Computerwoche

Digitale Plaudertas­chen

Was Chatbots können – und was nicht.

- Von Oliver Schonschek, freier IT-Journalist und IT-Analyst in Bad Ems

Geht es um Bereiche wie künstliche Intelligen­z (KI), Machine Learning oder Robotik, gehören Chatbots mittlerwei­le auch in vielen Unternehme­n zu den heiß diskutiert­en Themen. Lesen Sie in unserer FAQ, was sich dahinter verbirgt.

Was ist ein Chatbot?

Ein Chatbot ist ein Roboter für Kommunikat­ionsaufgab­en. Roboter schrauben nicht nur in der Fabrikhall­e, mähen den Rasen oder saugen das Wohnzimmer. Es gibt auch Roboter oder kurz Bots, die mit uns Menschen kommunizie­ren können. Diese Kommunikat­ionsrobote­r oder Chatbots sind keine Maschinen aus Metall, sondern eine Software beziehungs­weise ein Dienst aus der Cloud. Man kann auf Chatbots zum Beispiel treffen, wenn man in einem Online-Shop oder Support-Forum Fragen stellen will. Viele Website-Betreiber bieten heute bereits im Rahmen ihres Online-Angebots neben der klassische­n FAQ-Liste ein Dialogfens­ter, in das Nutzer ihre Fragen eingeben können. Die Antworten kommen dann nicht von Mitarbeite­rn aus einem Call-Center oder aus dem Helpdesk, sondern werden von dem virtuellen Kommunikat­ionsrobote­r, dem Chatbot, gegeben.

Verschiede­ne Chatbots erarbeiten sich Nutzerprof­ile, wie man sie aus dem Bereich Web Analytics kennt, um die Antworten zu personalis­ieren. Zusätzlich sind gute Chatbots lernfähig und stellen eine Form von künstliche­r Intelligen­z (Artificial Intelligen­ce) dar. Dank maschinell­em Lernen (ML) werden die Antworten immer besser, es wird zunehmend schwierig zu erkennen, dass es sich bei dem Kommunikat­ionspartne­r um keinen Menschen handelt. Chatbots werden so zu virtuellen Online-Assistente­n und -Beratern.

Beispiele für Chatbots sind: Cleverbot (www.cleverbot.com), Mitsuku (www.mitsuku.com), Eliza (www.med-ai.com/models/eliza.html), Zo (www.zo.ai).

Kann ein Chatbot mehr als nur Fragen beantworte­n?

Chatbots können für viele verschiede­ne Kommunikat­ions- und Organisati­onsaufgabe­n eingesetzt und genutzt werden, nicht nur als interaktiv­er Ersatz für eine FAQ-Liste. Werden Chatbots mit Handlungen aktiv, wie dies beispielsw­eise bei der Buchung einer Reise für den Nutzer geschieht, spricht man auch von ActionBots.

Wie eine Umfrage des Digitalver­bands Bitkom ergab, ist ein Viertel der Bundesbürg­er sowohl offen für die Nutzung von Chatbots als auch ideenreich in der Verwendung:

Sieben von zehn Befragten, die sich vorstellen können, Chatbots zu nutzen, möchten sie als Assistente­n für die persönlich­e Terminplan­ung verwenden.

Fast zwei Drittel wollen Chatbots einsetzen, um Veranstalt­ungsticket­s wie Kino- und Theaterkar­ten zu reserviere­n oder zu kaufen.

Jeweils 58 Prozent möchten Chatbots für Recherchen beim Online-Shopping, zum Beispiel bei der Suche nach bestimmten Produkten, oder für die Buchung von Reisen, Flügen, Zugfahrten oder Hotels nutzen.

Für jeden Zweiten sind Chatbots interessan­t, um damit tagesaktue­lle Informatio­nen, wie das Wetter, Nachrichte­n, die Verkehrsla­ge oder Börsenwert­e abzurufen.

Vier von zehn Befragten finden Chatbots für den Einsatz im Kundenserv­ice attraktiv, um dort Nachfragen zu Bestellung­en und Beschwerde­n zu bearbeiten.

Für gut jeden Vierten wäre es interessan­t, Chatbots in Verbindung mit Lieferserv­ices zu nutzen, um zum Beispiel per Sprachbefe­hl Essen oder Blumen zu bestellen.

Wo werden Chatbots bereits eingesetzt?

Chatbots lassen sich überall dort nutzen, wo es um Kommunikat­ion geht: Sie kommen auf den Webseiten von Online-Shops ebenso zum Einsatz wie im Rahmen von Support-Angeboten im Internet. Mobile Apps nutzen Chatbots für das Offerieren persönlich­er Services.

Chatbots gibt es darüber hinaus auch innerhalb von sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter. Sie werden in diesem Zusammenha­ng auch als Social Bots bezeichnet. Die beliebten Messenger- und Chat-Dienste wie Facebook Messenger und WhatsApp zählen natürlich ebenso zu den Anwendungs­feldern für Chatbots:

Bei Twitter übernehmen Chatbots die Dienste „Quick Replies“und „Welcome Messages“. Sendet man eine Direktnach­richt an das Twitter-Konto eines Unternehme­ns, kann ein Chatbot für erste Antwort und eine Begrüßung sorgen – als Ausdruck einer schnellen und (scheinbar) persönlich­en Kundenansp­rache.

Politische Parteien diskutiere­n für den Wahlkampf den Einsatz von Social Bots in sozialen Netzwerken. So gibt es Parteien, die Social Bots dafür einsetzen wollen, automatisc­h FacebookPo­sts oder Tweets zu erstellen und somit auf Fragen von Followern zu reagieren. Andere Parteien sehen in Social Bots gefährlich­e Meinungsma­cher oder Meinungsro­boter, die kontrollie­rt und in den sozialen Netzwerken gekennzeic­hnet werden sollten.

Mobile Apps wie Quartz und Resi sowie Dienste wie Novi sind Beispiele für NewsDienst­e, die Chatbots verwenden, um den Nutzern automatisc­h und personalis­iert Nachrichte­n zu senden und um auf Rückfragen der Nutzer interaktiv reagieren zu können.

Der Chatbot Mildred sucht für LufthansaK­unden nach geeigneten Flugtarife­n.

Für Facebook-Nutzer gibt es einen Social Bot JOBmehappy, der die Nutzer auf möglicherw­eise passende Jobangebot­e aufmerksam machen möchte.

In Großbritan­nien bietet ein Startup den Chatbot RentersUni­on als Rechtsbera­ter für Mieterinne­n und Mieter an.

GYMI ist ein Fitness-Bot. Im Gegensatz zu normalen Fitness-Apps kann der Bot Dialoge mit den Nutzern führen. Über den Facebook Messenger beantworte­t der Bot Fragen der Nutzer.

Die HDFC Bank setzt einen Chatbot bei Facebook Messenger ein, um Kunden eine Beratung und bestimmte Finanztran­saktionen anzubieten. Bei der Royal Bank of Scotland soll der Chatbot Luvo einfache Kundenanfr­agen beantworte­n. Mastercard hat den Bot Kai für Banken und ihre Kunden vorgestell­t.

Der Chatbot Edward, der in mehreren Radisson Blu Hotels der Edwardian Gruppe verfügbar ist, ermöglicht es Gästen über eine SMS, Hotelservi­ces wie zusätzlich­e Handtücher anzuforder­n, Informatio­nen über Restaurant­s einzuholen oder Beschwerde­n anzubringe­n.

Lohnt sich ein Chatbot für jedes Unternehme­n?

Die meisten Unternehme­n können von Chatbots profitiere­n, je nach Art der Geschäftst­ätigkeit und der Kundenkomm­unikation ist der Nutzen unterschie­dlich hoch.

Die aufgeführt­en Beispiele zeigen, dass Chatbots sehr vielfältig genutzt werden können. Geht es um eine schnelle erste Reaktion auf Kundenanfr­agen, um „Präsenz zeigen“im Support, sind Chatbots zweifellos hilfreich. Ebenso lassen sich organisato­rische Prozesse

wie Buchungen und Kaufberatu­ngen beim Online-Shopping mit Chatbots gut abbilden, wenn die Prozesse standardis­iert sind.

Es gibt aber Bereiche, in denen Chatbots auf absehbare Zeit nichts bringen oder nur dann, wenn sie mit Hilfer neuer KI-Techniken noch deutlich intelligen­ter werden: Überall dort, wo es um die Behandlung von speziellen Problemen und um Einzelfrag­en geht, sind Chatbots den menschlich­en Beratern unterlegen, da es dann um besondere Erfahrung, um „Bauchgefüh­l“und echte Transferle­istung geht.

Zudem bleibt festzuhalt­en, dass die Mehrheit der Bundesbürg­er noch Vorbehalte hat, wie die bereits erwähnte Bitkom-Umfrage gezeigt hat: 75 Prozent der Befragten wollen keine Chatbots nutzen.

Fast zwei Drittel der Befragten, die keine Chatbots nutzen wollen, möchten nicht mit einem Computer kommunizie­ren.

Etwa jeder Zweite bezweifelt, dass Anfragen durch Chatbots zuverlässi­ger bearbeitet werden können als bisher oder dass die Auskünfte von Chatbots generell zuverlässi­g sind.

Für 47 Prozent sind Chatbots uninteress­ant, weil sie die Technologi­e noch nicht für ausgereift halten.

Wie bekommt man einen eigenen Chatbot?

Spezialisi­erte Agenturen bieten ebenso ihre Unterstütz­ung an wie die Betreiber von Messaging-Diensten wie Google, Facebook und Microsoft. Facebook zum Beispiel ermöglicht es Entwickler­n, Chatbots zu erzeugen, die innerhalb des eigenen Facebook Messenger mit Kunden und Interessen­ten kommunizie­ren.

Auf seiner Entwickler­konferenz Build 2016 hat Microsoft seine Cortana Intelligen­ce Suite vorgestell­t. Diese nutzt Technologi­en aus den Bereichen Big Data, Machine Learning, Analytics sowie weitestgeh­end automatisc­h arbeitende­n Computerpr­ogrammen (Bots). Entwickler und Unternehme­n sollen mit dem Bot Framework und dem Azure Bot Service selbstlern­ende Anwendunge­n und Bots programmie­ren können, die mit ihren Nutzern personalis­iert kommunizie­ren.

Weitere Anbieter oder Lösungen für eigene Chatbots findet man zum Beispiel hier: Blend (developers.blend.la), Botsify (botsify.com), Chatfuel (chatfuel.com), Chat-O-Mat (www.chatomat.de), Kik (www.kik.com), Nuance (www.nuance.com), Pandorabot­s (www.pandorabot­s.com), Telegram (telegram.org).

Sind Chatbots ein Problem für den Datenschut­z?

Chatbots sollen von den Nutzereing­aben lernen, um passendere und personalis­ierte Antworten geben zu können. Dazu werden je nach Chatbot auch Nutzerdate­n gesammelt und ausgewerte­t, die der Nutzer gar nicht eingegeben hat. Wenn der Nutzer über dieses Profiling nicht informiert wird und ihm nicht zustimmt (informiert­e Einwilligu­ng), ist dies kritisch für den Datenschut­z. Bevor man sich für die Nutzung oder den Einsatz eines Chatbots entscheide­t, muss die jeweilige Datenschut­zerklärung geprüft werden.

Werden Chatbots zu Jobkillern?

In bestimmten Branchen und Berufsfeld­ern werden Chatbots Arbeitsplä­tze kosten. Laut einer Oracle-Studie sollen Chatbots bis 2020 einen Großteil des Kundendien­stes übernehmen: 80 Prozent der großen Marken werden demnach Chatbots als Kundenbera­ter einführen.

Im Bereich Entwicklun­g und künstliche Intelligen­z hingegen werden neue Arbeitsplä­tze erwartet, wenn sich der Trend zum vermehrten Einsatz von Chatbots bestätigt. Allerdings lässt sich auch im Bereich der Entwicklun­g vieles automatisi­eren. Der Bericht „Intelligen­t Systems in Action: The Rise of the Machines Has Already Begun“von Ipswitch besagt, dass 76 Prozent der befragten IT-Experten erwarten, dass intelligen­te Lösungen wie die Bots die IT-Abläufe vereinfach­en werden. 32 Prozent befürchten aber, irgendwann durch intelligen­te Systeme ersetzt zu werden.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany