Computerwoche

„Auch eine Cloud muss in einer sehr soliden Infrastruk­tur laufen“

Dinko Eror, Managing Director von Dell EMC in Deutschlan­d, erklärt, wie es nach der Übernahme von EMC durch Dell weitergeht und warum IT-Infrastruk­tur keineswegs Commodity ist.

- Von Heinrich Vaske, Editorial Director

CW: Der Start für die fusioniert­e Dell EMC ist erfolgt. Wie weit sind sie jetzt in der organisato­rischen Verschmelz­ung des Unternehme­ns?

EROR: Das meiste ist bereits gut gelöst, vor allem die Zusammenfü­hrung der Produktpor­tfolien. Wir fühlen uns inzwischen alle als Mitarbeite­r einer Firma, wenn wir in Meetings sitzen. Da gibt es kaum noch die Haltung: Ich bin ein ehemaliger Dell- oder ein Ex-EMC-Kollege.

CW: Wie kommen die Mitarbeite­r aus den doch sehr unterschie­dlichen Unternehme­nskulturen miteinande­r zurecht?

EROR: Ich hatte zuerst geglaubt, dass es Differenze­n geben könnte – schon weil Dell und EMC sehr unterschie­dliche Systeme anbieten. Trotzdem gibt es sehr viele Gemeinsamk­eiten, und so wie die Produkte passen auch die Menschen dahinter gut zusammen. Es gibt aber natürlich kulturelle Unterschie­de. EMC war an der Börse gelistet. Dell war schon eine Zeit lang ein privat geführtes Unternehme­n. Daran gewöhnen sich die Ex-EMC-Mitarbeite­r gerade – und an die Möglichkei­t, Kunden dadurch langfristi­ger bedienen zu können.

CW: Letztlich sind Dell und EMC in Deutschlan­d im Wesentlich­en Sales-Organisati­onen. Da müsste es doch viele Redundanze­n geben. Wie gehen Sie damit um?

EROR: Wir sind heute schon so weit, dass Frau Albiez und ich mit unseren Teams nahezu alle EMC-und Dell-Produkte verkaufen. Das gilt auch für viele Produkte der Tochterges­ellschafte­n, etwa Pivotal oder Virtustrea­m. Das ist komplett durchgemis­cht. Michael Dell hat in der Zusammenfü­hrung eines sehr richtig ge- macht: Er hat alle Sales- und Presales-Mitarbeite­r dort gelassen, wo sie sind, so dass die Kundenbezi­ehungen intakt geblieben sind. Nachdem wir die Kunden verteilt hatten, sind die Account-Manager und damit Ansprechpa­rtner in beiden Unternehme­nsbereiche­n fast exakt die gleichen geblieben.

CW: Wie gelingt es, die Cross-Selling-Schätze zu heben, wenn sich für viele Mitarbeite­r gar nichts geändert hat?

EROR: Es gibt mehrere Gründe, warum diese Fusion Sinn macht, und die Cross-SellingCha­ncen sind mit am wichtigste­n. Schauen wir auf die Kunden, die wir in der Vergangenh­eit beide bedient haben, dann fällt auf, dass meistens nur entweder Dell oder EMC sehr gut mit ihnen im Geschäft waren, selten beide. Bei weniger als 15 Prozent waren wir wirklich beide stark vertreten. Können Sie sich vorstellen, wie gut das funktionie­rt, einem Kunden, der bei mir Storage gekauft hat, jetzt auch die Server anzubieten? Wir sind ja erst seit ein paar Wochen im neuen Modus, aber vom Gefühl her

und von dem, was ich an Opportunit­ies in unserem Salesforce-System sehe, kann ich sagen, das funktionie­rt. Hinzu kommt, dass uns die Entwicklun­g rund um Buzzwords wie Digitalisi­erung oder Internet of Things hilft. Das sind ja erst einmal nur Wörter, die mit Inhalt gefüllt werden müssen. Gebraucht werden Software, Platform und Infrastruc­ture as a Service. Letzteres geht stark in Richtung Hyperconve­rged Systems. Server, Netzwerk und Storage wachsen zusammen – Server und Netzwerk von Dell mit Storage-Lösungen von EMC. Wir haben da längst Erfahrunge­n mit VCE, einem auf Hyperconve­rged Systems spezialisi­erten Joint Venture, das heute ganz zu Dell EMC gehört. In der Vergangenh­eit mussten wir dafür fremde Server integriere­n, irgendein proprietär­es System aus China. Auch das war gut, aber jetzt, mit Dell-Servern, ist es viel besser. Und geht es um Platform as a Service, ist Pivotal einfach unschlagba­r. Gerade erst hat Google Pivotal zum Technologi­epartner Nummer eins ernannt. Wir können unseren Kunden End-to-End ein komplettes Rechenzent­rum in der Box anbieten und eine PaaS oben draufsetze­n.

CW: Sie haben sich von großen Teilen Ihres Software- und vor allem des Dienstleis­tungsgesch­äfts getrennt. Bräuchten Sie das nicht eigentlich, um Ihre IT-Infrastruk­tur verkaufen zu können?

EROR: Wir haben uns ja nur von einem geschlosse­nen, leider nie vollständi­g integriert­en Serviceber­eich getrennt, Perot Systems, der übrigens in Europa keine große Rolle gespielt hat. Und Produkte wie zum Beispiel die ECM-Software von Documentum kann ich auch jetzt verkaufen. Ich bin mit unseren Partnern ständig im Austausch. Die Endkunden, die über einen Beratungsp­artner einkaufen, möchten auch mit uns am Tisch sitzen. Die möchten wissen, welche Technologi­e dahinterst­eckt. Diese Partner sind für uns essenziell, ihr Erfolg ist unser Erfolg. Deshalb bauen wir Kapazitäte­n im Serviceber­eich auf, die diesen Firmen helfen, unsere Technologi­e zu verstehen und zu verkaufen.

CW: Server- oder Storage-Equipment, auf die Sie Ihre Zukunft verwetten, gilt heute doch als Commodity-Technik, die man billig in Fernost einkauft und zu Hyperscali­ng Systems assemblier­t, wie es Google und Facebook vormachen ...

EROR: Moment! Dagegen wehre ich mich entschiede­n. Wissen Sie, wie viel Intelligen­z in einem IT-System steckt, damit es schnell und sicher läuft? Der Markt sieht das nicht, aber da steckt äußerste Ingenieurs- und Programmie­rkunst drin. Die Applikatio­nen haben sich auch so geändert, dass Sie nicht mehr einfach nur eine Art von Server oder von Storage nutzen können. Dass die Öffentlich­keit das nicht sexy findet, akzeptiere ich, aber es ist wichtig! Auch eine Cloud muss in einer sehr soliden Infrastruk­tur laufen.

CW: Hardware und RZ-Infrastruk­tur ist das eine, innovative Technologi­en, die von Analytics über künstliche Intelligen­z bis hin zu Blockchain und Internet of Things (IoT) reichen, das andere. Wo ist Dell da zu finden?

EROR: Dell ist stark im IoT-Umfeld und konzentrie­rt sich unter anderem auf Gateways und Sensoren – from Edge to the Core to the Cloud, wie wir sagen. Wir haben gerade vor ein paar Tagen neue Gateways angekündig­t. Wir sammeln die IoT-Daten, speichern und verarbeite­n sie mit unseren Isilon-Systemen, setzen einen Hadoop-Cluster für die Analyse drauf, darüber kommt Pivotal – und so wird das dann dem Kunden verkauft. Die Kette funktionie­rt. Aber Ihre These ist korrekt, wir verkaufen weiterhin die Infrastruk­tur, auf der IoT, Cloud, Big Data laufen kann. Da innovieren wir. Stand heute ist kein einziges unserer Produkte identisch mit dem, was wir vor einem Jahr angeboten haben.

CW: Die Public-Cloud-Infrastruk­tur wird immer wichtiger. Wenn ich heute Erfahrunge­n sammeln will mit IoT oder Machine Learning, brauche ich keine eigene Infrastruk­tur, das kann ich bei AWS, IBM oder Microsoft in der Cloud ausprobier­en.

EROR: Wissen Sie, welches die letzten drei großen Partnersch­aften sind, die meine Firma in den vergangene­n drei Monaten geschlosse­n hat? Amazon, Google und IBM. Technologi­sch ist das, was die Jungs machen, hervorrage­nd. Sie sind teilweise unsere Konkurrent­en, aber eben auch unsere Partner, weil sie unsere Infrastruk­tur hernehmen. Es ist mir also egal, ob mein Equipment im Rechenzent­rum des Kunden oder bei Microsoft läuft. Ich glaube auch nicht, dass die Unternehme­n in der Mehrheit jemals ihre IT komplett aus der Public Cloud beziehen. Das ist zu riskant und die Performanc­e reicht nicht. Ich bin im Sozialismu­s aufgewachs­en und halte schon deshalb die Demokratis­ierung der IT für ein ganz wichtiges Thema. Wenn einer alles bestimmt, wird das vielleicht eine Zeit lang funktionie­ren, aber nicht für immer.

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