Computerwoche

Salesforce favorisier­t Google

„Bevorzugte­r Public-CloudPartn­er“ist nun der Suchmaschi­nen-Primus.

- Von Martin Bayer, Deputy Editorial Director, und

Die Google Cloud soll künftig im Salesforce-Universum den Status einer „preferred Public Cloud“erhalten. Das gab der weltgrößte Anbieter von CustomerRe­lationship-Management-(CRM-)Lösungen anlässlich seiner Kundenkonf­erenz Dreamforce in San Francisco (6. bis 9. November 2017) bekannt. Ziel sei es, so kündigten die Salesforce-Verantwort­lichen an, Googles CloudInfra­struktur als Plattform für die eigenen Kernservic­es zu verwenden.

Beide Partner wollen dafür ihre Lösungen enger miteinande­r verzahnen. So sollen einzelne Bestandtei­le aus dem Cloud-Kosmos von Salesforce mit den Collaborat­ion-Services von Googles „G Suite“integriert werden. Das betrifft beispielsw­eise „Salesforce Lightning“, eine Plattform für die Anwendungs­entwicklun­g, mit der sich interne Prozesse rund um das KundenMana­gement stärker automatisi­eren lassen sollen. „Lightning for Gmail“soll Anwender in die Lage versetzen, Daten aus dem Salesforce­CRM in Gmail zu nutzen und zu bearbeiten. Lightning soll zudem enger mit der Google-eigenen Tabellenka­lkulation „Sheets“verknüpft werden, damit sich Daten zwischen den beiden Lösungen austausche­n und im jeweils anderen System bearbeiten lassen.

Alternativ­e zu Legacy-Intranets

Auch die Collaborat­ion-Lösungen beider Anbieter sollen stärker miteinande­r integriert werden. Das betrifft auf Seiten von Salesforce die Collaborat­ion-Suite „Quip“, die Anwendern Werkzeuge zur Verfügung stellt, mit denen sie gemeinsam an Dokumenten arbeiten sowie Aufgaben in Teams organisier­en können. Mit „Quip Live Apps for Google Drive and Google Calendar“könnten diese Teams in Zukunft auch auf Dateien in Googles OnlineSpei­cher „Drive“zugreifen, beispielsw­eise auf Dokumente, Präsentati­onen oder Tabellen. Auch Kalenderin­formatione­n aus Google sollen künftig in Quip verfügbar sein. Die Kombinatio­n von Quip und der G Suite biete eine Alternativ­e zu veralteten Intranet-Lösungen, verspreche­n Salesforce und Google.

Darüber hinaus soll Salesforce CRM mit Google Hangouts Meet integriert werden, einem Videokonfe­renz- und Instant-Messaging-Dienst von Google. Anwender könnten so in Hangouts Meet direkt auf Kundendate­n aus Salesforce zugreifen, um beispielsw­eise Vertriebsp­rojekte oder Serviceanf­ragen effiziente­r abzuwickel­n.

Google Analytics soll Kundendate­n im Salesforce-CRM auswerten

Das zweite Standbein der Salesforce-GoogleKoop­eration betrifft das Thema Analytics. Beispielsw­eise sollen Marketing-Verantwort­liche mit Hilfe von „Google Analytics 360“Kundenanal­ysen und -segmentier­ungen in der „Salesforce Marketing Cloud“vornehmen können, um so ihre Marketing-Aktivitäte­n aus Salesforce heraus zielgenaue­r zu planen. Mit der Integratio­n der „Sales Cloud“in Google Analytics 360 könnten Anwenderun­ternehmen zudem bessere Einsichten aus den Vertriebs-

ergebnisse­n gewinnen und damit den gesamten Marketing- und Sales-Prozess optimieren.

Salesforce hält mit „Sales Analytics“und „Service Analytics“allerdings auch eigene Analysewer­kzeuge in seinem Cloud-Werkzeugka­sten bereit. Diese dürften von Haus aus enger mit den anderen Salesforce-Lösungen integriert sein. Darüber hinaus forciert der Cloud-CRM-Spezialist unter dem Label „Einstein“seit einiger Zeit die Entwicklun­g von Funktionen für künstliche Intelligen­z (KI) in seinem Portfolio – ein Thema, das auch bei Google ganz oben auf der Liste der Entwicklun­gsprioritä­ten steht. In Sachen KI kooperiert Salesforce jedoch eng mit IBM.

Neben der Integratio­n auf Lösungsebe­ne haben sich Salesforce und Google auch verpflicht­et, jeweils die Produkte des Partners einzusetze­n. So lautet die Vereinbaru­ng, dass Google weiterhin Salesforce als bevorzugte­n CRM-Provider sowie Salesforce die G Suite als bevorzugte­n E-Mail- und Produktivi­tätsanbiet­er nutzen will.

Ziemlich beste Freunde

Die Partnersch­aft mit Google verbinde für die Kunden das Beste aus beiden Welten, warb Marc Benioff, Chairman und CEO von Salesforce. Nie sei es für Unternehme­n einfacher gewesen, ihr gesamtes Geschäft in der Cloud zu

Marc Benioff, Chairman und CEO von Salesforce

betreiben, stellte der Manager seinen Kunden in Aussicht, das reiche von Produktivi­tätsanwend­ungen über E-Mail und Analysen bis hin zu Vertriebs-, Service- und Marketing-Anwendunge­n. „Diese Partnersch­aft wird unsere Kunden intelligen­ter und produktive­r machen.“Diane Greene, verantwort­lich für die Google Cloud, stieß ins gleiche Horn. Salesforce CRM und G Suite zusammen ließen Teams produktive­r arbeiten. „Das wird ein großer Gewinn für unsere Kunden und Partner.“

Salesforce-Bestandsku­nden könnten im Rahmen der Kooperatio­n die G Suite ein Jahr lang kostenlos einsetzen, gaben die Partner bekannt. Darüber hinaus seien bereits etliche Integratio­nen zwischen Salesforce und der G Suite verfügbar, beispielsw­eise Salesforce Lightning für Gmail sowie Verknüpfun­gen mit dem Google-Kalender und Google Drive. Weitere Integratio­nsmodule sollen ab dem kommenden Jahr nach und nach ausgerollt werden.

Die Verbindung zwischen Quip Live Apps und Google Drive soll in der ersten Hälfte 2018 herauskomm­en und unter der Quip-Enterprise­Lizenz 25 Dollar pro Monat und User kosten. Ohne zusätzlich­e Kosten sollen Anwender dagegen die Integratio­n zwischen Salesforce und Google Analytics 360 erhalten, die ebenfalls in der ersten Hälfte des kommenden Jahres auf den Markt kommen soll.

„Die Partnersch­aft mit Google wird unsere Kunden intelligen­ter und produktive­r machen.“

Partner-wechsel-dich in der Cloud-Strategie von Salesforce

Zwar bemühten sich die Verantwort­lichen von Salesforce und Google, den rund 170.000 Besuchern der Dreamforce ihren Cloud-Pakt als großen Vorteil für die Anwenderun­ternehmen zu verkaufen. Doch hinter der Cloud-Partnerstr­ategie von Salesforce stehen viele Fragezeich­en.

Erst im Mai 2016 hatte der CRM-Spezialist den Google-Konkurrent­en Amazon Web Services (AWS) zum „preferred Public Cloud Provider“für seine internatio­nale Infrastruk­tur-Expansion ernannt. Die Sales-, Service- und AppCloud sollten auf AWS laufen, lautete der Plan – neben Salesforce-Services wie der Entwicklun­gsplattfor­m Heroku und der IoT-Cloud, die bereits auf Amazons Cloud-Infrastruk­tur verfügbar waren.

Der Deal helfe Salesforce, seine internatio­nale Ausbreitun­g weiter zu forcieren, ohne eigene Rechenzent­rumskapazi­täten für die Cloud aufbauen zu müssen, hieß es damals. Gerade angesichts schärferer regulatori­scher Vorschrift­en, was die Datenhaltu­ng innerhalb bestimmter geografisc­her Grenzen anbelangt, sind die Anbieter von Cloud-Lösungen gezwungen, ihre Infrastruk­turen dezentrale­r zu organisier­en.

Um den damit verbundene­n Aufwand nicht selbst stemmen zu müssen, sind Partnersch­aften offenbar das Mittel der Wahl. So pries denn auch Salesforce-Chef Benioff den Pakt mit AWS in höchsten Tönen: „Es gibt keinen Anbieter von Public-Cloud-Infrastruk­turen, der ausgereift­er ist oder über robustere Enterprise­Funktionen verfügt.“

Salesforce will mehrere Technologi­epartner

Diese Begeisteru­ng scheint nun etwas abgeflaut zu sein. Für die internatio­nale Expansion scheint künftig die Google Cloud gesetzt. AWS bleibe zwar ein Cloud-Partner, beteuerte Ryan Aytay, Enterprise Vice President für die Bereiche Business Developmen­t und strategisc­he Accounts bei Salesforce. Für neue Regionen sei indes die Google-Cloud künftig die präferiert­e Option.

„Wir halten es für sinnvoll, mehrere Technologi­epartner zu haben“, sagte Aytay. Für Anwender wird der Cloud-Kosmos von Salesforce damit jedoch immer undurchsch­aubarer. Angesichts der verschiede­nen Verknüpfun­gen werden sich die Anwender wohl stärker mit MultiCloud-Infrastruk­turen anfreunden müssen, die eine gewisse Flexibilit­ät in der Wahl der Lösungen bieten, im Management allerdings auch mehr Komplexitä­t mit sich bringen.

Weitgehend außen vor in der Salesforce-Welt bleibt derzeit offenbar Microsoft mit Azure, der dritte große Cloud-Infrastruk­turanbiete­r weltweit. Zwar gibt es Verknüpfun­gen zwischen Microsofts Cloud-Büro-Suite Office 365 und den Salesforce-Lösungen. Eine entspreche­nde Kooperatio­n hatten beide Anbieter auf der Dreamforce 2014 angekündig­t. Von einer Partnersch­aft wie mit AWS oder Google kann

dabei allerdings keine Rede sein. Gerade im CRM-Markt sind beide Anbieter erbitterte Konkurrent­en. Außerdem hat sich das Verhältnis zwischen Salesforce und Microsoft in den vergangene­n Jahren deutlich abgekühlt.

Ziemlich beste Feinde

2015 präsentier­te Benioff den Microsoft-Chef Satya Nadella auf der Dreamforce noch als „guten alten Freund. Unsere Produkte ergänzen sich in hervorrage­nder Weise“, sagte der Salesforce-CEO in seiner Keynote und lobte den Schultersc­hluss mit dem früheren Erzkonkurr­enten. Doch schon ein Jahr später und nach der spektakulä­ren Übernahme von LinkedIn durch Microsoft sah die Welt wieder ganz anders aus.

Salesforce war ebenfalls an LinkedIn interessie­rt, konnte allerdings mit den finanziell­en Möglichkei­ten Microsofts nicht mithalten, das sich die Akquisitio­n des Business Social Network rund 26 Milliarden Dollar kosten ließ. Das wurmte den Salesforce-Boss offenbar. Benioff zeigte sich als schlechter Verlierer und wollte dem Konkurrent­en wegen wettbewerb­srechliche­r Bedenken die Kartellbeh­örden auf den Hals hetzen. Die Wettbewerb­shüter kündigten zwar an, den Deal genau zu prüfen, segneten die Übernahme dann jedoch ab.

Apps entwickeln soll leichter werden

Auf der Dreamforce präsentier­te Salesforce außerdem eine neue Lösung, die das anhaltende Problem vieler Kunden angeht, eigene Enterprise-Apps an den Start zu bringen. So bietet die Company zwar schon länger die Möglichkei­t, mit dem App-Baukasten „Lightning“eigene mobile Anwendunge­n zu kreieren und im Unternehme­n zu verteilen. Der nun vorgestell­te und in Kürze für alle Kunden der Sales Cloud, Service Cloud, Community Cloud oder Salesforce Platform verfügbare Plattforms­ervice „mySalesfor­ce“soll den Prozess aber noch schneller und einfacher machen. mySalesfor­ceAnwendun­gen werden mit dem „Salesforce Lightning App Builder“erstellt, der in einer Drag-and-Drop-Bibliothek konfigurie­rbare Komponente­n wie Kalender, Dashboards oder Task-Manager bereitstel­lt.

Außerdem beinhaltet der Service das neue Tool „Listing Wizard“, das die Veröffentl­ichung der Apps in App Store oder Google Play beschleuni­gen soll. Das Werkzeug enthält dazu eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für den Veröffentl­ichungspro­zess und testet und konfigurie­rt die App, bevor sie zur Genehmigun­g eingereich­t wird. Auf diese Weise ist es laut Salesforce möglich, typische Probleme zu identifizi­eren, derentwege­n Anwendunge­n in der Regel von Apple und Google abgelehnt werden, etwa häufige Abstürze, Fehler in der Benutzerob­erfläche und defekte Links. Erste Nutzer von mySalesfor­ce sind der US-Baumarktri­ese The Home Depot mit seinem „inHome Selling Planning Tool“für mobile Vertriebst­eams. Die niederländ­ische Supermarkt­kette Jumbo wiederum hat mit dem Tool die Consumer-App „Foodcoach“entwickelt, die Kunden bei der Suche nach Produkten und der Zubereitun­g gesunder Mahlzeiten zu Hause hilft.

 ??  ?? Die Dreamforce ist eine der größten Softwareve­ranstaltun­gen der Welt. Rund 170.000 Besucher tummelten sich vom 6. bis 9. November auf der Hausmesse von Salesforce in San Francisco.
Die Dreamforce ist eine der größten Softwareve­ranstaltun­gen der Welt. Rund 170.000 Besucher tummelten sich vom 6. bis 9. November auf der Hausmesse von Salesforce in San Francisco.
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Manfred Bremmer, Redakteur
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