„Auch eine Cloud muss in einer sehr soliden Infrastruktur laufen“
Dinko Eror, Managing Director von Dell EMC in Deutschland, erklärt, wie es nach der Übernahme von EMC durch Dell weitergeht und warum IT-Infrastruktur keineswegs Commodity ist.
CW: Der Start für die fusionierte Dell EMC ist erfolgt. Wie weit sind sie jetzt in der organisatorischen Verschmelzung des Unternehmens?
EROR: Das meiste ist bereits gut gelöst, vor allem die Zusammenführung der Produktportfolien. Wir fühlen uns inzwischen alle als Mitarbeiter einer Firma, wenn wir in Meetings sitzen. Da gibt es kaum noch die Haltung: Ich bin ein ehemaliger Dell- oder ein Ex-EMC-Kollege.
CW: Wie kommen die Mitarbeiter aus den doch sehr unterschiedlichen Unternehmenskulturen miteinander zurecht?
EROR: Ich hatte zuerst geglaubt, dass es Differenzen geben könnte – schon weil Dell und EMC sehr unterschiedliche Systeme anbieten. Trotzdem gibt es sehr viele Gemeinsamkeiten, und so wie die Produkte passen auch die Menschen dahinter gut zusammen. Es gibt aber natürlich kulturelle Unterschiede. EMC war an der Börse gelistet. Dell war schon eine Zeit lang ein privat geführtes Unternehmen. Daran gewöhnen sich die Ex-EMC-Mitarbeiter gerade – und an die Möglichkeit, Kunden dadurch langfristiger bedienen zu können.
CW: Letztlich sind Dell und EMC in Deutschland im Wesentlichen Sales-Organisationen. Da müsste es doch viele Redundanzen geben. Wie gehen Sie damit um?
EROR: Wir sind heute schon so weit, dass Frau Albiez und ich mit unseren Teams nahezu alle EMC-und Dell-Produkte verkaufen. Das gilt auch für viele Produkte der Tochtergesellschaften, etwa Pivotal oder Virtustream. Das ist komplett durchgemischt. Michael Dell hat in der Zusammenführung eines sehr richtig ge- macht: Er hat alle Sales- und Presales-Mitarbeiter dort gelassen, wo sie sind, so dass die Kundenbeziehungen intakt geblieben sind. Nachdem wir die Kunden verteilt hatten, sind die Account-Manager und damit Ansprechpartner in beiden Unternehmensbereichen fast exakt die gleichen geblieben.
CW: Wie gelingt es, die Cross-Selling-Schätze zu heben, wenn sich für viele Mitarbeiter gar nichts geändert hat?
EROR: Es gibt mehrere Gründe, warum diese Fusion Sinn macht, und die Cross-SellingChancen sind mit am wichtigsten. Schauen wir auf die Kunden, die wir in der Vergangenheit beide bedient haben, dann fällt auf, dass meistens nur entweder Dell oder EMC sehr gut mit ihnen im Geschäft waren, selten beide. Bei weniger als 15 Prozent waren wir wirklich beide stark vertreten. Können Sie sich vorstellen, wie gut das funktioniert, einem Kunden, der bei mir Storage gekauft hat, jetzt auch die Server anzubieten? Wir sind ja erst seit ein paar Wochen im neuen Modus, aber vom Gefühl her
und von dem, was ich an Opportunities in unserem Salesforce-System sehe, kann ich sagen, das funktioniert. Hinzu kommt, dass uns die Entwicklung rund um Buzzwords wie Digitalisierung oder Internet of Things hilft. Das sind ja erst einmal nur Wörter, die mit Inhalt gefüllt werden müssen. Gebraucht werden Software, Platform und Infrastructure as a Service. Letzteres geht stark in Richtung Hyperconverged Systems. Server, Netzwerk und Storage wachsen zusammen – Server und Netzwerk von Dell mit Storage-Lösungen von EMC. Wir haben da längst Erfahrungen mit VCE, einem auf Hyperconverged Systems spezialisierten Joint Venture, das heute ganz zu Dell EMC gehört. In der Vergangenheit mussten wir dafür fremde Server integrieren, irgendein proprietäres System aus China. Auch das war gut, aber jetzt, mit Dell-Servern, ist es viel besser. Und geht es um Platform as a Service, ist Pivotal einfach unschlagbar. Gerade erst hat Google Pivotal zum Technologiepartner Nummer eins ernannt. Wir können unseren Kunden End-to-End ein komplettes Rechenzentrum in der Box anbieten und eine PaaS oben draufsetzen.
CW: Sie haben sich von großen Teilen Ihres Software- und vor allem des Dienstleistungsgeschäfts getrennt. Bräuchten Sie das nicht eigentlich, um Ihre IT-Infrastruktur verkaufen zu können?
EROR: Wir haben uns ja nur von einem geschlossenen, leider nie vollständig integrierten Servicebereich getrennt, Perot Systems, der übrigens in Europa keine große Rolle gespielt hat. Und Produkte wie zum Beispiel die ECM-Software von Documentum kann ich auch jetzt verkaufen. Ich bin mit unseren Partnern ständig im Austausch. Die Endkunden, die über einen Beratungspartner einkaufen, möchten auch mit uns am Tisch sitzen. Die möchten wissen, welche Technologie dahintersteckt. Diese Partner sind für uns essenziell, ihr Erfolg ist unser Erfolg. Deshalb bauen wir Kapazitäten im Servicebereich auf, die diesen Firmen helfen, unsere Technologie zu verstehen und zu verkaufen.
CW: Server- oder Storage-Equipment, auf die Sie Ihre Zukunft verwetten, gilt heute doch als Commodity-Technik, die man billig in Fernost einkauft und zu Hyperscaling Systems assembliert, wie es Google und Facebook vormachen ...
EROR: Moment! Dagegen wehre ich mich entschieden. Wissen Sie, wie viel Intelligenz in einem IT-System steckt, damit es schnell und sicher läuft? Der Markt sieht das nicht, aber da steckt äußerste Ingenieurs- und Programmierkunst drin. Die Applikationen haben sich auch so geändert, dass Sie nicht mehr einfach nur eine Art von Server oder von Storage nutzen können. Dass die Öffentlichkeit das nicht sexy findet, akzeptiere ich, aber es ist wichtig! Auch eine Cloud muss in einer sehr soliden Infrastruktur laufen.
CW: Hardware und RZ-Infrastruktur ist das eine, innovative Technologien, die von Analytics über künstliche Intelligenz bis hin zu Blockchain und Internet of Things (IoT) reichen, das andere. Wo ist Dell da zu finden?
EROR: Dell ist stark im IoT-Umfeld und konzentriert sich unter anderem auf Gateways und Sensoren – from Edge to the Core to the Cloud, wie wir sagen. Wir haben gerade vor ein paar Tagen neue Gateways angekündigt. Wir sammeln die IoT-Daten, speichern und verarbeiten sie mit unseren Isilon-Systemen, setzen einen Hadoop-Cluster für die Analyse drauf, darüber kommt Pivotal – und so wird das dann dem Kunden verkauft. Die Kette funktioniert. Aber Ihre These ist korrekt, wir verkaufen weiterhin die Infrastruktur, auf der IoT, Cloud, Big Data laufen kann. Da innovieren wir. Stand heute ist kein einziges unserer Produkte identisch mit dem, was wir vor einem Jahr angeboten haben.
CW: Die Public-Cloud-Infrastruktur wird immer wichtiger. Wenn ich heute Erfahrungen sammeln will mit IoT oder Machine Learning, brauche ich keine eigene Infrastruktur, das kann ich bei AWS, IBM oder Microsoft in der Cloud ausprobieren.
EROR: Wissen Sie, welches die letzten drei großen Partnerschaften sind, die meine Firma in den vergangenen drei Monaten geschlossen hat? Amazon, Google und IBM. Technologisch ist das, was die Jungs machen, hervorragend. Sie sind teilweise unsere Konkurrenten, aber eben auch unsere Partner, weil sie unsere Infrastruktur hernehmen. Es ist mir also egal, ob mein Equipment im Rechenzentrum des Kunden oder bei Microsoft läuft. Ich glaube auch nicht, dass die Unternehmen in der Mehrheit jemals ihre IT komplett aus der Public Cloud beziehen. Das ist zu riskant und die Performance reicht nicht. Ich bin im Sozialismus aufgewachsen und halte schon deshalb die Demokratisierung der IT für ein ganz wichtiges Thema. Wenn einer alles bestimmt, wird das vielleicht eine Zeit lang funktionieren, aber nicht für immer.