Was 2018 auf IT-Chefs zukommt
Der digitale Wandel gerät für IT-Manager zu einer nicht enden wollenden Bewährungsprobe.
Um die Digitalisierung ihrer Unternehmen voranzutreiben, werden sich die CIOs 2018 – neben dem operativen Basisbetrieb der IT und der digitalen Arbeitsplätze – um drei strategische Schwerpunktthemen kümmern:
1. IoT und Machine Learning
Ob Zahnbürste, Kettensäge, Küchengerät, Lichtsteuerung oder Premium-Auto: Die Produkte der Zukunft sind „Software-defined“. Ein steigender Anteil des Produktnutzens ergibt sich aus softwarebasierten Funktionen sowie der Sensorik und der Vernetzung der Geräte zu einer ganzheitlichen IoT-Lösung. Die „Hardware“mit ihren Materialeigenschaften tritt in den Hintergrund. Damit wird die Softwareentwicklung zum zentralen Aspekt der Weiterentwicklung klassischer Produkte und ihres Lifecycle-Managements. Für die Anbieter bedeutet das: Corporate IT und Product IT müssen zusammenwachsen.
Bis 2020 wollen 60 Prozent der deutschen Unternehmen bereits jeden fünften Euro mit digitalen Produkten und Services erwirtschaften. Somit werden die Geschäfts- und Preismodelle zunehmend „programmierbar“. Für die Anbieter ergeben sich vielfältige Möglichkeiten, die anfallenden Daten zu monetarisieren und die User Experience zu personalisieren.
Die Verarbeitung und Analyse von Datenströmen im IoT-Kontext erfordert neue Ansätze und Technologien. Teilweise wandert sie an die „Edge“– sprich: an die vernetzten Geräte, Maschinen und Gegenstände. CIOs müssen sich daher in den kommenden Jahren intensive Gedanken über Edge-zentrierte Netztopologien machen sowie über Event-basierte Microservices-Architekturen und hybride Cloud- und IT-Betriebskonzepte. Ebenso müssen sie sich mit einer Vielfalt an IoT-Standards und Open-Source-Frameworks befassen.
Für die Analyse der IoT-Daten in (Nahezu-) Echtzeit spielen Machine-Learning-Verfahren und neuronale Netze eine wichtige Rolle. Das gilt auch in anderen Use Cases, etwa der Mustererkennung von Bildern, Personen oder Gegenständen. Sie wird zum Beispiel im Qualitäts-Management, der Gesundheitsvorsorge und auch im Automobilsektor – Stichwort: autonomes Fahren – relevant.
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass schon jedes fünfte Unternehmen in Deutschland Machine Learning einsetzt, wenn auch nur in ausgewählten Bereichen. Bis 2020 wird die Mehrheit von der Evaluierungs- und Planungsphase in den produktiven Einsatz übergehen. Machine Learning wird zum ITMainstream.
Auch die maschinelle Verarbeitung von Sprache in digitalen Assistenten wird immer wichtiger. Machine-Learning-Verfahren, neuronale Netze und selbstlernende Systeme (Deep Learning) werden somit zur Grundlage, um große Datenmengen in Echtzeit verarbeiten zu können. Damit kommen die Kontextualisierung von Apps, die Personalisierung von CloudDiensten, die autonome Steuerung von Maschinen oder auch die Analyse von IoT-Daten im Kontext von Predictive Maintenance und Industrie 4.0 mit großen Schritten voran.
Das Zusammentreffen von ausgereiften Machine-Learning-Verfahren und nahezu unlimitierter, kostengünstiger Rechenleistung in der Cloud ermöglicht Unternehmen einen „barrierefreien“Einstieg in das Thema und den Aufstieg auf einem steilen Innovationspfad.
KI-Systeme werden zukünftig auch immer mehr menschliche Aufgaben und Verantwortungsbereiche übernehmen. So können kognitive Systeme Sprache, Gesten, Mimik oder Emotionen erkennen, interpretieren und in Entscheidungen und Handlungen überführen.
Die großen Datenmengen und die zunehmend lernfähigen Systeme werden besser mit Ambiguität umgehen und die Fehlerrate menschlicher Entscheidungen reduzieren können. Sukzessive entstehen „Cognitive Companies“, in denen von der Einlasskontrolle an der Pforte über die Qualitätskontrolle in der Fertigung bis hin zum Finanz-Controlling immer mehr von intelligenten Softwaresystemen assistiert oder sogar komplett gesteuert wird.
2. Public Cloud und Digital Platform Design
Die globalen Cloud-Plattformen von Amazon, Microsoft, Google, IBM, Alibaba und Co. werden mindestens bis 2030 das Gravitationszentrum und das „Operating System“für neue digitale Workloads und Plattformen sein – auch wenn im IoT-Zeitalter viel Rechenleistung und Intelligenz „on Edge“erbracht wird.
Nachdem in der ersten Dekade des Cloud Computing von 2006 bis 2016 vor allem Startups die Public-Cloud-Plattformen genutzt haben, steht die nächste Dekade nun im Zeichen der Transition der Enterprise-IT. Ebenso avanciert die Public Cloud zum zentralen Bau- und Steuerelement für komplexe IoT-Netze und Architekturen.
Gerade in Deutschland haben Mittelständler, aber auch große Industrieunternehmen immer noch Aufholbedarf in Sachen Public Cloud. Es gibt aber klare Anzeichen dafür, dass sich diese Lücke nun mit großer Dynamik schließt. Die meisten Unternehmen werden die nächste Generation ihrer Digital- und IoT-Plattformen auf Basis globaler Public Clouds entwickeln und betreiben. Damit wird die Public Cloud zur Infrastrukturbasis des Digitalgeschäfts der deutschen Wirtschaft. Der Shift in Richtung hybrider und Multi-Cloud-Umgebungen ist in vollem Gange und wird die CIOs bis 2020 auf Trab halten.
Die globalen Ausgaben für Infrastructure und Platform as a Service (IaaS und PaaS) werden zwischen 2017 und 2020 von 34,7 Milliarden auf 83,2 Milliarden Dollar steigen. Die 100-Milliarden-Dollar-Schallgrenze dürfte bald darauf geknackt werden. Standen zuerst reine Infrastrukturdienste im Mittelpunkt des Kundeninteresses, so werden es nun zunehmend höherwertige Plattformdienste sowie der Einsatz von Serverless Computing und IoT-Services. Die Kunden erkaufen sich damit eine höhere Agilität und Automation ihres Cloud-Betriebs.
Der produktive Einsatz von Machine-LearningVerfahren erfordert zudem immense Rechenkapazität und idealerweise ein speziell dafür ausgelegtes Prozessordesign. So bieten bereits viele Cloud- und Technologieanbieter auf Grafikkarten basierende Rechenleistung beziehungsweise Server an. Google und andere Internet-Firmen bauen speziell für diesen Einsatzzweck Prozessoren, zum Beispiel die Tensor Processing Unit (TPU) von Google.
In Hinblick auf die Konzeption und den Betrieb ihrer digitalen Plattformen stehen die Unternehmen indes vor großen Herausforderungen. Neue Plattformen werden sich nur dann erfolgreich skalieren und vermarkten lassen, wenn die Architekturen und die Cloud-Services sowie die Technologien und Open-SourceFrameworks strategisch klug ausgewählt und orchestriert sind.
Hier gilt es, den richtigen Mittelweg zwischen noch akzeptabler Herstellerabhängigkeit und angemessener Innovationsgeschwindigkeit zu finden. Erfahrung und Know-how im Aufbau solcher komplexen Cloud- und IoT-Umgebungen sind besonders wichtig. Die „Stackology“, also die Kunst der richtigen Orchestrierung, wird zur Königsdisziplin im Digitalgeschäft. Das gilt vor allem, wenn hybride IoT-Szenarien entworfen werden, in denen Softwareintelligenz und Analytics-Power auch auf den Endgeräten und Gateways deployed werden müssen und sich eine neue Rollenverteilung von Cloud und Edge ergibt.
3. Enterprise Agility und New Sourcing Order
„Die IT ist zu langsam“, schallt es noch immer aus vielen Board-Rooms. Daher werden die CIOs bis 2020 weiter intensiv damit beschäftigt sein, mit ihrer Corporate-IT schneller zu werden und auch die gesamte Unternehmensorganisation agiler zu machen. Wichtige Bausteine dafür sind die konsequente Umsetzung von Digital-Workplace-Strategien, die über den Einsatz von iPhone und iPad weit hinausgehen. Ebenso gilt es, agile Methoden in der Entwicklung und dem Betrieb der neuen digitalen Workloads einzuführen. Hier prallen ITIL-Kultur und DevOps häufig noch in einem schmerzhaften Clash aufeinander.
Die Org-Charts der IT müssen endlich „Cloudready“und mit Leben gefüllt werden. Zudem wird sich die Automation des gesamten ITInfrastrukturbetriebs erhöhen müssen. Derzeit gehen deutschen Unternehmen pro Jahr rund 600 Millionen Euro aufgrund mangelnder Automatisierung verloren.
Beim Aufbau erfolgreicher digitaler Plattformen und Ökosysteme spielen Application Programming Interfaces (APIs) eine elementare Rolle. Sie definieren die Spielregeln der Plattform und lenken die Datenströme. Also bedarf es klarer API-Strategien und Verantwortlichkeiten sowie eines Mindsets, der die Kultur und Arbeitsweisen von Entwicklern versteht. Nur wenn Plattformen offen gestaltet und die APIs entwicklerfreundlich ausgearbeitet und dokumentiert sind, werden die Developer Apps und Lösungen für diese digitale Plattform entwickeln.
Ebenfalls dürften bis 2020 in vielen Unternehmen die IT-Sourcing-Strategien neu bewertet und die Budgets angepasst werden. Während klassisches IT-Outsourcing weiter abnimmt, wächst der Bedarf an modernen Spielformen der „Managed Public Cloud Services“– an professionellen Dienstleistungen rund um den Betrieb von Workloads auf der Public Cloud also. Zwar werden immer mehr Infrastruktur- und Plattformdienste aus der Public Cloud bezogen, doch der Entwicklung eigener IoT- und Digital-Plattformen kommt ein strategischer Stellenwert zu. Hier wird Insourcing und der Aufbau von Entwicklerressourcen zu einem Trend der kommenden Jahre.
Der Aufbau schlagkräftiger Entwicklerteams gerade im Kontext von IoT und Machine Learning bedeutet einen strategischen Wett-
„APIs definieren die Spielregeln der Plattformen und lenken die Datenströme. Also bedarf es klarer Strategien und Verantwortlichkeiten." Carlo Velten, Crisp Research
bewerbsvorteil – nicht nur für die IT, sondern für das ganze Unternehmen. Der „War for Talents“hat also gerade erst begonnen, und viele CIOs haben noch nicht realisiert, was es bedeutet, mit Google, Facebook oder Zalando um die besten Köpfe zu konkurrieren.
Die Auf- und Absteiger 2018
Absteiger des Jahres 2018 werden wohl Mixed and Virtual Reality sein. Hier fehlt es bis auf wenige Use Cases noch an einer ausreichenden Verbreitung der Technologien und Devices in Unternehmen und bei Privatkunden. In den kommenden Jahren dürfte das Thema aber erneut auf der Agenda erscheinen.
Der Aufsteiger 2018 ist klar das Thema „IoT Platform Design“. Unternehmen der deutschen Leitbranchen im Industrie-, Maschinenbauoder Automobilsektor legen gerade den Hebel um und gehen vom Prototypen- in den Produktivmodus über. Während in den letzten Jahren erste IoT-Anwendungen konzipiert und eine Vielzahl von Prototypen entwickelt und getestet wurden, bauen die Unternehmen nun ganzheitliche IoT-Plattformen auf. Hier sollen künftig eine Vielzahl von Lösungen laufen und das Neugeschäft ankurbeln. Um die komplexen IoT-Plattformen zu designen und zu betreiben, sind besondere Architektur- und CloudOperations-Skills gefragt. Wichtig ist auch die Technologieauswahl für das Vernetzen der Devices und Edge-Netzwerke sowie die Realisierung komplexer IoT-Analytics- und Machine-Learning-Verfahren.
Viel passiert derzeit auch bei den Hardwareund Prozessordesigns. So sind im Bereich Quanten-Computing der Fantasie kaum Grenzen gesetzt. Die auf quantenmechanischen Effekten basierenden Rechner bieten ganz neue Möglichkeiten etwa in der Kryptografie, der Analyse unstrukturierter Daten oder in komplexen Simulationen. Hier liefern sich Google, IBM, Microsoft und auch die Geheimdienste ein Wettrennen, dessen Ausgang noch offen ist. Design und Skalierung von Quantenrechnern sind eine gewaltige Herausforderung, weshalb eine breite Markteinführung sicher noch bis Mitte der 2020er Jahre auf sich warten lässt. Allerdings können diese Rechner in bestimmten Anwendungsszenarien derartige Wettbewerbsvorteile generieren, dass sich für globale Konzerne eine frühzeitige Investition durchaus auszahlen kann.
Ein noch größeres Innovationspotenzial wird das Neuromorphic Computing bieten. Das Entwickeln analoger Prozessoren, die neuronale Strukturen des Gehirns auf Chipebene nachbauen, ist deshalb so attraktiv, weil enorme Performance-Vorteile bei Verfahren der Mustererkennung und des Lernens – sprich: bei Machine Learning und künstlicher Intelligenz – zu erwarten sind. Neuromorphe Chips müssen das Gehirn und Lernvorgänge nicht simulieren, sondern können sie direkt nachbilden.
Hinzu kommt, dass diese neue Prozessorgeneration mit wenig Energie auskommt. Die angewandte und die Grundlagenforschung schreiten hier rasant voran – ein spannendes Betätigungsfeld für alle echten Innovatoren im Cloud- und IT-Infrastrukturbereich.