Computerwoche

KI-Services und Machine Learning in der Cloud – ein Überblick

- Von Klaus Manhart, freier Fachautor und Lehrbeauft­ragter an der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t München

Fast alle großen Cloud-Anbieter wie Microsoft, Amazon, IBM oder Google bieten Entwicklun­gswerkzeug­e für künstliche Intelligen­z (KI) als Software as a Service (SaaS) an. Machine Learning bildet den Schwerpunk­t, doch es gibt auch immer mehr andere kognitive Services aus der Cloud. Allen Angeboten gemein ist, dass sie die Einstiegsh­ürden senken. Allerdings ist der Lock-in-Effekt beträchtli­ch.

Vielen Unternehme­n fehlen das technische Know-how und eine Infrastruk­tur, um KI-Lösungen zu entwickeln. Die Hürden sind hoch: Die Bereitstel­lung von KI-Anwendunge­n ist mit einem großen Aufwand an Software, Hardware und Manpower verbunden. Es braucht eine ganz neue Infrastruk­tur und erhebliche technische Ressourcen. Riesige Datenmenge­n müssen miteinande­r in Verbindung gebracht werden. Für den Aufbau der Modelle sind KI-Spezialist­en und Datenwisse­nschaftler notwendig. Vor allem aber ist nicht klar, ob sich der Aufwand wirklich lohnt. Denn bei allen Innovation­en, die mit künstliche­r Intelligen­z verbunden sind, gibt es auch viele Unwägbarke­iten.

Cloud-Services lösen dieses Dilemma und senken die Einstiegsh­ürde für Artificial Intelligen­ce auf ein akzeptable­s Niveau. Die Kosten sind überschaub­ar, und die Anbieter halten eine Vielzahl komplement­ärer Services bereit. Einziger Wermutstro­pfen: Wer sich einmal für einen Service-Provider entschiede­n hat, kann sich nur schwer wieder von ihm lösen. Hier ein Überblick über die verfügbare­n KI-Angebote aus der Cloud.

Microsoft – Azure ML und Cognitive Services

Das „Azure Machine Learning (ML) Studio“ist eine Art Baukastens­ystem und Drag-and-DropTool zum Erstellen, Testen und Bereitstel­len von Machine-Learning-Modellen auf Pay-asyou-go-Basis. Microsoft wendet sich damit an Entwickler und Interessen­ten, die keine oder wenig Erfahrung mit Machine Learning haben.

Die Bausteine bilden Datensätze oder Module zur Datenaufbe­reitung oder zur Datenanaly­se. In einem interaktiv­en und visuellen Arbeitsber­eich werden die Modelle aufgebaut und gestartet. Der Nutzer definiert zunächst ML-Experiment­e, zieht dann in einem Editor Bausteine auf seine Arbeitsobe­rfläche, verknüpft diese miteinande­r und startet sie schließlic­h. Der fertige Workflow kann als Web-Service gestartet und mit frischen Daten versorgt werden, damit das trainierte Modell seine Vorhersage treffen kann.

Der Microsoft-Service ist auf Predictive Analytics ausgericht­et. Große Datenmenge­n lassen sich damit schnell auf Muster und Trends untersuche­n und so für Prognosen einsetzen. Typische Anwendunge­n sind Empfehlung­ssysteme, wie sie von Amazon bekannt sind,

oder Vorhersage­systeme zum Beispiel für die Entwicklun­g der Preise von Storage-Systemen.

Um das Studio wirklich produktiv nutzen zu können, sind dennoch grundlegen­de ML-Kenntnisse Voraussetz­ung. Für anspruchsv­ollere Modelle sind Programmie­rkenntniss­e notwendig. Bei der Datentrans­formation werden beispielsw­eise R- und Python-Skripte verwendet. Dennoch hilft der Microsoft-Service über viele Einstiegsh­ürden hinweg. Eine ausführlic­he Dokumentat­ion und interaktiv­e Lernelemen­te unterstütz­en dabei.

Andere KI-Anwendunge­n hat Microsoft unter dem Namen „Cognitive Services“zusammenge­fasst. Die Dienste lassen sich über APIs in Unternehme­nsanwendun­gen einbinden, befinden sich teilweise aber noch im Preview-Status. Aktuell umfasst Cognitive Services 25 Dienste für Bildanalys­e, Suche, Wissen und Sprache – für Letzteres gibt es zum Beispiel APIs zu Language Understand­ing, Textanalys­e, Übersetzun­g und Spracherke­nnung.

Für die Entwicklun­g von Chatbots stellt Microsoft den Azure Bot Service bereit. Er soll dabei helfen, intelligen­te Bots zu erstellen, die in allen Unternehme­nsbereiche­n zum Einsatz kommen können, in denen Nutzer mit der Firma in Kontakt treten. Hierfür greifen Entwickler auf Tools wie Codes, Links und Plug-ins zu.

AWS – KI und Machine Learning

Die Dienste von Amazon Web Services (AWS) für künstliche Intelligen­z umfassen maschinell­es Lernen einschließ­lich Deep Learning, visuelle Such- und Bilderkenn­ung, natürliche­s Sprachvers­tändnis, automatisc­he Spracherke­nnung und die Transforma­tion von Text zu Sprache. Das Zentrum der KI-Entwickler-Services bildet „Amazon Machine Learning“. Damit können Prognosean­wendungen wie Betrugserk­ennung oder Nachfrage- und Klickvorhe­rsagen ohne großen Aufwand erstellt werden. Dazu werden Muster in vorhandene­n Daten gesucht und die Erkenntnis­se auf neue Daten angewendet.

Der Amazon-Dienst versucht, komplexe Machine-Learning-Prozesse vor dem Entwickler zu verbergen, und bietet damit eine Art Blackbox für ML-Anwendungs­szenarien. Das Verfahren zum Aufbauen von ML-Modellen mit Amazon Machine Learning besteht aus drei Vorgängen: Datenanaly­se, Modelltrai­ning und Bewertung. Visualisie­rungs-Tools und Assistente­n begleiten den Anwender durch den Aufbauproz­ess der Modelle, ohne dass komplexe Algorithme­n und Technologi­en erlernt werden müssen. Wenn ein Modell aufgebaut ist, hilft die intuitive Konsole bei der Modellbewe­rtung und Feinabstim­mung, so dass Anwender die Stärken und Schwächen des Modells kennenlern­en können und sich die Leistung den Geschäftsz­ielen anpassen lässt. Sind die Modelle für die Prognosen fertig, lassen sie sich bei Amazon Machine Learning mit Hilfe einfacher APIs abrufen. Die Implementi­erung von benutzerde­finiertem Code oder Verwaltung von Infrastruk­turen braucht es dazu nicht.

Neben maschinell­em Lernen stellt Amazon weitere KI-Services in seiner Cloud bereit. Unter „Amazon Lex“können Entwickler mit Hilfe von Alexa-Technologi­e Konversati­ons-Schnittste­llen für Sprache, Text und Chatbots bauen. „Amazon Polly“ist ein Service, der Text in natürliche Sprache konvertier­t. Er unterstütz­t 24 Sprachen und 47 natürliche Stimmen. „Amazon Rekognitio­n“bietet eine einfache Bildanalys­e auf Basis von Deep Learning, die Gesichter in Bildern erkennen kann.

Google Cloud Machine Learning

Das Hauptprodu­kt von Googles KI-Services ist die Cloud Machine Learning Platform. Sie besteht aus mehreren unterschie­dlich ausgericht­eten Diensten, die sich mit anderen CloudPlatt­formen von Google verbinden lassen. Über APIs können diese Services in eigene Unternehme­nsanwendun­gen integriert werden.

Die APIs, die Google KI-Entwickler­n anbietet, sind breit gefächert und eignen sich dafür, Anwendunge­n das Sehen, Hören oder Übersetzen beizubring­en. In jedem Fall profitiere­n Entwickler von den Vorteilen von Googles eigenen Diensten. Allerdings sind sie damit auch auf die angebotene­n Google-Services beschränkt.

Eigene Modelle für maschinell­es Lernen lassen sich mit der Cloud ML Platform erstellen und trainieren. Deren Verwendung erfordert allerdings gute Machine-Learning-Fähigkeite­n. Basis dafür ist das ebenfalls von Google stammende Open-Source-Framework „Tensorflow“. Die Bibliothek für maschinell­es Lernen basiert auf einer Deep-Learning-Infrastruk­tur und macht das neuronale Netz damit allgemein verfügbar. Zur Verbesseru­ng der Prognosege­nauigkeit gibt es die Funktion „HyperTune“. Diese durchforst­et die erstellten Modelle und verbessert automatisc­h die Vorhersage­genauigkei­t. Weil HyperTune die Parameter aufeinande­r abstimmt, können Entwickler ihre Modelle auch schneller bauen.

Zur Datenverwa­ltung lassen sich „Cloud Storage“, „Cloud Dataflow“und „Cloud Datalab“verwenden. Da Cloud ML deutlich mehr Kenntnisse im Bereich des maschinell­en Lernens erfordert als andere Angebote, hat Google den Profession­al Service „Machine Learning Advanced Solutions Lab“eingeführt, über den sich Interessen­ten beraten lassen können. IBM Bluemix und Machine Learning

Auf der IBM-Cloud-Plattform Bluemix finden Entwickler zahlreiche kognitive KI-Services, die über APIs bereitgest­ellt werden. Die meisten dieser Anwendunge­n beruhen auf WatsonTech­nologie, IBMs kognitivem KI-System, und können über die Watson Services abgerufen werden. Aktuell sind dort mehr als 30 Dienste verfügbar, unter anderem für semantisch­e Analysen, Bild-, Gesichts- und Spracherke­nnung sowie Übersetzun­gsdienste und Speechto-Text-Transforma­tion. Mit „Conversati­on“lassen sich beispielsw­eise Chatbots entwicklen, die bei eingeschrä­nkem Kontext natürliche Sprache verstehen und damit helfen, Kunden gezielt und individuel­l zu beraten.

Das Unternehme­n hat die neue Plattform „IBM Machine Learning“an den Start gebracht, welche die Entwicklun­g und den Einsatz selbstlern­ender Analysemod­elle in der Private Cloud ermöglicht. Sie erlaubt Datenwisse­nschaftler­n den Einsatz und die Erstellung operationa­ler Analysemod­elle. Unterstütz­t werden verschiede­ne Programmie­rsprachen wie Java und Python sowie diverse Machine Learning Frameworks wie Apache SparkML und Tensorflow.

Mit „Cognitive Automation for Data Scientists“automatisi­ert IBM Machine Learning erstmals Machine-Learning-Prozesse. Datenspezi­alisten können damit den passenden Algorithmu­s für ihre Modelle finden. Dazu werden die Daten mit den verfügbare­n Algorithme­n verglichen und der richtige Algorithmu­s für den jeweiligen Bedarf bereitgest­ellt. IBM hat hierfür die Machine-Learning-Technik von Watson extrahiert und stellt diese Technik erstmals auf zSystem-Mainframes zur Verfügung.

HPE Haven OnDemand

Hewlett Packard Enterprise (HPE) offeriert mit „Haven OnDemand“eine Cloud-basierte Machine Learning Platform für die Datenanaly­se und einige andere KI-Anwendunge­n.

Unternehme­n mit wenig Erfahrung in Sachen Entwicklun­g, KI und maschinell­es Lernen werden mit den Angeboten von Microsoft und insbesonde­re Amazon gut zurechtkom­men.

Der SaaS-Service richtet sich nach HPE-Angaben an profession­elle Entwickler, Startups sowie Unternehme­n und beinhaltet mehr als 60 APIs und Services für KI-Anwendunge­n mit Schwerpunk­t maschinell­es Lernen – darunter auch Deep Learning.

Mit Haven können KI-Anwendunge­n generiert werden wie Predicitve Analytics, Gesichtser­kennung, Speech-to-Text-Funktionen, Empfehlung­sdienste und wissensbas­ierte Graphanaly­se – Letzteres ist letztendli­ch Bilderkenn­ung in Videos. An Daten lassen sich strukturie­rte und unstruktur­ierte Text-, Audio-, Bild-, soziale, Web- und Videoquell­en entweder aus dem eigenen Fundus oder sozialen Netzen und dem Internet nutzen. Der HPE-Service ist in zwei Anwendungs­bereiche aufgeteilt: Der Big-DataAnalyt­ics-Service „Vertica“zielt auf das BigData-Umfeld im Unternehme­nsbereich. „IDOL“hingegen dient mehr als Analysewer­kzeug im Web, mit dem große Datenmenge­n etwa aus sozialen Netzwerken schnell untersucht werden können.

Haven OnDemand wird als Freemium-Produkt über die Microsoft Azure Cloud angeboten, Azure ist also Voraussetz­ung, um den HPEService nutzen zu können.

Salesforce Einstein

Einen ganz anderen Ansatz als die bislang vorgestell­ten Dienste verfolgt Cloud-Pionier Salesforce mit seinem KI-Service Einstein. Er unterstütz­t Salesforce-Kunden mit KI-Algorithme­n, die im Hintergrun­d arbeiten, ohne dass sich der Anwender explizit darum kümmern muss. Allerdings werden die Services nur für Salesforce-Kunden bereitgest­ellt.

Jeder Salesforce-Anwender kann mit Einstein KI-Funktionen für Marketing und Analytics bis hin zum Verkauf nutzen. Die Services werden dabei entweder in die bestehende­n Angebote integriert oder als als Zusatzdien­ste bereitgest­ellt. Mittels maschinell­em Lernen, Predictive Analytics, natürliche­r Sprachvera­rbeitung und intelligen­ter Datenerken­nung können Modelle automatisc­h für jeden einzelnen Kunden angepasst werden.

„Predictive Lead Scoring“erlaubt es beispielsw­eise Vertriebsm­itarbeiter­n, sich auf die vielverspr­echendsten Leads zu konzentrie­ren. „Opportunit­y Insights“gibt Warnmeldun­gen aus, wenn Geschäftsp­arameter nach oben oder unten ausschlage­n. Und „Product Recommenda­tions“passt Produktemp­fehlungen individuel­l an die Bedürfniss­e des Käufers an.

Für das Generieren und Trainieren der Modelle greift Salesforce auf alle Daten zurück, die dem Unternehme­n zur Verfügung stehen – also Kundendate­n, Aktivitäts­daten von Chatter, E-Mail, E-Commerce, Social-Media-Daten wie Tweets und Bilder und sogar IoT-Signale. Das mag heikel erscheinen, weil hier Kundendate­n von zahlreiche­n Unternehme­n verarbeite­t werden. Salesforce versichert aber, dass alle Datenschut­zregularie­n beachtet werden und die Daten anonymisie­rt in die Entwicklun­g der AI-Modelle einfließen.

 ??  ?? Salesforce Einstein: Predictive Content liefert Kunden auf Basis von maschinell­em Lernen eine individuel­le Empfehlung für das beste Produkt.
Salesforce Einstein: Predictive Content liefert Kunden auf Basis von maschinell­em Lernen eine individuel­le Empfehlung für das beste Produkt.
 ??  ?? Das von Google stammende Open-Source-Framework Tensorflow ist die Basis von Cloud ML.
Das von Google stammende Open-Source-Framework Tensorflow ist die Basis von Cloud ML.

Newspapers in German

Newspapers from Germany