Google Glass is back
Nach dem furiosen Fehlstart seiner Datenbrille im Consumer-Umfeld setzt Alphabet/Google nun zu einem zweiten Anlauf an. Als Enterprise Edition (EE) ist Google Glass jetzt über Partner erhältlich.
Ein schwacher Akku, Überhitzung und Datenschutzbedenken machten die Datenbrille zunächst zum Flopp. In der Neupositionierung für Unternehmen hat sie aber Chancen.
Mehr als fünf Jahre ist es her, als Google seine Computerbrille mit Kamera, Internet-Anschluss und einem kleinen Bildschirm vor dem rechten Auge vorstellte. Zu diesem Zeitpunkt schienen jedoch weder die Technik noch die Nutzer der Datenbrille – zunächst offiziell als „Explorer“, später dann von Gegnern immer häufiger als „Glassholes“bezeichnet – reif dafür. Google Glass geriet in die Kritik, weil frühe Nutzer heimlich Videos aufzeichneten und so den Zorn der Datenschützer auf sich zogen. Technisch litt die erste Version an einer zu kurzen Akkulaufzeit und chronischer Überhitzung. Als Konsequenz verzichtete Google 2015 nach dem Auslaufen des Explorer-Programms auf einen breiten Marktstart und versprach, die Datenbrille später in einer überarbeiteten Version zurückzubringen.
Technik und Design sind überarbeitet
Jetzt ist Google Glass tatsächlich wieder da, und zwar in einer überarbeiteten Form als Enterprise Edition. Wie Projektleiter Jay Kothari berichtet, wurden die Smart Glasses zwei Jahre lang in einem speziellen Programm bei über 50 Unternehmen getestet, darunter AGCO, Boeing, DHL und Volkswagen. Das positive Feedback habe dazu geführt, dass Glass jetzt über ein Partnernetz für einen größeren Kreis von Unternehmen erhältlich sei, sagte Kothari.
Mit seinem Team habe er die Zeit genutzt, um Erfahrungen im Business-Umfeld zu sammeln und die Datenbrille sowohl technisch als auch im Design zu überarbeiten. Wie „Wired“berichtet, bestehen die Unterschiede zum erfolglosen Vorgänger vor allem in einer besseren Kamera (8 statt 5 Megapixel Auflösung), einer längeren Akkulaufzeit, einem schnelleren Prozessor so- wie einem verbesserten WLAN-Chip. Außerdem weist nun ein rotes Signal darauf hin, wenn eine Videoaufnahme läuft. Überdies kann der Aufsatz per Knopfdruck vom Brillenrahmen getrennt werden, etwa um ihn mit einer besonderen Sicherheitsbrille zu verbinden, die von 3M gefertigt wurde.
Wie Kothari ausführt, hat GE Aviation als eines der ersten Unternehmen bereits seit 2014 Erfahrungen mit der Nutzung der Datenbrille beim Zusammenbau und der Wartung von Flugzeugmotoren gesammelt. Die Company berichtet, dass der Einsatz in Verbindung mit einer vom Partner Upskill entwickelten Software die Fehlerquote drastisch reduziert und zudem die Effizienz der Mechaniker um acht bis zwölf Prozent gesteigert habe. Auch bei AGCO, einem großen Hersteller landwirtschaftlicher Nutzmaschinen (Fendt), setzen die Arbeiter die neue Glass-Brille ein. Sie haben damit einen schnelleren Zugriff auf Checklisten und Bedienungsanleitungen. Außerdem können sie während der Montage Bilder von Maschinen aufnehmen und verschieben. Dadurch sei die Produktionszeit im Mittel um 25 Prozent und die Wartungszeit um 30 Prozent gesunken.
Beim Logistik-Dienstleister DHL wiederum kommt eine Order-Picking-Lösung des Bremer Wearable-Spezialisten Ubimax zusammen mit Glass zum Einsatz. Auf diese Weise erhalten die Mitarbeiter beim Zusammenstellen von Lieferungen in der Brille Echtzeitinformationen darüber angezeigt, wo Gegenstände in den Wägen platziert werden müssen. Damit müssen die Kommissionierer keine Papierlisten mehr in den Händen halten. Sie können nicht nur effizienter und komfortabler arbeiten, DHL schätzt auch, dass die Effizienz in der Lieferkette um rund 15 Prozent gestiegen ist.