Intel nimmt Kurs auf den Automarkt
Die Mobileye-Übernahme soll Geschäfte mit autonomem Fahren anbahnen.
Mit der Übernahme will sich Intel im Geschäft mit Advanced Driver Assistance Systems (ADAS) in die Pole Position katapultieren. 15,3 Milliarden Dollar ist dem Branchenprimus im weltweiten Halbleitergeschäft diese Zukunftswette wert. Das Angebot von 63,54 Dollar je Aktie bedeutet einen Aufschlag von gut einem Drittel gegenüber dem Schlusskurs vor der Ankündigung. Die Erwartungen sind dementsprechend hoch. IntelSchätzungen zufolge soll der weltweite ADASMarkt bis 2030 auf bis zu 70 Milliarden Dollar anwachsen.
Von diesem Kuchen will sich Intel-CEO Brian Krzanich ein möglichst großes Stück sichern. Der Deal kombiniere die Augen autonom fahrender Autos mit dem intelligenten Rechenhirn, sagte der Manager. Intel baue die technische Basis für autonomes Fahren, um beispielsweise die Route aufzuzeichnen und Echtzeit-Entscheidungen zu treffen. Mobileye bringe ausgereifte Lösungen rund um die Sensorik sowie weitreichende Beziehungen mit Autoherstellern und Zulieferern ein. „Gemeinsam können wir die Entwicklung des autonomen Fahrens beschleunigen“, wirbt Krzanich für den Zukauf. Die 15,3 Milliarden Dollar sind der höchste Preis, der je für ein israelisches Technik-Startup auf den Tisch gelegt wurde. Das 1999 in Jerusalem gegründete Unternehmen mit 600 Mitarbeitern gehört zu den weltweit führenden Anbietern von Fahrassistenzsystemen und unterhält Partnerschaften mit fast allen Fahrzeugherstellern, darunter Audi, BMW, Ford, General Motors, Nissan und Volvo. Auch bei Tesla kam die Mobileye-Technologie bis vergangenen Sommer zum Einsatz. Nach dem tödlichen Unfall eines Tesla-Fahrers kündigten die Israelis jedoch die Zusammenarbeit auf, um – so die entsprechende Pressemitteilung – „die Reputation und Wahrnehmung von selbstfahrenden Autos zu schützen“.
Rollende Rechenzentren
Mit Intel wiederum verbinden Mobileye bereits mehrere Partnerschaften, darunter seit Mitte 2016 eine Kooperation mit BMW. Zusammen wollen die drei Unternehmen unter dem Label „iNext“die Technologie für ein vollautonomes Auto entwickeln. Das ehrgeizige Projekt soll bis 2021 praxistaugliche Ergebnisse hervorbringen und zur Grundlage autonomer Fahrzeugflotten werden.
Mobileye bringt dabei sein Wissen in den drei entscheidenden Bereichen Messungen, Kartenerstellung und Fahrregeln ein, wobei Sensing und Mapping über das eigene Bildverarbeitungssystem EyeQ laufen. Halbleitergigant Intel wiederum könnte verschiedene Prozessoren, FPGAs (Field Programmable Gate Arrays) und Security-Tools zum Projekt iNext beisteuern. Zudem sieht der Konzern eine Chance, durch den steigenden Bedarf an KI-Systemen mehr Server-Chips abzusetzen. Autos entwickelten sich mehr und mehr zu rollenden Rechenzentren, hieß es in einem Intel-Statement zum Deal. Der Konzern schätzt, dass 2020 jedes mehr oder weniger autonom agierende Fahrzeug rund 4000 GB Daten pro Tag produzieren werde.
Die Israelis haben sich in dem Zukunftsmarkt nach einhelliger Expertenmeinung eine gute Ausgangsposition erarbeitet. Laut den Analysten von IHS Automotive kommt Mobileye im Geschäft mit Kamera-Assistenzsystemen auf einen Weltmarktanteil von 70 bis 80 Prozent. Gartner-Analyst Mike Ramsey bezeichnete die Lösungen des Unternehmens als günstig und effizient. Die Entwickler arbeiteten mit Hochdruck daran, immer leistungsfähigere Systeme mit mehr Kameras und verschiedensten zusätzlichen Sensoren zu bauen, die dazu führen sollen, halbautonomes und letztendlich vollautonomes Fahren zu ermöglichen. „Für Intel ist die Übernahme ein logischer Schritt“, konstatierte Ramsey.
Intel hofft auch darauf, die eigenen Prozessoren und Chips in den Fahrzeugen unterzubringen. Die benötigen künftig immer mehr Rechenpower, um die Daten aus den ADAS-Systemen zu verarbeiten. Mobileye setzt derzeit hauptsächlich auf Chips von STMicroelectronics. Darüber hinaus geht es auch um Aspekte wie Car-to-Car-Kommunikation und den Datenaustausch zwischen Fahrzeug und Herstellern, um die Technik laufend weiterzuentwickeln und zu verbessern. Intel scheint bemüht, hier nicht den Anschluss zu verpassen. Der Konzern hatte in der Vergangenheit bereits den einen oder anderen Trend schlichtweg verschlafen – Beispiel Mobility. In Smartphones und Tablets kommen fast durchweg Produkte des Chipdesigners ARM zum Einsatz. Mit ihren stromsparenden Chips haben die Briten den Markt fest im Griff.
Ein solches Fiasko soll sich aus Intel-Sicht nicht wiederholen. Der Konzern braucht außerdem dringend neue Märkte, nachdem das PCGeschäft – einstmals die Intel-Domäne schlechthin – bereits seit Jahren schwächelt. Der Mobileye-Deal ist nicht der erste Schritt, den Intel in Richtung Fahrzeugmarkt macht. Im November vergangenen Jahres hatte die Investment-Sparte Intel Capital angekündigt, rund 250 Millionen Dollar in autonome Fahrzeugtechnik investieren zu wollen. Im Januar dieses Jahres folgte die Ankündigung, einen 15-prozentigen Anteil am Kartenanbieter HERE zu übernehmen. Beide Unternehmen wollen eine hochskalierbare Architektur entwickeln, um Realtime-Updates hochauflösender Karten für das autonome Fahren zu ermöglichen. Außerdem sollen weitere Optionen in Richtung Internet of Things (IoT) sowie Machine Learning ausgelotet werden.
Die Konkurrenz schläft nicht
Einen Strich durch die Rechnung könnte Intel dabei allerdings der Rivale Nvidia machen. Im September vergangenen Jahres kündigte Nvidia den Supercomputer-Chip „Xavier“an. Dieser wird von der 512-Core-Volta-GPU angetrieben, die speziell für autonome Autos gedacht ist. Zudem hat der Grafikkartenspezialist im Januar den „PX2“avisiert, eine Art Mini-Supercomputer für Autos. Der soll beispielsweise in Tesla-Fahrzeugen zum Einsatz kommen. Intel selbst hat zwischenzeitlich seinen Computer „Go“für selbstfahrende Autos angekündigt, der bis zu 28 Xeon-Chips aufnehmen kann.
Der Deal ist auch ein deutliches Zeichen, dass die Karten in der weltweiten Chipindustrie neu gemischt werden. Die Halbleiterhersteller wenden sich neuen Märkten zu. Beispielsweise versucht auch Samsung, im Automobilgeschäft stärker Fuß zu fassen. Die Südkoreaner übernahmen im vergangenen Jahr für acht Milliarden Dollar Harman, einen Spezialisten für Autoelektronik und Unterhaltungssysteme. US-Anbieter Qualcomm schluckte für sage und schreibe 47 Milliarden Dollar den auf IoT-, Automotive- und Security-Technik spezialisierten Anbieter NXP, und der japanische Mischkonzern Softbank ließ sich den Kauf von ARM 32 Milliarden Dollar kosten – alles waghalsige Wetten auf möglicherweise lukrative Märkte der Zukunft.