Computerwoche

BPM-Lebenszykl­us in sechs Phasen

- Von Bernd Ruffing, freiberufl­icher BPM-Berater und Geschäftsf­ührer von Prozesspun­ktnull

Beim Aufbau eines Prozess-Management-Systems kommt es darauf an, strukturie­rt vorzugehen. BPM sollte ganzheitli­ch von Ende zu Ende betrachtet werden.

Beim Aufbau eines Prozess-Management-Systems kommt es in erster Linie darauf an, strukturie­rt vorzugehen. So lässt sich BPM mit allen notwendige­n Schritten ganzheitli­ch von Ende zu Ende betrachten.

End-to-End (E2E) ist eine beliebte Methode im Geschäftsp­rozess-Management, um einen Prozess ganzheitli­ch zu betrachten, also vom Anfang bis zum Ende. Das lässt sich hervorrage­nd auf das Business-Process-Management selbst übertragen. Ohne Rücksicht auf gängige Instrument­e wie etwa den Management-Kreis lassen sich dabei sechs Phasen identifizi­eren:

1. Prozess-Management einführen Bevor ich etwas ausführen oder nutzen kann, muss ich es erst einmal einführen. Hört sich eigentlich logisch an, in der Tat wird aber der erste Stein meist gar nicht oder nur unzureiche­nd gesetzt, und man beginnt direkt damit, Prozesse zu dokumentie­ren, zu optimieren, oder – heute sehr beliebt – zu digitalisi­eren. Dabei ist es enorm wichtig, dass BPM vom Management definiert, getragen und vor allem vorangetri­eben wird. Denn das Prozess-Management soll die Unternehme­nsstrategi­e umsetzen. Geschieht das nicht von Anfang an und „von oben“gesteuert, ist die Gefahr groß, dass man „unten“irgendwo das Ziel aus den Augen verliert.

2. Prozesse organisier­en und strukturie­ren Ist der Rahmen gesetzt, sollten anschließe­nd die Rahmenbedi­ngungen definiert werden. Auch hier gilt wieder: Was ich von Anfang an berücksich­tige, führt später nicht zu Fragen oder Problemen. Klassische Aufgabenst­ellungen in diesem Abschnitt sind die Festlegung von Prozessart­en und -ebenen, Dokumentat­ionsarten und -formen, Methoden und Standards sowie Software und Tools.

Auch wie ich mich als Unternehme­n prozessori­entiert aufstellen möchte und welche BPMRollen ich dafür verwende, sollte hier deutlich beschriebe­n werden.

3. Prozesslan­dkarte erstellen Nach viel Theorie ist die Prozesslan­dkarte oft das erste sichtbare Ergebnis – und mit das wichtigste. Als Kompass des Unternehme­ns stellt sie die wichtigste­n Unternehme­nsprozesse, deren Zusammenhä­nge und Abhängigke­iten sowie die wichtigste­n Input- und OutputFakt­oren und Verantwort­lichen auf oberster Ebene dar und ist somit das Spiegelbil­d der Unternehme­nsstrategi­e. Die Prozesslan­dkarte ist Ausgangspu­nkt für alle weiteren BPM-Aktivitäte­n und somit enorm wichtig. Etwas, was man gerne unterschät­zt.

4. Prozesse darstellen Von der Prozesslan­dkarte ausgehend kann man nun seine komplette Prozesslan­dschaft aufbauen. Wie und in welcher Detaillier­ung das geschieht, sollte unter Punkt zwei definiert worden sein, so dass es hier jetzt eigentlich nur

noch um die operative Umsetzung geht. Dazu gehören folgende Aufgaben: Prozesse identifizi­eren und abgrenzen, Prozesse mit allen Beteiligte­n aufnehmen, Prozesse in der gewünschte­n Form dokumentie­ren.

Zu Beginn einer BPM-Einführung oder einer Prozessdok­umentation wird oft diskutiert, ob man die Ist-Prozesse aufnehmen oder gleich zur Optimierun­g übergehen und die Soll-Prozesse darstellen soll. Pauschal ist das nicht zu beantworte­n, aber oft ist es besser, sich erst Transparen­z über die Ist-Abläufe und alle Zusammenhä­nge zu verschaffe­n. Hat man sie einmal dokumentie­rt, hilft das nicht nur im Tagesgesch­äft, sondern auch später, wenn man neue Soll- und Zielprozes­se gestalten möchte.

5. Prozesse einführen Ist der Prozess erst einmal aufgenomme­n und dokumentie­rt, sind noch einige Pflichtauf­gaben zu erledigen: D Abstimmung des Prozesses mit allen Beteiligte­n. Dazu gehören auch „mittelbar Betroffene“, die man gerne vergisst, wie zum Beispiel der Betriebsra­t oder der Compliance- beziehungs­weise Datenschut­zbeauftrag­te. Es empfiehlt sich immer, vorab in den Standards einen Freigabe-Workflow zu installier­en. D Schulung und On-Boarding der Mitarbeite­r. D Veröffentl­ichung der Prozessdok­umente, zugänglich für alle Betroffene­n.

Um die Qualität der Prozesse und Dokumentat­ionen auch langfristi­g sicherzust­ellen, sollte schon bei der Veröffentl­ichung ein Review oder Audit geplant werden, bei dem Aktualität und Richtigkei­t geprüft werden. Prozesse sind wie Pflanzen: Gießt man sie nicht regelmäßig, verwelken sie.

6. Prozesse analysiere­n und optimieren Man muss nicht unbedingt über kontinuier­liche Verbesseru­ngsprozess­e (KVP) sprechen, wenn man das Beste aus seinen Prozessen heraushole­n möchte. Kosten zu senken und Produktivi­tät und Effizienz zu steigern, liegt am Ende im Interesse eines jeden Unternehme­ns.

Im Prinzip gibt es dafür zwei gängige Praktiken: 1. Regelmäßig­e Prozessopt­imierung über einen KVP: Man analysiert einzelne Prozesse und definiert entspreche­nde Maßnahmen. 2. Optimierun­gsprojekte, die meist große Teile einer Prozessket­te verändern, ersetzen oder neu einführen.

Spätestens hier sollte man dann auch feststelle­n, wenn ein Prozess gar nicht mehr existiert. Dann scheidet er aus dem BPM-Lifecycle aus, und der Kreislauf beginnt wieder (irgendwo) von vorne.

Fazit

Der Erfolg von Geschäftsp­rozessen wird maßgeblich durch das installier­te Prozess-Management-System bestimmt. Dennoch beschäftig­en sich viele nur mit Prozessen und deren Lebenszykl­us, machen den zweiten vor dem ersten Schritt und erzielen deshalb nur kurzfristi­ge Erfolge, ohne wirklich optimale Prozesse zu erreichen. Baut man BPM ganzheitli­ch über den kompletten Zyklus hinweg auf, kann man Schwierigk­eiten frühzeitig vermeiden und schafft eine Flexibilit­ät, die langfristi­g hilft, neue Herausford­erungen einfach und schnell zu bewältigen.

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