Leonardo live – SAP schnürt IoT-Pakete aus Beratung und Cloud-Lösungen
Auf seiner Kundenmesse Leonardo Live versuchte SAP, Antworten auf zentrale Fragen der digitalen Transformation zu geben und einen Claim im Internet of Things (IoT) gegenüber Wettbewerbern abzustecken.
Obwohl fast jeder CEO zustimmt, dass die digitale Transformation für das Überleben seines Unternehmens essenziell ist, haben bislang nur wenige ein entsprechendes Projekt zu Ende gebracht, so die Kernergebnisse einer Umfrage, die SAP zusammen mit Oxford Economics betrieben hat. Der Grund, so die Studie: Die meisten Unternehmen haben derzeit zu viele andere Baustellen, wo sie nachbessern müssen.
Im Rahmen seiner Kundenmesse SAP Leonardo Live in Frankfurt am Main wollte das Softwarehaus den rund 1600 Besuchern aufzeigen, welche Möglichkeiten neue innovative Technologien bieten, welche Auswirkungen sie auf das Geschäft haben, sowie – wenig überraschend – welchen Beitrag SAP mit Hilfe von Produkten und Services dazu leisten kann.
Der badische Softwareriese hatte im vergangenen Jahr angekündigt, bis 2020 zwei Milliarden Euro in IoT-Lösungen investieren zu wol- len. Als Resultat wurde im Januar 2017 mit „SAP Leonardo“ein Bundle aus IoT-Lösungen und -Beratungsleistungen vorgestellt. Auf der Sapphire im Mai gaben die Walldorfer dann bekannt, Leonardo ausbauen zu wollen und Lösungen für maschinelles Lernen, IoT, Big Data, Analytics, Data Intelligence und Blockchain auf der SAP Cloud Platform mit SAPs Prozessund Branchenwissen und Design-ThinkingMethoden zusammenzufassen.
SAP schnürt neue IoT-Beratungspakete
In Frankfurt stellten die SAP-Verantwortlichen mit den „SAP Leonardo Innovation Services“drei neue Bündel von Beratungsleistungen vor, mit deren Hilfe Kunden schneller von den Innovationen aus dem Leonardo-Portfolio profitieren sollen. Jeder der neuen Services erlaube es den Anwendern, zu untersuchen, welche innovativen Technologien, Geschäftsmodelle und Prozesse für ihre Digitalisierung infrage kommen, bevor sie sich für die am besten geeignete SAP-Lösung entscheiden.
Je nach ihren Anforderungen stehen Kunden dabei die folgenden Ausführungen zur Auswahl: Die „Express Edition“ermöglicht es SAP zufolge, vordefinierte Szenarien, beispielsweise IoT für den Handel oder maschinelles Lernen für die Konsumgüterbranche, binnen acht Wochen einzuführen und auf die speziellen Anforderungen des Unternehmens zuzuschneiden, so dass der Kunde schnell von der Lösung profitieren kann. Beispiele dafür sind AssetTracking in Echtzeit oder der 3D-Druck von Ersatzteilen in der Fertigung.
Mit der „Open Innovation Edition“der Leonardo Innovation Services wiederum will SAP Kunden dabei unterstützen, neue Lösungen für
ihre spezifischen Anforderungen zu entwickeln – und zwar vom Konzept zum Prototyp innerhalb von neun Wochen. Unternehmen erhielten dabei Zugriff auf die SAP Cloud Platform und Unterstützung im digitalen Designbereich.
Die „Enterprise Edition“soll Unternehmen helfen, mehrere maßgeschneiderte Lösungen gleichzeitig zu entwickeln. Neben der SAP Cloud Platform und dem digitalen Designbereich bietet die Enterprise Edition Schulungen und Zugang zum „Leonardo Innovation Services Showroom“, wo Kunden Anregungen für innovative Einsatzszenarien erhalten und sich inspirieren lassen können. Die Enterprise Edition richtet sich ausschließlich an Kunden mit dem Support-Angebot SAP Premium Engagement (SAP MaxAttention, SAP ActiveEmbedded und SAP Value Assurance).
Bei der ab September verfügbaren „Leonardo IoT Bridge“handelt es sich um eine Kommandozentrale, in der sich IoT-Sensordaten mit Geschäftsprozessen zusammenführen und in Beziehung setzen lassen – und zwar für strukturierte und unstrukturierte Daten. Auf diese Weise erhalten etwa Betriebsleiter über ein zentrales Dashboard Informationsgrundlagen für fundierte Entscheidungen und sofortiges Handeln. Die Leonardo IoT Bridge ist je nach Rolle und Aufgabengebiet konfigurierbar, der Input kann von verschiedenen IoT-Produkten, aber auch Backend-Systemen kommen. So lassen sich in einem ersten Schritt etwa Daten aus dem – ebenfalls neu zum SAP-LeonardoPortfolio hinzugekommenen – Cloud-Angebot „SAP Global Track and Trace“mit „SAP Connected Goods“, Angaben über Transportstandorte aus „SAP Vehicle Insights“und Bestelldaten aus S/4HANA kombinieren. Außerdem präsentierte SAP mit „Digital Manufacturing Insights“eine zentralisierte, Cloudgestützte, datengesteuerte Lösung für das Management der Produktionsleistung, die unter Zuhilfenahme von KPIs Produktionssteigerungen ermöglichen soll. Damit will SAP außerdem dafür sorgen, dass ein Großteil der gesammelten Daten bereits an der Peripherie verarbeitet und analysiert wird, statt sie zunächst zu einer zentralen IoT-Plattform zu schicken.
Lizenzierungsfragen bleiben offen
Die neuen Leonardo-Produkte und -Services mussten sich allerdings auch Kritik gefallen lassen. Insbesondere der Plan der Walldorfer, mit „Leonardo IoT Edge“in den Peripheriebereich vorzustoßen und somit Neuland zu betreten, wurde von Branchenkennern angezweifelt. Es sei keine Frage, dass der Kontext zwischen Sensordaten und der transaktionalen Welt in der klassischen SAP-Anwendung einen immensen Wert für viele Kunden darstelle, führte Stefan Ried von Crisp Research im FirmenBlog aus, „aber ist SAP die richtige Wahl, um die IoT-Welt mit der bisherigen SAP-Domäne zu verbinden?“Ried glaubt auch, dass SAP die Gelegenheit verpasst habe, Klarheit über die Lizenzsituation im IoT- und Industrie-4.0-Umfeld zu schaffen. Die indirekte Nutzung von SAP-Systemen, die im Zuge von IoT drastisch zunehmen dürfte, sorge derzeit für Unruhe und Ärger in Reihen der SAP-Klientel.
Crisps Empfehlung: Solange verlässliche und öffentliche Aussagen zur Verfügbarkeit und insbesondere Pricing und Lizenzbedingungen fehlen, sollten Digital- oder Innovationsverantwortliche nicht auf die Verfügbarkeit von SAPs IoT-Produkten warten.