Oracles Cloud-Deal der Superlative
Mark Hurd, CEO von Oracle, und John Donovan, in der gleichen Rolle beim Großkunden AT&T Communications, erklären den größten CloudDeal, den Oracle bislang abschließen konnte. Zigtausende Datenbanken von AT&T Communications werden dabei in die Datenwolke verlagert.
In einem Interview beantworten Mark Hurd, CEO von Oracle, und John Donovan, in der gleichen Rolle beim Großkunden AT&T Communications, Fragen zum größten Cloud-Deal, den Oracle bislang abschließen konnte. Zigtausende Datenbanken von AT&T werden dabei in die Cloud verlagert.
CW: Für Ihr Abkommen haben Sie den Begriff „Collaboration“bemüht. Inwiefern handelt es sich hier um eine echte Zusammenarbeit?
Donovan: Oracle adressiert unsere besonderen Bedürfnisse: Wie lässt sich eine riesige Datenbank zerlegen und regional so aufteilen, dass wir viel schneller als bisher die Anwendungen anpassen können, die diese Daten nutzen? Das verändert bei uns die Art, wie wir arbeiten, fundamental. Wir müssen unsere Energie und Zeit nicht mehr mit der Frage verschwenden, wie wir jede einzelne dieser 40.000 Datenbanken in die neue Architektur überführen können. Wir haben ein wirtschaftliches und technisches Konstrukt geschaffen, das es meinem Team erlaubt, sich allein auf die Frage zu konzentrieren, wie wir Aufgaben erledigen wollen, und nicht immer aufs Neue die Grundsatzfragen zu stellen, mit welcher Technologie und welchem Anbieter wir arbeiten.
Dabei haben wir uns an einem Punkt getroffen, an dem auch Oracle vor Veränderungen stand. Sie mussten eine Roadmap erstellen, um ein extrem großes Unternehmen mit stationären Datenbanken in die Cloud überführen zu können. So definiert sich diese Collaboration.
CW: Musste Oracle seine zugrunde liegende IaaS- oder PaaS-Infrastruktur ändern, um den Deal stemmen zu können?
Hurd: Wir haben ja unsere gesamten Technologien, einschließlich der Datenbanken, für die Cloud ohnehin umgeschrieben. Um Johns Punkt zu ergänzen: Auch wir haben im Zuge dieser Zusammenarbeit etwas ganz Neues gemacht: Wir haben Dinge, die wir sonst in der Public Cloud anbieten, auf AT&T übertragen, etwa im Bereich der Patching- und ManagingProzesse. Darüber hinaus haben wir ein gemeinsames Team zusammengestellt, das viele dieser Legacy-Datenbanken in eine moderne Datenbankarchitektur überführt. Was wir für AT&T tun, betrifft also sowohl Forschung und Produktentwicklung als auch etliche Besonderheiten nur für den Kunden.
CW: Werden die Datenbanken in die Public Cloud oder in das Cloud-at-Customer-Angebot überführt?
Donovan: Bestimmte Daten müssen bei uns bleiben, andere können in die Public Cloud ausgelagert und als externer Service in Anspruch genommen werden. Mit den neuen Datenbanken haben wir uns natürlich auch mit unseren Applikationen auseinandergesetzt – und in dem Zusammenhang mit neuen Optionen, die sich durch Künstliche Intelligenz und Machine Learning ergeben. Wir sind zufrieden mit der Situation, dass wir On-Premise- und Public-Cloud-Daten trennen können. Die Daten sind zu jeder Zeit sicher: egal, ob sie gerade genutzt werden oder nicht, ob sie in unserem Data Center liegen oder in der Oracle-Cloud.
Hurd: Das ist eine gute Beschreibung der Vorteile von Cloud at Customer: Sie haben praktisch die gleiche Version unserer Public Cloud als Customer Cloud, so dass wir die Daten auf Wunsch hin- und herbewegen können. So können wir dem Kunden alle Cloud-Vorteile zur Verfügung stellen und die Daten problemlos verwalten. Ein weiterer Punkt, den John bereits angesprochen hat, ist die Tatsache, dass wir nun die richtige Plattform für alle modernen Anwendungen geschaffen haben, so dass auf Basis dieser Infrastruktur fortschrittliche Technologien wie KI und Analytics einfach genutzt werden können.
CW: Das Projekt ist vor allem wegen seiner Dimension außergewöhnlich.
Donovan: Ja, es war eine große Erleichterung für uns, dass wir unsere Datenbanken mit mehr als acht Terabyte einfach nehmen und sinnvoll verteilen konnten. Dabei mussten wir uns keine Gedanken über Strukturen, Roadmaps oder Verwaltungsprozesse machen. Für mich persönlich war das gegenseitige Vertrauen enorm wichtig in dieser Zusammenarbeit. Hurd: John nannte mir eine Statistik, nach der diese Datenbanken einen Großteil der Firmendaten beherbergen. Sie zu modernisieren ist ein gewaltiges Vorhaben. Für uns ist das Projekt, unabhängig von der Größe, auch deshalb strategisch, weil es Aufgaben betrifft, die die meisten unserer Kunden vor Augen haben. Wir können einen außergewöhnlichen Referenzfall schaffen und dabei noch in unseren gemeinsamen Teams eine Menge Skills aufbauen.
CW: Technologie ist nur die eine Seite des Change-Prozesses, die veränderten betrieblichen Prozesse sind die andere. Wie bewältigen Sie diesen Wandel?
Donovan: Wir reden hier von zehntausenden Angestellten, bei denen wir neue Skills aufbauen müssen. Der Druck ist groß, wir mussten einfach anfangen und einen Plan für den kulturellen Wandel entwickeln. Rund 60.000 unserer Mitarbeiter haben bereits erfolgreich Kompetenz aufgebaut. Sie haben mehr als zwei Millionen Stunden an Trainingskursen absolviert und etliche Kurse abgeschlossen. Jetzt bewegen sie sich zu Tausenden von Skill A nach Skill B. Skill B bedeutet, einen zukunftssicheren Job zu haben, den es für eine ganze Weile geben wird. Unsere Mitarbeiter haben verstanden, dass die Bereitschaft zum Change ihrer Karriere guttun wird. Mit der Zunahme an Kompetenz steigt ihr Enthusiasmus.
CW: Was sagen andere Oracle-Kunden über die Herausforderungen, die mit so einem Umbau einhergehen?
Hurd: Viele Kunden haben verschiedene Oracle-Datenbanken in unterschiedlichen Versionen im Einsatz. Die genutzten Features unterscheiden sich, ebenso die Größenordnungen der Implementierungen. Für etwas theoretisch Einfaches wie die Standardisierung von Security-Vorrichtungen brauchen unsere On-Premise-Kunden manchmal bis zu 14 Monate, bis sie die Patches eingespielt haben. Sie werden sagen: Das klingt verrückt, warum hinken die so weit hinterher? Ich sage Ihnen warum: Es ist wirklich nicht einfach! Verschiedene Datenbankversionen laufen auf verschiedenen
Betriebssystemen und Hardwareumgebungen. Alle müssen der Reihe nach gepatcht werden. Dieses Problem verschwindet in einem Projekt, wie wir es mit AT&T umsetzen.
CW: Wie misst AT&T den Erfolg bei der Transformation? Auf welche Metriken verlassen Sie sich dabei?
Donovan: Es geht um alle Faktoren: Zeit, Kosten und Qualität. Wir erfassen viele Aspekte, beispielsweise wie schnell sich der Anteil jener Codebasis vergrößert, den wir monatlich oder zweiwöchentlich bearbeiten können und nicht mehr nur im Rahmen eines großen, langfristig angelegten Release-Plans. Wir wollen uns dem Ziel nähern, Dinge in Echtzeit anpassen zu können. Dabei bewegen wir uns von dreimal jährlich zu monatlich, zu zweiwöchentlich und schließlich zu wöchentlich. Je mehr Zeit benötigt wird, desto mehr Meetings fallen an und desto mehr Kosten entstehen. Zeit ist ein wichtiger wirtschaftlicher Aspekt. Bekommt man ihn in den Griff, sinken die Kosten, und man muss sich nur noch um einen hohen Qualitätsstandard kümmern.
CW: Können Sie ausführen, wie AT&T und Oracle diese Veränderungen orchestrieren?
Donovan: Ganz einfach: Man beginnt mit Datenbank eins und endet mit Datenbank 40.000. Da gibt es keine echte Abkürzung. Man braucht einen gemeinsamen Arbeitsplan, der über ein paar Jahre Bestand hat. Wenn wir gut sind, haben wir möglichst bald die meisten der aufkommenden Problemfälle gelöst und werden nach hinten raus schneller. Wenn wir in einer Sache nicht mehr weiterwissen, helfen wir uns gegenseitig. Die Mitarbeiter von Oracle versorgen das Team mit Tools und Prozessen, so dass die Datenbanken nach und nach schneller und kostengünstiger übertragen werden können. Hurd: In unserem gemeinsamen Team trägt niemand mehr ein Schildchen, auf dem AT&T oder Oracle steht. Wir folgen der gemeinsamen Mission, die Infrastruktur zu integrieren und zu modernisieren. Mit jedem Datensatz werden wir besser. Wir werden uns damit ein unglaubliches Fachwissen aufbauen. Ich weiß nicht, wie viel Prozent der Daten in diesem Land im Besitz von großen Unternehmen sind, aber mit Sicherheit liegt ein hoher Anteil in einer Oracle-Datenbank. Die hier gewonnenen Erkenntnisse werden nicht nur AT&T und Oracle, sondern allen Kunden zugutekommen.
CW: Wie wird sich das Projekt auf die Endkunden von AT&T auswirken?
Donovan: Nehmen Sie unseren Versand. Wir haben 70.000 Lkw, die wir jeden Tag abfertigen müssen, eine der größten Flotten in Amerika. Wir brauchen derzeit Tausende von Mitarbeiter in der Verwaltung, um unsere Kunden beliefern zu können. Wenn wir schneller sind, können wir abends die Versandstrategie anpassen und sie bereits am nächsten Morgen umsetzen. Wir müssen nicht mehr nur darüber nachdenken, was wir gestern getan haben, um besser zu werden, wir können auch Predictive-Daten und Informationen von Drittanbietern einbringen. Präzision und Effizienz nehmen zu.
Es geht ja eigentlich gar nicht nur darum, dass die Datenbanken ausgelagert werden. Es geht darum, dass wir unsere Datenbanken und Applikationen in Verbindung mit Machine Learning und Artificial Intelligence besser nutzen.
CW: Wollen Sie in erster Linie ein datengetriebenes, schlaueres Unternehmen sein, oder steht die Effizienz im Vordergrund Ihres Projekts?
Donovan: Da gibt es drei Dinge. Wir wollen unsere Daten befreien, um sie für mehr Menschen nutzbar zu machen. Außerdem glauben wir, dass wir in der Lage sein werden, Innovationen viel schneller umzusetzen. Und schließlich wollen wir unsere Daten als ein werthaltiges Produkt nutzen – uns also von einem Daten generierenden zu einem datengetriebenen Unternehmen entwickeln. Das ist ein großer Unterschied.