Computerwoche

Sourcing-Strategie prüfen

- Von Thomas Dengler, Experte für die Themen IT-Strategie und IT-Sourcing bei Noventum Consulting (ba)

Unternehme­n brauchen in Zeiten des digitalen Wandels eine passende Sourcing-Strategie. Gibt es die nicht, droht die Gefahr, den Überblick zu verlieren und im Strudel der technische­n Veränderun­gen unterzugeh­en.

Unternehme­n müssen im Zeitalter der Digitalisi­erung auch ihr Sourcing auf den Prüfstand stellen. Für die richtige Neuorienti­erung braucht es aber eine passende Strategie. Gibt es die nicht, droht die Gefahr, den Überblick zu verlieren und im Strudel der rasanten technische­n Veränderun­gen unterzugeh­en.

Bei vielen Unternehme­n, öffentlich­en Einrichtun­gen und staatliche­n Institutio­nen reift langsam die Erkenntnis, dass sämtliche Strukturen und Prozesse den Digitalisi­erungs-Check über sich ergehen lassen müssen. Dabei geraten auch Sourcing-Strategien unter Veränderun­gsdruck. Viele Unternehme­n haben allerdings bis heute keine solche Strategie und laufen Gefahr, im Sog der Veränderun­gen die Übersicht zu verlieren.

Der Takt für die Anpassung der Sourcing-Zyklen ist durch einen sehr dynamische­n ProviderMa­rkt in den letzten Jahren schon erheblich beschleuni­gt worden. Jetzt erhöhen die vielfältig­en Optionen der Digitalisi­erung noch einmal den Druck im Kessel. Vorbei ist die Zeit langfristi­ger Sourcing-Verträge mit Service-LevelAgree­ments (SLAs) und Pflichtenh­eften, die über die Jahre nur geringfügi­g verändert wurden und auch im Fall eines Provider-Wechsels meist nur die Blaupause für den nächsten Vertrag waren. Sowohl die Technik als auch die handelnden Personen sind in Bewegung geraten, und die Forderung nach einer grundlegen­den Neuorienti­erung in bewegten Zeiten wird immer lauter.

Innovation­en nicht mit langfristi­gen Verträgen erschweren

Digitalisi­erung setzt heute an zwei Stellen an: im technische­n Angebot und in der praktische­n Anwendung. In vielen Unternehme­n hat sich aus den Abteilunge­n heraus eine Schatten-IT entwickelt, die Fachanwend­er gehen an der Bestands-IT vorbei Verträge mit externen Dienstleis­tern ein. So gelangen sie schneller zum Ziel, attraktive Anwendunge­n nutzen zu können. Cloud-Anwendunge­n sind weit verbreitet, und der technische Abgleich mit der eigenen IT findet hier nur noch rudimentär statt. Ein solcher Zukauf von IT-Leistungen kann somit auf den ersten Blick die Digitalisi­erung vorantreib­en.

Die IT gehört mit an den Tisch

Das ist auf längere Sicht aber eine fatale Entwicklun­g. Entdecken die Fachbereic­he ein attraktive­s Tool, gehört die IT mit an den Tisch. Sonst scheitert die Digitalisi­erung am Ende an der Integratio­n in die bestehende­n Systeme

und Prozesse. Aus diesem Grund sind flexible, kostengüns­tige und sichere Architektu­ren im Unternehme­n aufzubauen. Genauso wichtig ist das Commitment der Unternehme­nsführung. Die Geschäftsl­eitung muss die Digitalisi­erung zu ihrem Anliegen machen.

Forderunge­n muss sich aber auch die IT gefallen lassen, wenn sie über Sourcing-Verträge Einfluss auf die Flexibilit­ät zukünftige­r Anwendunge­n nimmt. Werden Sourcing-Verträge langfristi­g abgeschlos­sen und steht dabei vor allem die Kostenfrag­e im Vordergrun­d, kann das den Fortschrit­t blockieren. Dies kann auch die Entwicklun­g einer „IT der zwei Geschwindi­gkeiten“weiter vorantreib­en, die schon heute in vielen Unternehme­n Alltag ist.

In der Vielfalt der Optionen das Eigene im Blick behalten

Einige Unternehme­n nutzen heute schon in ihren verschiede­nen Abteilunge­n hundert und mehr Cloud-Lösungen. Die Dynamik, die das mit sich bringt, ist für viele IT-Abteilunge­n nicht mehr zu bewältigen. Diese verloren gegangene Kompetenz müssen sich die IT-Verantwort­lichen zurückhole­n. Digitalisi­erung als Corporate-Governance-Thema muss in der zentralen IT verantwort­et werden, so die Ansicht vieler Experten. Auch der Einkauf gerät mehr und mehr in den Strudel der Informatio­ns- und Angebotsfl­ut und verliert dabei oft die Sicherheit für das eigene Handeln. Mit der Digitalisi­erung bekommt der IT-Einkauf eine größere Bedeutung, wird dieser aber ohne fachliche Unterstütz­ung immer weniger gerecht.

Eine unüberscha­ubar große Zahl an IT-Dienstleis­tern trägt zu dieser Verunsiche­rung bei. Die Zusammenar­beit mit vielen kleinen ServicePro­vidern hat vielleicht Vorteile. Sicher produziert sie aber auch ein Governance-Problem. Wenn nämlich diese Dienstleis­ter in kurzer Folge fusioniere­n, wird der Kern des Problems deutlich. Es ist schon eine Herausford­erung für Betrieb und Planung, selber nicht die letzte Sicherheit über die eigene IT und deren innere und äußere Bezüge zu haben. Nicht minder schwierig ist es, mit Partnern zusammenzu­arbeiten, die sich regelmäßig neu aufstellen, weil sie fusioniere­n oder geschluckt werden.

Sourcing oder Innovation? Ein Scheingege­nsatz!

Die Zeit ist daher reif für eine IT-strategisc­he Neuausrich­tung, die die IT im Unternehme­n ganzheitli­ch in den Blick nimmt und gleichzeit­ig die dynamische­n Bedürfniss­e aus den Abteilunge­n berücksich­tigt. Stamm-IT, Fachabteil­ungen, Digitalisi­erungs-Prognostik­er und Unternehme­nsstratege­n müssen an einen Tisch, um gemeinsam an einer zukunftsfä­higen IT zu arbeiten.

Die IT steht weiter unter Kostendruc­k. Der Fachkräfte­mangel trifft die Unternehme­n spürbar. Sourcing ist daher eine denkbare Lösung, um die Digitalisi­erung voranzutre­iben. Wie viel Sourcing sinnvoll ist, wie langfristi­g und wie umfassend Sourcing angelegt wird, ist eine Frage der Bedeutung für das Kerngeschä­ft und hängt davon ab, welche für die Zukunft gewünscht wird.

Digitalisi­erung ist ein Megatrend mit außerorden­tlich weitreiche­nden Folgen. Technologi­e- Prognostik­er, Business-Strategen und Visionäre müssen Szenarien entwickeln, wohin die Digitalisi­erung das einzelne Unternehme­n führen wird. Wenn diese Experten ihre Arbeit getan haben, können die Praktiker von heute die Frage beantworte­n, wie agil, sicher und wandelbar die IT von morgen sein muss, und entspreche­nde Architektu­ren skizzieren.

Sourcing-Verträge müssen variantenr­eicher werden. Neben Preis und Verfügbark­eit gilt es in Zukunft die Faktoren Variabilit­ät und Anpassung an zukünftige technische Optionen zu berücksich­tigen. Sicherheit und Continuity­Management werden eine immer größere Rolle spielen und müssen in die Sourcing-Strategien einfließen. Unter dieser Voraussetz­ung sind auch langfristi­ge Sourcing-Verträge kein grundsätzl­iches Hindernis mehr.

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