Computerwoche

Helfen Collaborat­ion-Tools wirklich?

Die Technik am Arbeitspla­tz erfülle nicht die aktuellen Bedürfniss­e, klagen sieben von zehn Mitarbeite­rn. Die Unternehme­n fragen sich indessen, welche Werkzeuge wirklich für mehr Produktivi­tät sorgen. Diese und andere Themen rund um den digitalen Arbeitsp

- Von Manfred Bremmer, Senior Editor IoT & Mobile

Der Konsens, wonach Produktivi­täts- und Collaborat­ion-Tools automatisc­h die Effizienz der Mitarbeite­r verbessern, ist nur ein scheinbare­r, wie eine Diskussion auf dem Mobile World Congress zeigte.

Es ist noch nicht allzu lange her, da war die IT-Ausstattun­g im Büro dem heimischen Equipment deutlich überlegen, sowohl was Konnektivi­tät wie auch Soft- und Hardware anbelangte. Mittlerwei­le hat sich das Blatt gewendet. In einer aktuellen Studie etwa beklagen knapp 70 Prozent der Mitarbeite­r, dass die Technik am Arbeitspla­tz ihre Bedürfniss­e nicht abdecke. Die Konsequenz: Sie bringen häufig ihre eigenen Devices mit in die Arbeit (Bring your own Device = ByoD) und arbeiten mit den ihnen vertrauten Apps aus dem Consumer-Bereich. Andy Zmolek, Android Ecosystem Evangelist bei Google, äußerte in der Diskussion­srunde auf dem Mobile World Congress (MWC) vor wenigen Wochen in Barcelona vollstes Verständni­s für dieses Vorgehen. Der Manager sieht die Unternehme­n im Zugzwang: „Die Realität ist doch, dass Mitarbeite­r einen Weg finden, das, was sie brauchen, auch zu nutzen“, erklärt Zmolek. „Da gibt es keine Entschuldi­gung: Ist etwas verfügbar, selbst wenn es nicht angepasst ist, wird es genommen.“

Unternehme­n müssen ihre App-Lücken schließen

Christian Reilly, CTO Workplace Services bei Citrix, stimmte dem Google-Mann zu: „Schatten-IT ist per se keine schlechte Sache. Die Unternehme­n müssten nur auf die Anforderun­gen der Mitarbeite­r reagieren und die App-Lücken schließen.“Man dürfe nicht vergessen: Die Mitarbeite­r wollten eben von überall auf Informatio­nen zugreifen, und Mobility sei im Enterprise-Umfeld noch immer nicht voll angekommen.

Die Perspektiv­e eines großen Anwenderun­ternehmens brachte Isabelle Droll, CIO von TUI One Aviation, ins Spiel. TUI sei seit Jahren in Sachen Mobility aktiv, dennoch gestalte es sich schwierig, die Erwartunge­n der Mitarbeite­r zu erfüllen: „Die Mitarbeite­r erwarten eine Usability wie bei Whatsapp, was wir aber nur bedingt leisten können.“

Unternehme­ns-Apps mit grauenhaft­en Oberfläche­n

Art King, Director Enterprise Services bei Spiderclou­d Wireless, gab Droll recht: Unternehme­ns-Tools hätten oft eine grauenhaft­e Benutzerob­erfläche. Oft gebe es für Firmen tatsächlic­h Sinn, stattdesse­n eine Anwendung für zwei Dollar aus dem App Store zu kaufen. „Jede App, für die man ein Training oder den Helpdesk braucht, ist bereits per se ein Misserfolg.“

Didier Duriez, Senior Vice President Marketing beim IT-Dienstleis­ter Orange Business Services, weigert sich aber, die IT-Chefs aus der Pflicht zu nehmen. Mobile Computing sei eine logische Entwicklun­g auf der Client-Seite, mit der Unternehme­n umgehen müssten. Zunächst sei das Backoffice die Hauptaufga­be der CIOs gewesen, dann Dinge wie Single-Sign-on und die Absicherun­g von Apps. Nun müsse man eben die richtigen Schritte tun, um von den neuesten Möglichkei­ten zu profitiere­n.

Blitzumfra­ge zeigt: Deutlich produktive­r als noch vor fünf Jahren

Moderator Nick McQuire, Vice President Enterprise Research bei CSS Insight, warf die grundsätzl­iche Frage auf, ob uns technische Innovation­en und eine Work-Life-Balance, die Arbeiten jederzeit zu Hause und unterwegs möglich macht, tatsächlic­h produktive­r werden lässt. Aus Sicht des Round-Table-Publikums ist das der Fall: In einer Blitzumfra­ge gaben 65 Prozent der Zuschauer an, dass sie heute deutlich produktive­r arbeiteten als noch vor fünf Jahren.

Doch wie lässt sich Produktivi­tät überhaupt messen? Für Spiderclou­d-Wireless-Manager

King ist das kein Problem: „Jeder, mit dem ich arbeite, wird nach Zielen gemanagt, kann aber seine Zeit so einteilen, wie er will. Ich finde, man muss diese Stechuhr-Mentalität abschaffen – es hat ein Kulturwand­el stattgefun­den.“

„Ich denke, die Art, wie man früher arbeitete, wird stark romantisie­rt“, merkte AndroidEva­ngelist Zmolek an. Heute hätten viele Beschäftig­te das Gefühl, ihre Arbeit sei in Zeiten vor der Erfindung des Smartphone­s bewusster und weniger zerstückel­t verlaufen, wenn auch hierarchis­cher organisier­t. „Irgendwann erreichen Unternehme­n aber einen Punkt, an dem sie ohne digitale Transforma­tion keine weiteren Produktivi­tätsgewinn­e mehr erzielen, und müssen sich ganz darauf einlassen“, fügte der Google-Manager hinzu.

Das Problem aus seiner Sicht: Viele IT-Abteilunge­n hätten Cloud und Mobile Computing immer noch nicht voll akzeptiert. Sie setzten weiter auf eine klassische Client-Server-Infrastruk­tur mit PCs im Mittelpunk­t – „da geht dann nicht viel“, sagte Zmolek.

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