dass Mitarbeiter mit entsprechender persönlicher Veranlagung überhaupt nicht mehr zur Ruhe kommen, wie Boyce erklärt: „Technologie erlaubt uns, von überall aus zu arbeiten, und befähigt uns gleichzeitig, auch private Angelegenheiten relativ komfortabel rund um die Uhr zu regeln. Die Arbeit folgt uns nach Hause, das Privatleben folgt uns ins Büro – wir befinden uns in einem permanenten Balanceakt. Der Arbeits- platz der Zukunft wird sich dadurch auszeichnen, dass die Mitarbeiter nach technischen Lösungen suchen, die ihnen helfen, ihr gesamtes Leben – also den privaten wie den professionellen Bereich – zu managen, losgelöst von Ort und Zeit.“
Gesundheitsprogramme lohnen sich
Die Welt der Arbeit wird also noch flexibler, der Fokus wird dabei auf dem persönlichen Wohlbefinden des Einzelnen liegen. Das lässt sich beispielsweise dadurch steigern, dass aktive Menschen tagsüber den obligatorischen Fitnessstudio-Besuch absolvieren oder Eltern ihre kranken Kinder im Home Office versorgen können. Idealerweise bedeutet das: weniger Stress und mehr Flexibilität für eine bessere Gesundheit.
Wenn es um die Erfolgsmessung von Gesundheitsinitiativen und Wellness-Programmen geht, fiel deren Befürwortern in den vergangenen Jahren allerdings die Beweisführung schwer. Das soll sich nun grundlegend ändern – sagt zumindest Chris Boyce: „Viele von uns ahnen natürlich längst, dass sich das Wohlbefinden von Mitarbeitern positiv auf ihre Produktivität und auch auf den Krankenstand eines Unternehmens auswirkt. In den letzten Monaten hat die Forschung diese Annahme nun untermauert.“
Beispielsweise kam der an der London Business School tätige Finanzwissenschaftler Alex Edmans in seinen Untersuchungen zu dem Schluss, dass zufriedene Mitarbeiter die Leistung eines Unternehmens signifikant steigern. Allerdings würden die entsprechenden Veränderungen in der Unternehmenskultur in der Regel nur langsam implementiert. Die Vorteile treten deshalb nur schrittweise zutage – von Geschäftsjahr zu Geschäftsjahr also.
Die Folge ist laut Edmans, dass Unternehmen die Vorteile von Gesundheitsprogrammen für ihre Mitarbeiter nicht länger ignorieren und da- bei einen langen Atem entwickeln. Statt kurzfristige Erfolge erzielen zu wollen, sollten sie dazu übergehen, das große Ganze zu betrachten und die langfristigen Vorteile solcher Initiativen fokussieren. David Batman, medizinischer Berater und ehemals bei Nestlé für die Mitarbeitergesundheit zuständig, erklärt, wie dieser Sinneswandel in Unternehmen künftig vonstatten gehen könnte: „Immer mehr Firmen etablieren ganzheitliche Methoden, um die Auswirkungen ihrer Wellness-Programme auf den Geschäftserfolg zu messen. Dabei zeigt sich, dass die Messgrößen über rein finanzielle Werte hinausgehen. Sie orientieren sich auch an anderen Daten – etwa zur persönlichen Entwicklung von Mitarbeitern, ihrem finanziellen Wohlergehen, ihrer physischen Fitness und ihrer Produktivität.“
Fitness-Tracker für alle?
Etliche Unternehmen versuchen bereits, Anreize für ein gesundheitsbewussteres Leben zu schaffen, indem sie etwa Fitness-Tracker an ihre Beschäftigten verteilen. Eric Finkelstein, Direktor am Lien Centre for Palliative Care, hat dazu eine typisch unbefangene US-Sicht: „Indem Arbeitgeber Anreize durch Wearables schaffen, werden sie mehr Daten über Verhalten, Entscheidungen und individuelle Ziele ihrer Mitarbeiter erfassen können. Durch die neuen Datenquellen haben sie einerseits ein Werkzeug, um einen gesünderen Lebensstil zu fördern, andererseits lassen sich so auch Fortschritte und Ergebnisse messen.“
Ob auch in Deutschland Mitarbeiter so gläsern werden, muss die Zukunft zeigen. Sicher scheint indes, dass Unternehmen solche Initiativen attraktiv verkaufen müssen, wenn die Beschäftigten überhaupt mitziehen sollen. Es bringt schließlich nichts, viel Geld in eine Gesundheitsinitiative zu investieren, die am Ende keiner nutzt.