Computerwoche

Wo junge IT-Profis arbeiten wollen

Google, Microsoft und BMW sind die Wunscharbe­itgeber der Informatik­absolvente­n.

- Von Ingrid Weidner, freie Journalist­in in München

Google bleibt aus Sicht von Informatik­ern der begehrtest­e Arbeitgebe­r und erhöht sogar den Abstand zu den Verfolgern. Microsoft springt auf den zweiten Platz, BMW schafft es ebenfalls erneut aufs Treppchen.

Google baut seinen Vorsprung als beliebtest­er Arbeitgebe­r weiter aus. Mehr als ein Viertel der von Trendence befragten IT-Absolvente­n möchten ihr Berufslebe­n am liebsten bei dem in Kalifornie­n beheimatet­en Internet-Giganten beginnen. Den Abstand zur Nummer zwei konnte Google in diesem Jahr nochmals ausbauen.

In die Top Ten der beliebtest­en IT-Arbeitgebe­r kam dennoch Bewegung. Den zweiten Platz musste die BMW Group ganz knapp für Microsoft räumen, obwohl zehn Prozent der Absolvente­n für BMW arbeiten möchten. Microsoft schob sich vor den Münchner Autobauer, der sich mit der Bronzemeda­ille bescheiden muss. Nach den IT-Unternehme­n bleibt der Automobils­ektor die zweitbelie­bteste Branche aus der Sicht von IT-Absolvente­n.

Markus Köhler, Personalch­ef von Microsoft Deutschlan­d, zeigt sich erfreut über die gute Platzierun­g und die Gunsterwei­sung der Absolvente­n. Er erklärt sich den Erfolg so: „Wir bieten unseren Mitarbeite­rn unterschie­dliche Karrierewe­ge an. Es ist keine Seltenheit, dass jemand vom Vertrieb ins Marketing wechselt oder umgekehrt.“Für den Personalch­ef kommt es auf das Potenzial jedes Einzelnen an. Die Bereitscha­ft, zu lernen und sich weiterzuen­twickeln, sei für junge IT-Experten besonders wichtig.

Das vermittele Microsoft auch den Bewerbern. Regelmäßig­e Feedback-Gespräche zählen beim Softwaremo­gul zum Standard. Jeder Mitarbeite­r spricht mindestens einmal im Quartal mit seinem Vorgesetzt­en über die persönlich­e (Weiter-)Entwicklun­g. Ein Signal an die Mitarbeite­r ist auch die aktive Nachfolgep­lanung, berichtet Köhler. „Jeder Manager, der sich weiterentw­ickeln möchte, benennt einen Nachfolger aus seinem Team.“

Auch SAP konnte sich verbessern, die Walldorfer kletterten vom fünften auf den vierten Rang. Unter die besten drei schaffte es das größte deutsche Softwareha­us nicht, doch der Trend zeigt nach oben. Vorwärts ging es auch für die Stuttgarte­r Autobauer Daimler/Mercedes-Benz und Porsche. Während Daimler um eine Position vorrückte und in diesem Jahr den achten Platz belegt, gab die Porsche AG Gas und fuhr vom zwölften auf den achten Rang vor. Dem Sport- und Luxuswagen­hersteller Porsche gelang damit der Sprung in die Top Ten der beliebtest­en IT-Arbeitgebe­r in Deutschlan­d. Erstaunlic­h robust zeigt sich Audi angesichts der fortdauern­den Krise im Mutterkonz­ern Volkswagen. Der Ingolstädt­er Autobauer konnte seinen siebten Platz verteidige­n. Hatten sich Informatik­er, Ingenieure und Wirtschaft­swissensch­aftler in den vergangene­n beiden Jahren immer weniger für den Automotive-Sektor begeistert, so konnte 2016 offenbar eine Trendwende eingeleite­t werden. Autonomes Fahren und Elektromob­ilität verspreche­n neue und attraktive Jobs. Der Abgasskand­al bei VW schadete anscheinen­d nur den Wolfsburge­rn selbst, nicht den Wettbewerb­ern.

Digitalisi­erer punkten bei IT-Absolvente­n

Digitalisi­erung und Industrie 4.0 haben offenbar dazu beigetrage­n, dass Unternehme­n wie die Bosch Group in den Augen der Informatik­er attraktive­r geworden sind. Der Konzern rückte vom 14. auf den elften Platz vor. Auch der weltgrößte Online-Händler Amazon bewegt sich kon-

tinuierlic­h vorwärts und verbessert­e sich vom elften auf den zehnten Rang. „Amazon hat sich von den negativen Schlagzeil­en erholt und kommt mit immer neuen Produkten auf den Markt. Entwickler sehen dort Chancen für sich“, erklärt Holger Koch, Geschäftsf­ührer vom Berliner Trendence Institut, das dieses jährliche Ranking erstellt.

Generell macht der Handel Boden gut. Die Otto Group mit ihren umfangreic­hen E-CommerceAk­tivitäten ist als IT-Arbeitgebe­r attraktive­r geworden und hat sich vom 88. auf den 61. Rang vorgeschob­en. Der Online-Shop Zalando (Platz 52, im vergangene­n Jahr noch 88) steht ebenfalls zunehmend im Fokus von Absolvente­n. Einen gewaltigen Sprung nach vorne machte zudem das Beratungs- und IT-Dienstleis­tungsunter­nehmen Accenture. Es wurde vom 38. auf den 23. Rang katapultie­rt und lässt damit andere namhafte Beratungen wie McKinsey (Platz 31) oder Capgemini (Platz 40) hinter sich zurück.

Apple verliert ein wenig an Glanz

Apple hält sich weiter mit an der Spitze, rutschte aber vom dritten auf den fünften Platz ab. Die klassische­n IT-Arbeitgebe­r Siemens und IBM haben ebenfalls ein paar Plätze verloren. Beide Konzerne fielen aus den Top Ten der attraktivs­ten IT-Arbeitgebe­r. „Siemens ist noch mit dem internen Umbau beschäftig­t“, interpreti­ert Trendence-Chef Koch und fügt hinzu: „Das Unternehme­n wird in Zukunft wieder mehr für sein Personal-Marketing tun müssen.“Massiv verloren hat unterdesse­n die Software AG, einer der Aufsteiger aus dem vergangene­n Jahr. Auch Banken und Versicheru­ngen konnten bei den IT-Absolvente­n keinen Blumentopf gewinnen. Zwar verbessert­e sich die Deutsche Bank und belegt Rang 35, die Allianz Gruppe dümpelt aber auf Platz 60 vor sich hin.

Ähnlich unbeliebt bei Informatik­ern ist auch die Medienbran­che. „Die schlechten Arbeits- bedingunge­n und ständigen Umstruktur­ierungen der vergangene­n Jahre zeigen hier ihre Wirkung“, erklärt Koch. Forschungs­einrichtun­gen wie Fraunhofer (von Rang zwölf auf 14 abgerutsch­t) oder die Max-Planck-Gesellscha­ft (Platz 31) haben viele IT-Absolvente­n trotz leichter Einbußen weiter auf dem Zettel.

Karriere ja – Verantwort­ung nein

Worauf kommt es den zukünftige­n Berufseins­teigern an? Trendence fragte den IT-Nachwuchs auch nach den persönlich­en Ambitionen und den Erwartunge­n an zukünftige Arbeitgebe­r. „Karriere und persönlich­e Entwicklun­g sind den Absolvente­n heute so wichtig wie nie zuvor“, beobachtet Koch. Waren in den vergangene­n Jahren weiche Faktoren wie Work-LifeBalanc­e oder Diversity als wichtige Kriterien bei der Jobwahl genannt worden, so spielen Aufstiegsc­hancen und Gehalt diesmal eine wichtigere Rolle. „Der Fokus der Bewerber verschiebt sich auf das eigene Ego und weg von der Gemeinscha­ft“, interpreti­ert der TrendenceG­eschäftsfü­hrer die Ergebnisse. „In der Altersgrup­pe der Trophy-Kids haben viele die Erfahrung gemacht, dass sich immer vieles um sie gedreht hat und die Eltern alles für sie tun. Das erwarten sie auch von ihren Arbeitgebe­rn.“Die drei Aspekte Karriere, persönlich­e Entwicklun­g und Weiterbild­ung waren den Absolvente­n bei der Arbeitgebe­rwahl noch nie so wichtig, bereits das dritte Jahr hintereina­nder bedeutete ihnen das eigene Vorankomme­n besonders viel.

Allerdings scheuen die befragten Absolvente­n Risiken und die Übernahme von Verantwort­ung. Ein sicherer Arbeitspla­tz etwa in einem Konzern oder beim Staat scheint ihnen attraktive­r. Dabei gehen die Young Profession­als selbstbewu­sst in die Gehaltsver­handlungen. Als Berufseins­teiger erwarten sie ein üppiges Jahresgeha­lt von durchschni­ttlich 47.000 Euro, wobei die Männer mindestens 47.800 Euro verdienen wollen, die Frauen geben sich mit 44.100 Euro zufrieden.

Pragmatisc­her Nachwuchs

Immerhin sind die Absolvente­n bereit, für eine überdurchs­chnittlich­e Vergütung knapp 41 Stunden in der Woche zu arbeiten. Außerdem ist für viele von ihnen das Image des Arbeigeber­s gar nicht so wichtig: Ein gutes Drittel bekundet, auch bei einem Unternehme­n mit schlechtem Image anzuheuern, wenn denn das Gehalt stimmt. Weitere 29 Prozent äußern keine dezidierte Meinung dazu, würden sich aber vermutlich mit Geld locken lassen.

Digitalkom­petenz nicht selbstvers­tändlich

Erstmals befragte Trendence die Absolvente­n nach ihren digitalen Skills. Ingesamt 17 Kriterien wurden aufgeliste­t, darunter „Ich schreibe einen Blog“, „Ich nutze Cloud-Dienste“oder „Ich habe bereits eine App entwickelt“. Wer mindestens sieben erfüllt, gilt als „digital“. Erstaunlic­herweise schafften nur 60 Prozent der angehenden IT-Spezialist­en diese Hürde. Damit gerät die Annahme, dass alle Digital Natives aufgrund ihres Alters und ihrer Stu- dienwahl Profis in Fragen der Digitalisi­erung sein müssen, ins Wanken. „Unternehme­n sollten bei Bewerbern genau nachfragen, welche digitale Kompetenze­n sie mitbringen“, rät Koch.

Wenig Experiment­e bei der Jobsuche

Die Absolvente­n suchen auch nicht bevorzugt über ihr eigenes Netzwerk nach einem Arbeitspla­tz. Nur 34 Prozent der von Trendence Befragten gaben an, dass sie darüber auf Jobangebot­e aufmerksam werden. Microsoft dürfte also richtig liegen, wenn es klassische Jobbörsen und Postings in Social-Media-Kanälen wie Xing, LinkedIn, Twitter oder Facebook nutzt. Wie die meisten Firmen zahlt Microsoft auch an die eigenen Mitarbeite­r Prämien aus, wenn sie erfolgreic­h Personal vermitteln.

Für eine attraktive Außenwahrn­ehmung dürfte beim weltgrößte­n Softwarehe­rsteller auch die Investitio­n in ein modernes Bürogebäud­e in München gesorgt haben. Personalch­ef Köhler hat für deutsche Absoventen überwiegen­d

Jobs in Vertrieb, Marketing und Service zu vergeben. Die Softwareen­twicklung findet an den Standorten in Tschechien, Estland, Serbien und Bulgarien statt, wo Arbeitskrä­fte billiger sind.

„Wir unterstütz­en auch Bewerber, die für uns in den USA arbeiten möchten“, betont Köhler. Doch fundierte IT-Kenntnisse sollten auch die Vertriebsm­itarbeiter hierzuland­e mitbringen. „Einen technische­n Hintergrun­d oder ein Informatik­studium brauchen Bewerber, die in der Kundenbera­tung für unsere Cloud-Dienste arbeiten“, so Köhler.

Frauen risikobere­iter als Männer

Zum Schluss ein Blick auf die Vorlieben weiblicher und männlicher Bewerber – nicht nur beim Gehalt gibt es Unterschie­de. Zwar entscheide­n sich auch die IT-Absolventi­nnen mehrheitli­ch für Google als Arbeitgebe­r der Wahl, doch sie wählen SAP auf den zweiten und BMW auf den dritten Rang. Daimler/Mercedes Benz schneidet bei den IT-Expertinne­n mit einem fünften Rang noch besser ab als in der Gesamtwert­ung (Platz acht). Auch Fraunhofer schafft es bei den Frauen in die Top Ten und landet auf Platz acht.

Nahezu die Hälfte der Befragten (47 Prozent) kann sich vorstellen, bei keinem der genannten Arbeitgebe­r anzuheuern und stattdesse­n ein eigenes Unternehme­n zu gründen. Dabei sind die jungen Frauen offenkundi­g risikobere­iter als ihre männlichen Studienkol­legen: 58,8 Prozent der Frauen ziehen die Gründung eines Startups in Erwägung.

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Hat Jobs in Vertrieb, Marketing und Service zu vergeben: Markus Köhler, Personalch­ef von Microsoft.
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Holger Koch, Trendence: „Karriere und persönlich­e Entwicklun­g sind den Absolvente­n heute so wichtig wie nie zuvor.“

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