Digitaler Aufholbedarf im Handel
Der deutsche Handel nutzt die Chancen der Digitalisierung nicht konsequent genug. Vor allem das Zusammenspiel von stationärem und OnlineHandel haben die wenigsten Unternehmen im Griff. So verspielen sie große Geschäftschancen, vielleicht sogar ihre Zukunft.
Drei Viertel der deutschen Groß- und Einzelhändler sehen sich als Nachzügler in Sachen Digitalisierung, so eine Umfrage des ITK-Verbands Bitkom. Mit Cloud Computing und modernen Analytics-Tools hat demnach nur eine Minderheit zu tun.
Der Bitkom hat in einer repräsentativen Umfrage 530 Händler – davon 343 sowohl im stationären als auch im Online-Handel aktiv – befragt. Das Ergebnis ist ernüchternd. 77 Prozent der Groß- und Einzelhändler bezeichnen sich demnach als „Nachzügler“in der digitalen Transformation, elf Prozent haben noch nicht einmal eine eigene Homepage. Von den 187 Unternehmen, die nur im Offline-Handel unterwegs sind, hat ein Drittel immer noch keinen Internet-Auftritt.
Gut zwei Drittel der Händler, die sowohl online als auch im Laden verkaufen, bieten über beide Kanäle exakt das Gleiche an. Nur sechs Prozent haben im Netz ein größeres Angebot präsent. Jeder zehnte Händler bietet seine Waren im Internet günstiger an als im Laden. Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Bitkom, warnt: „Dass auch vermeintlich erfolgreiche und etablierte Unternehmen ohne echte Digitalstrategie schnell ins Schlingern geraten können, dafür gibt es in Deutschland immer wieder Beispiele wie etwa Wöhrl und Quelle.“
Wer neben einem stationären Geschäft auch einen Online-Shop betreibt, macht mehr Umsatz. Die Hälfte der Befragten erzielen bis zu 30 Prozent ihrer Einnahmen im Web, weitere 27 Prozent sagen, sie kämen im Netz bereits auf 30 bis 50 Prozent ihrer Erlöse. Mehr als die Hälfte der Umsätze macht immerhin schon jeder zehnte Händler (elf Prozent) online.
Cloud und Big Data – in Ansätzen
Geht es um die Unterstützung der Geschäftstätigkeit mit Software, ergibt sich ein gemischtes Bild. Rechnungen werden heute überwiegend elektronisch verschickt (66 Prozent), und jeweils 49 Prozent haben ein Warenwirtschaftssystem in Echtzeit im Einsatz und können Sendungen digital verfolgen. Überraschend gering ist das Interesse an Cloud-Lösungen, die nur von gut einem Drittel genutzt werden, und an Big Data/Analytics (22 Prozent). Potenziell disruptive Technologien wie Virtual Reality, Drohnen, Roboter oder künstliche Intelligenz sind bei 90 Prozent der Händler und mehr noch nicht angekommen.
Auch mit Investitionen halten sich die Händler noch zurück. Drei Viertel (76 Prozent) aller Befragten gaben 2016 weniger als zehn Prozent ihres Jahresumsatzes für die Digitalisierung aus. Nur drei Prozent der Händler investierten mehr. Sieben Prozent gaben an, gar kein Geld für digitale Projekte lockergemacht zu haben. Auch bei ihren Planungen für 2017 wollen die Händler keine großen Sprünge machen: Rund die Hälfte (51 Prozent) plant, genauso viel zu investieren wie im Jahr zuvor, knapp jeder Fünfte (18 Prozent) sogar weniger. 28 Prozent geben an, mehr Geld für die Digitalisierung ausgeben zu wollen.