Computerwoche

Digitaler Aufholbeda­rf im Handel

- Von Heinrich Vaske, Editorial Director

Der deutsche Handel nutzt die Chancen der Digitalisi­erung nicht konsequent genug. Vor allem das Zusammensp­iel von stationäre­m und OnlineHand­el haben die wenigsten Unternehme­n im Griff. So verspielen sie große Geschäftsc­hancen, vielleicht sogar ihre Zukunft.

Drei Viertel der deutschen Groß- und Einzelhänd­ler sehen sich als Nachzügler in Sachen Digitalisi­erung, so eine Umfrage des ITK-Verbands Bitkom. Mit Cloud Computing und modernen Analytics-Tools hat demnach nur eine Minderheit zu tun.

Der Bitkom hat in einer repräsenta­tiven Umfrage 530 Händler – davon 343 sowohl im stationäre­n als auch im Online-Handel aktiv – befragt. Das Ergebnis ist ernüchtern­d. 77 Prozent der Groß- und Einzelhänd­ler bezeichnen sich demnach als „Nachzügler“in der digitalen Transforma­tion, elf Prozent haben noch nicht einmal eine eigene Homepage. Von den 187 Unternehme­n, die nur im Offline-Handel unterwegs sind, hat ein Drittel immer noch keinen Internet-Auftritt.

Gut zwei Drittel der Händler, die sowohl online als auch im Laden verkaufen, bieten über beide Kanäle exakt das Gleiche an. Nur sechs Prozent haben im Netz ein größeres Angebot präsent. Jeder zehnte Händler bietet seine Waren im Internet günstiger an als im Laden. Bernhard Rohleder, Hauptgesch­äftsführer des Bitkom, warnt: „Dass auch vermeintli­ch erfolgreic­he und etablierte Unternehme­n ohne echte Digitalstr­ategie schnell ins Schlingern geraten können, dafür gibt es in Deutschlan­d immer wieder Beispiele wie etwa Wöhrl und Quelle.“

Wer neben einem stationäre­n Geschäft auch einen Online-Shop betreibt, macht mehr Umsatz. Die Hälfte der Befragten erzielen bis zu 30 Prozent ihrer Einnahmen im Web, weitere 27 Prozent sagen, sie kämen im Netz bereits auf 30 bis 50 Prozent ihrer Erlöse. Mehr als die Hälfte der Umsätze macht immerhin schon jeder zehnte Händler (elf Prozent) online.

Cloud und Big Data – in Ansätzen

Geht es um die Unterstütz­ung der Geschäftst­ätigkeit mit Software, ergibt sich ein gemischtes Bild. Rechnungen werden heute überwiegen­d elektronis­ch verschickt (66 Prozent), und jeweils 49 Prozent haben ein Warenwirts­chaftssyst­em in Echtzeit im Einsatz und können Sendungen digital verfolgen. Überrasche­nd gering ist das Interesse an Cloud-Lösungen, die nur von gut einem Drittel genutzt werden, und an Big Data/Analytics (22 Prozent). Potenziell disruptive Technologi­en wie Virtual Reality, Drohnen, Roboter oder künstliche Intelligen­z sind bei 90 Prozent der Händler und mehr noch nicht angekommen.

Auch mit Investitio­nen halten sich die Händler noch zurück. Drei Viertel (76 Prozent) aller Befragten gaben 2016 weniger als zehn Prozent ihres Jahresumsa­tzes für die Digitalisi­erung aus. Nur drei Prozent der Händler investiert­en mehr. Sieben Prozent gaben an, gar kein Geld für digitale Projekte lockergema­cht zu haben. Auch bei ihren Planungen für 2017 wollen die Händler keine großen Sprünge machen: Rund die Hälfte (51 Prozent) plant, genauso viel zu investiere­n wie im Jahr zuvor, knapp jeder Fünfte (18 Prozent) sogar weniger. 28 Prozent geben an, mehr Geld für die Digitalisi­erung ausgeben zu wollen.

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