KI-Services und Machine Learning in der Cloud – ein Überblick
Fast alle großen Cloud-Anbieter wie Microsoft, Amazon, IBM oder Google bieten Entwicklungswerkzeuge für künstliche Intelligenz (KI) als Software as a Service (SaaS) an. Machine Learning bildet den Schwerpunkt, doch es gibt auch immer mehr andere kognitive Services aus der Cloud. Allen Angeboten gemein ist, dass sie die Einstiegshürden senken. Allerdings ist der Lock-in-Effekt beträchtlich.
Vielen Unternehmen fehlen das technische Know-how und eine Infrastruktur, um KI-Lösungen zu entwickeln. Die Hürden sind hoch: Die Bereitstellung von KI-Anwendungen ist mit einem großen Aufwand an Software, Hardware und Manpower verbunden. Es braucht eine ganz neue Infrastruktur und erhebliche technische Ressourcen. Riesige Datenmengen müssen miteinander in Verbindung gebracht werden. Für den Aufbau der Modelle sind KI-Spezialisten und Datenwissenschaftler notwendig. Vor allem aber ist nicht klar, ob sich der Aufwand wirklich lohnt. Denn bei allen Innovationen, die mit künstlicher Intelligenz verbunden sind, gibt es auch viele Unwägbarkeiten.
Cloud-Services lösen dieses Dilemma und senken die Einstiegshürde für Artificial Intelligence auf ein akzeptables Niveau. Die Kosten sind überschaubar, und die Anbieter halten eine Vielzahl komplementärer Services bereit. Einziger Wermutstropfen: Wer sich einmal für einen Service-Provider entschieden hat, kann sich nur schwer wieder von ihm lösen. Hier ein Überblick über die verfügbaren KI-Angebote aus der Cloud.
Microsoft – Azure ML und Cognitive Services
Das „Azure Machine Learning (ML) Studio“ist eine Art Baukastensystem und Drag-and-DropTool zum Erstellen, Testen und Bereitstellen von Machine-Learning-Modellen auf Pay-asyou-go-Basis. Microsoft wendet sich damit an Entwickler und Interessenten, die keine oder wenig Erfahrung mit Machine Learning haben.
Die Bausteine bilden Datensätze oder Module zur Datenaufbereitung oder zur Datenanalyse. In einem interaktiven und visuellen Arbeitsbereich werden die Modelle aufgebaut und gestartet. Der Nutzer definiert zunächst ML-Experimente, zieht dann in einem Editor Bausteine auf seine Arbeitsoberfläche, verknüpft diese miteinander und startet sie schließlich. Der fertige Workflow kann als Web-Service gestartet und mit frischen Daten versorgt werden, damit das trainierte Modell seine Vorhersage treffen kann.
Der Microsoft-Service ist auf Predictive Analytics ausgerichtet. Große Datenmengen lassen sich damit schnell auf Muster und Trends untersuchen und so für Prognosen einsetzen. Typische Anwendungen sind Empfehlungssysteme, wie sie von Amazon bekannt sind,
oder Vorhersagesysteme zum Beispiel für die Entwicklung der Preise von Storage-Systemen.
Um das Studio wirklich produktiv nutzen zu können, sind dennoch grundlegende ML-Kenntnisse Voraussetzung. Für anspruchsvollere Modelle sind Programmierkenntnisse notwendig. Bei der Datentransformation werden beispielsweise R- und Python-Skripte verwendet. Dennoch hilft der Microsoft-Service über viele Einstiegshürden hinweg. Eine ausführliche Dokumentation und interaktive Lernelemente unterstützen dabei.
Andere KI-Anwendungen hat Microsoft unter dem Namen „Cognitive Services“zusammengefasst. Die Dienste lassen sich über APIs in Unternehmensanwendungen einbinden, befinden sich teilweise aber noch im Preview-Status. Aktuell umfasst Cognitive Services 25 Dienste für Bildanalyse, Suche, Wissen und Sprache – für Letzteres gibt es zum Beispiel APIs zu Language Understanding, Textanalyse, Übersetzung und Spracherkennung.
Für die Entwicklung von Chatbots stellt Microsoft den Azure Bot Service bereit. Er soll dabei helfen, intelligente Bots zu erstellen, die in allen Unternehmensbereichen zum Einsatz kommen können, in denen Nutzer mit der Firma in Kontakt treten. Hierfür greifen Entwickler auf Tools wie Codes, Links und Plug-ins zu.
AWS – KI und Machine Learning
Die Dienste von Amazon Web Services (AWS) für künstliche Intelligenz umfassen maschinelles Lernen einschließlich Deep Learning, visuelle Such- und Bilderkennung, natürliches Sprachverständnis, automatische Spracherkennung und die Transformation von Text zu Sprache. Das Zentrum der KI-Entwickler-Services bildet „Amazon Machine Learning“. Damit können Prognoseanwendungen wie Betrugserkennung oder Nachfrage- und Klickvorhersagen ohne großen Aufwand erstellt werden. Dazu werden Muster in vorhandenen Daten gesucht und die Erkenntnisse auf neue Daten angewendet.
Der Amazon-Dienst versucht, komplexe Machine-Learning-Prozesse vor dem Entwickler zu verbergen, und bietet damit eine Art Blackbox für ML-Anwendungsszenarien. Das Verfahren zum Aufbauen von ML-Modellen mit Amazon Machine Learning besteht aus drei Vorgängen: Datenanalyse, Modelltraining und Bewertung. Visualisierungs-Tools und Assistenten begleiten den Anwender durch den Aufbauprozess der Modelle, ohne dass komplexe Algorithmen und Technologien erlernt werden müssen. Wenn ein Modell aufgebaut ist, hilft die intuitive Konsole bei der Modellbewertung und Feinabstimmung, so dass Anwender die Stärken und Schwächen des Modells kennenlernen können und sich die Leistung den Geschäftszielen anpassen lässt. Sind die Modelle für die Prognosen fertig, lassen sie sich bei Amazon Machine Learning mit Hilfe einfacher APIs abrufen. Die Implementierung von benutzerdefiniertem Code oder Verwaltung von Infrastrukturen braucht es dazu nicht.
Neben maschinellem Lernen stellt Amazon weitere KI-Services in seiner Cloud bereit. Unter „Amazon Lex“können Entwickler mit Hilfe von Alexa-Technologie Konversations-Schnittstellen für Sprache, Text und Chatbots bauen. „Amazon Polly“ist ein Service, der Text in natürliche Sprache konvertiert. Er unterstützt 24 Sprachen und 47 natürliche Stimmen. „Amazon Rekognition“bietet eine einfache Bildanalyse auf Basis von Deep Learning, die Gesichter in Bildern erkennen kann.
Google Cloud Machine Learning
Das Hauptprodukt von Googles KI-Services ist die Cloud Machine Learning Platform. Sie besteht aus mehreren unterschiedlich ausgerichteten Diensten, die sich mit anderen CloudPlattformen von Google verbinden lassen. Über APIs können diese Services in eigene Unternehmensanwendungen integriert werden.
Die APIs, die Google KI-Entwicklern anbietet, sind breit gefächert und eignen sich dafür, Anwendungen das Sehen, Hören oder Übersetzen beizubringen. In jedem Fall profitieren Entwickler von den Vorteilen von Googles eigenen Diensten. Allerdings sind sie damit auch auf die angebotenen Google-Services beschränkt.
Eigene Modelle für maschinelles Lernen lassen sich mit der Cloud ML Platform erstellen und trainieren. Deren Verwendung erfordert allerdings gute Machine-Learning-Fähigkeiten. Basis dafür ist das ebenfalls von Google stammende Open-Source-Framework „Tensorflow“. Die Bibliothek für maschinelles Lernen basiert auf einer Deep-Learning-Infrastruktur und macht das neuronale Netz damit allgemein verfügbar. Zur Verbesserung der Prognosegenauigkeit gibt es die Funktion „HyperTune“. Diese durchforstet die erstellten Modelle und verbessert automatisch die Vorhersagegenauigkeit. Weil HyperTune die Parameter aufeinander abstimmt, können Entwickler ihre Modelle auch schneller bauen.
Zur Datenverwaltung lassen sich „Cloud Storage“, „Cloud Dataflow“und „Cloud Datalab“verwenden. Da Cloud ML deutlich mehr Kenntnisse im Bereich des maschinellen Lernens erfordert als andere Angebote, hat Google den Professional Service „Machine Learning Advanced Solutions Lab“eingeführt, über den sich Interessenten beraten lassen können. IBM Bluemix und Machine Learning
Auf der IBM-Cloud-Plattform Bluemix finden Entwickler zahlreiche kognitive KI-Services, die über APIs bereitgestellt werden. Die meisten dieser Anwendungen beruhen auf WatsonTechnologie, IBMs kognitivem KI-System, und können über die Watson Services abgerufen werden. Aktuell sind dort mehr als 30 Dienste verfügbar, unter anderem für semantische Analysen, Bild-, Gesichts- und Spracherkennung sowie Übersetzungsdienste und Speechto-Text-Transformation. Mit „Conversation“lassen sich beispielsweise Chatbots entwicklen, die bei eingeschränkem Kontext natürliche Sprache verstehen und damit helfen, Kunden gezielt und individuell zu beraten.
Das Unternehmen hat die neue Plattform „IBM Machine Learning“an den Start gebracht, welche die Entwicklung und den Einsatz selbstlernender Analysemodelle in der Private Cloud ermöglicht. Sie erlaubt Datenwissenschaftlern den Einsatz und die Erstellung operationaler Analysemodelle. Unterstützt werden verschiedene Programmiersprachen wie Java und Python sowie diverse Machine Learning Frameworks wie Apache SparkML und Tensorflow.
Mit „Cognitive Automation for Data Scientists“automatisiert IBM Machine Learning erstmals Machine-Learning-Prozesse. Datenspezialisten können damit den passenden Algorithmus für ihre Modelle finden. Dazu werden die Daten mit den verfügbaren Algorithmen verglichen und der richtige Algorithmus für den jeweiligen Bedarf bereitgestellt. IBM hat hierfür die Machine-Learning-Technik von Watson extrahiert und stellt diese Technik erstmals auf zSystem-Mainframes zur Verfügung.
HPE Haven OnDemand
Hewlett Packard Enterprise (HPE) offeriert mit „Haven OnDemand“eine Cloud-basierte Machine Learning Platform für die Datenanalyse und einige andere KI-Anwendungen.
Unternehmen mit wenig Erfahrung in Sachen Entwicklung, KI und maschinelles Lernen werden mit den Angeboten von Microsoft und insbesondere Amazon gut zurechtkommen.
Der SaaS-Service richtet sich nach HPE-Angaben an professionelle Entwickler, Startups sowie Unternehmen und beinhaltet mehr als 60 APIs und Services für KI-Anwendungen mit Schwerpunkt maschinelles Lernen – darunter auch Deep Learning.
Mit Haven können KI-Anwendungen generiert werden wie Predicitve Analytics, Gesichtserkennung, Speech-to-Text-Funktionen, Empfehlungsdienste und wissensbasierte Graphanalyse – Letzteres ist letztendlich Bilderkennung in Videos. An Daten lassen sich strukturierte und unstrukturierte Text-, Audio-, Bild-, soziale, Web- und Videoquellen entweder aus dem eigenen Fundus oder sozialen Netzen und dem Internet nutzen. Der HPE-Service ist in zwei Anwendungsbereiche aufgeteilt: Der Big-DataAnalytics-Service „Vertica“zielt auf das BigData-Umfeld im Unternehmensbereich. „IDOL“hingegen dient mehr als Analysewerkzeug im Web, mit dem große Datenmengen etwa aus sozialen Netzwerken schnell untersucht werden können.
Haven OnDemand wird als Freemium-Produkt über die Microsoft Azure Cloud angeboten, Azure ist also Voraussetzung, um den HPEService nutzen zu können.
Salesforce Einstein
Einen ganz anderen Ansatz als die bislang vorgestellten Dienste verfolgt Cloud-Pionier Salesforce mit seinem KI-Service Einstein. Er unterstützt Salesforce-Kunden mit KI-Algorithmen, die im Hintergrund arbeiten, ohne dass sich der Anwender explizit darum kümmern muss. Allerdings werden die Services nur für Salesforce-Kunden bereitgestellt.
Jeder Salesforce-Anwender kann mit Einstein KI-Funktionen für Marketing und Analytics bis hin zum Verkauf nutzen. Die Services werden dabei entweder in die bestehenden Angebote integriert oder als als Zusatzdienste bereitgestellt. Mittels maschinellem Lernen, Predictive Analytics, natürlicher Sprachverarbeitung und intelligenter Datenerkennung können Modelle automatisch für jeden einzelnen Kunden angepasst werden.
„Predictive Lead Scoring“erlaubt es beispielsweise Vertriebsmitarbeitern, sich auf die vielversprechendsten Leads zu konzentrieren. „Opportunity Insights“gibt Warnmeldungen aus, wenn Geschäftsparameter nach oben oder unten ausschlagen. Und „Product Recommendations“passt Produktempfehlungen individuell an die Bedürfnisse des Käufers an.
Für das Generieren und Trainieren der Modelle greift Salesforce auf alle Daten zurück, die dem Unternehmen zur Verfügung stehen – also Kundendaten, Aktivitätsdaten von Chatter, E-Mail, E-Commerce, Social-Media-Daten wie Tweets und Bilder und sogar IoT-Signale. Das mag heikel erscheinen, weil hier Kundendaten von zahlreichen Unternehmen verarbeitet werden. Salesforce versichert aber, dass alle Datenschutzregularien beachtet werden und die Daten anonymisiert in die Entwicklung der AI-Modelle einfließen.