Public-Cloud-Riesen im Vergleich
Was Amazon, Microsoft und Google zu bieten haben – und was nicht.
Geht es um IaaS-Dienste auf EnterpriseNiveau, ist Amazon Web Services (AWS) nach Einschätzung von Analysten noch immer das Maß der Dinge. Microsoft allerdings macht mit dem wachsenden AzurePortfolio Boden gut, und auch bei Google mit seiner Cloud Platform sehen die Auguren Fortschritte. Das Marktvolumen vergrößert sich stetig. Gartner beispielsweise taxiert die Umsätze im weltweiten IaaS-Markt für 2016 auf 25,3 Milliarden Dollar, 2018 sollen es schon 45 Milliarden sein. Kein Wunder also, dass die „Hyperscaler“ihre Cloud-Palette immer weiter ausbauen. Die Entscheidung für einen CloudProvider wird damit nicht leichter. Vor diesem Hintergrund hat Gartner die drei führenden Plattformen auf den Prüfstand gestellt und anhand von 234 Kriterien bewertet. Die Analysten unterscheiden dabei in erforderliche, bevorzugte und optionale Features. AWS gilt als Wegbereiter des Public-CloudMarkts. Der frühe Start 2006 verschaffte dem Cloud-Ableger des E-Commerce-Riesen einen großen Vorsprung vor den Konkurrenten. Nach Einschätzung von Gartner besitzt AWS immer noch das ausgereifteste Cloud-Angebot.
Zum Zeitpunkt des Cloud-Vergleichs unterhielt AWS weltweit 42 Availability Zones (AZs) in 16 Regionen. Jede AZ besteht aus mindestens einem oder mehreren dedizierten Rechenzentren. Im vergangenen Jahr hielt der Provider nach Gartner-Schätzungen mehr Rechenkapazität in seiner Cloud vor als alle anderen Konkurrenten zusammen. Die Compute-Dienste reichen von Amazon EC2 für virtuelle Maschinen und dem EC2 Container Service über LightSail für virtuelle private Server bis hin zur Serverless-Computing-Plattform Lambda. Damit lassen sich Programme ausführen, ohne dabei die Provisionierung von Infrastrukturressourcen zu berücksichtigen. Im Bereich Storage offeriert AWS neben S3 unter anderem Elastic Block Storage (EBS) und die Low-CostArchivierungslösung Glacier. Breit ist die Auswahl mittlerweile auch in puncto Datenbankservices. Neben der relationalen Datenbank Aurora können Kunden beispielsweise Amazon RDS wählen, wenn sie MySQL nutzen wollen.
Darüber hinaus unterstützt AWS die objektrelationale Datenbank PostgreSQL, Oracles Datenbank, Microsofts SQL Server sowie die NoSQLDatenbank DynamoDB. Hinzu kommt eine Reihe an Diensten aus den Bereichen Networking, Mobile Application Services, Messaging und Business-Productivity-Tools. Amazon offeriert auch eine IoT-Plattform, daneben Dienste für Spieleentwickler sowie Desktop- und Application-Streaming-Services. Darüber hinaus betreibt AWS den größten Marktplatz für Drittanbieter-Services im Cloud-Sektor. Angeblich planen die AWS-Strategen eine Cloud-basierte Office-Suite, die Microsofts Office 365 und Googles G Suite Konkurrenz machen würde.
Portfolio kann AWS-Kunden überfordern
Die gravierendste Schwäche von AWS ist womöglich die schiere Größe der Plattform. Unternehmenskunden brauchen viel Zeit und häufig externe Beratung, um die Dienste effizient zu nutzen. Dadurch entstehen zusätzliche Kosten. Anwendungen einfach unverändert in die Cloud zu schieben ist für die wenigsten ein gangbarer Weg. Vielmehr müssen etliche Programme erst für den Cloud-Betrieb angepasst und zum Teil sogar neu entwickelt werden.
Die feingranulare Abrechnung nach dem Payas-you-go-Modell bringt Vorteile, wenn es um kurzfristige IT-Anforderungen geht. Sie kann nach Einschätzung der Gartner-Experten aber auch schnell teuer werden, wenn Kunden sich nicht intensiv damit auseinandersetzen. Die breite Palette an Preisoptionen und Rabatten auf bestimmte Cloud-Services macht die Auswahl der richtigen Produkte und Mengen zu einem komplexen Unterfangen.
Das rasante Tempo, in dem AWS neue Services und Technologien entwickelt, wird oft gelobt. Nicht wenige Kunden aber haben durchaus ihre Probleme, immer auf dem neuesten Stand zu bleiben. Kompliziert wird es bisweilen auch, wenn Unternehmen Service-Level-Agreements (SLAs) in Anspruch nehmen wollen. Azure – gut genug für den Enterprise-Einsatz
Microsoft Azure war als Cloud-basierte Anwendungs-Entwicklungsplattform (Platform as a Service = PaaS) an den Start gegangen. Bis heute ist das Angebot stark gewachsen und umfasst neben PaaS- auch IaaS-und SaaSProdukte. Microsofts größter Vorteil im CloudRennen dürften die vielfältigen Geschäftsverbindungen zu Unternehmen sein. Wenn Kunden etwa auf Office 365 migrieren, kann Microsoft ihnen im Rahmen eines Enterprise Agreement auch Compute-und Storage-Dienste zu vergünstigten Konditionen anbieten.
Geht es um Features und Funktionen, liegen Microsoft und AWS in Sachen Public Cloud heute etwa gleichauf, urteilen die GartnerAnalysten. Die Compute-Dienste reichen von Windows- und Linux-basierten virtuellen Maschinen über den Azure Container Service bis hin zur Serverless-Computing-Plattform Functions. Hinzu kommen ein Batch-Processing-Service und die Plattform Service Fabric, die Microservices-basierte Applikationen miteinander verknüpft. Auch in puncto Datenbanken bietet Azure eine breite Auswahl, darunter neben relationalen Datenbankdiensten auch die NoSQL-Datenbank DocumentDB und diverse Data-Management-Services wie etwa Data Factory, mit dem sich strukturierte und unstrukturierte Daten verarbeiten lassen. Auch Microsoft offeriert eine IoT-Platform in der Cloud, darüber hinaus Security- und AccessManagement-Plattformen, Entwickler-Tools und diverse Monitoring- und Verwaltungsdienste.
Unterm Strich sehen die meisten Analysten das AWS-Portfolio im Vergleich zu Azure als etwas runder und einfacher zu nutzen an. Im Gartner Magic Quadrant für IaaS aus dem Jahr 2016 monieren die Analysten, die AzureAPIs und -Dokumentationen seien im Vergleich zu AWS zum Teil komplizierter. Zu empfehlen ist Azure immer dann, wenn vor allem Microsoft-basierte Workloads in der Cloud laufen
sollen oder etwa eine Cloud-Komponente einer bestehenden lokalen Microsoft-Anwendung benötigt wird. Kunden können in solchen Fällen über ein Enterprise Agreement kostenfreie Azure-Kapazitäten erhalten, wenn sie die Plattform nutzen.
Anders als AWS setzt Microsoft mit Azure nicht auf das Konzept der Availability Zones. Trotz der wachsenden Zahl international verteilter Data Center ist es laut Gartner für manche Kunden im Vergleich zu AWS etwas komplexer, Workloads über mehrere Regionen hinweg abzusichern. Auch die Suche nach qualifizierten Experten und Beratern könne sich im Azure-Umfeld schwieriger gestalten. Im Magic Quadrant kommt Gartner dennoch zu einer positiven Einschätzung: Für die meisten Enterprise Workloads sei Azure „gut genug“.
Google glänzt mit Data Services
Wie Microsoft stieg Google mit PaaS-Diensten in den Cloud-Markt ein und weitete sein Portfolio dann durch IaaS aus. Heute besitzt die Google Cloud Platform laut Analysten die meisten Kernfunktionen, die für Enterprise Workloads erforderlich sind. In bestimmten Bereichen habe der Provider sogar die Nase vorn. Dazu gehörten Application Container, Big-Data-Management und Machine Learning. Weniger gut schneidet Google in Sachen regionale Präsenz ab, ist aber dabei, seine DataCenter-Kapazitäten international auszubauen.
Zu den wichtigsten Features der Google Cloud Platform gehören neben den üblichen virtuellen Maschinen eine Container-Engine und -Registry sowie der Serverless-PaaS-Dienst Cloud Functions. Darüber hinaus offeriert Google den objektbasierten Cloud-Storage-Service Cloud SQL sowie die NoSQL-Datenbanken Cloud Bigtable und Cloud Datastore. Ein relativ neues Produkt im Portfolio ist der hochskalierbare relationale Datenbankservice Cloud Spanner. Für Batch-und Streaming-Prozesse stellt die Google-Plattform den Dienst Cloud Dataflow zur Verfügung; Data Lakes lassen sich mit Big Query bearbeiten. Zum Portfolio gehört ferner Dataproc, ein Spark- und Hadoop-Service, der große Datenmengen besonders einfach und kostengünstig verarbeiten können soll.
Eine Perle im Google-Angebot sehen Analysten in der quelloffenen und plattformunabhängigen Machine-Learning-Plattform Tensorflow. Daneben zählt das ebenfalls von Google entwickelte System Kubernetes zu den führenden Plattformen für die Verwaltung und Orchestrierung von Containern. Google übergab Kubernetes der Open-Source-Community, Kunden können es damit uneingeschränkt einsetzen oder auch in Form eines Hosted Service in der Google Container Engine nutzen. Ähnlich wie Microsoft ergänzt auch Google sein IaaS- und PaaS-Portfolio durch SaaS-Angebote. Im Mittelpunkt steht die G Suite, eine Sammlung von Productivity-Tools, die auch klassische OfficeKomponenten wie Textverarbeitung oder Tabellenkalkulation umfasst. Google offeriert dafür keine Rabatte in Form von Enterprise Agreements. Stattdessen hat der Konzern ein Schema entwickelt, bei dem Kunden mit steigendem Nutzungsgrad der Cloud Platform immer weniger pro Softwareeinheit bezahlen.
Trotz der wachsenden Funktionsbreite ist die Google-Cloud den Experten zufolge noch immer „work in progress“. Im Gartner-Vergleich erreicht Google in der Kategorie der erforderlichen Enterprise-Features nur 70 Prozent und damit deutlich weniger als AWS und Azure. Defizite sehen die Auguren beispielsweise im Bereich rollenbasierte Zugangskontrollen und User-Management-Tools. Googles IAM-Plattform (Identity and Access Management) befand sich zum Zeitpunkt des Vergleichs noch im Betastadium. Auch wenn es um den Zugang zu Unternehmenskunden geht, hat Google Nachholbedarf. Das ist seit jeher Microsofts große Stärke. AWS brauchte fast eine Dekade, um vergleichbare Kundenbeziehungen aufzubauen und als vertrauenswürdiger Partner zu gelten.