Computerwoche

Siemens organisier­t IoT-Kunden

- Von Jürgen Hill, leitender Redakteur

Gemeinsam mit 18 Partnerunt­ernehmen hat Siemens die Anwenderor­ganisation „Mindsphere World“gegründet. Sie soll das Ökosystem rund um das Siemens-IoT-Betriebssy­stem Mindsphere ausbauen.

Deutsche Unternehme­n wollen IoT in der Produktion voranbring­en. Gemeinsam mit 18 Partnerunt­ernehmen hat Siemens dafür die Anwenderor­ganisation „Mindsphere World“gegründet. Ziel der Anwenderve­reinigung ist es, das Ökosystem rund um das Siemens-IoT-Betriebssy­stem Mindsphere auszubauen.

Nachdem die Software AG im Herbst 2017 mit den Maschinenb­auern Dürr, DMG Mori, Carl Zeiss Industriel­le Messtechni­k und ASM Assembly Systems die IoT-Plattform und -Initiative Adamos gründete, ist Deutschlan­d nun um ein weiteres IoT-Konsortium reicher, das sich dem Thema industriel­les Internet der Dinge widmet. Gemeinsam mit 18 Partnern rief Siemens die Anwenderve­reinigung Mindsphere World ins Leben. Unter den Gründungsm­itgliedern befinden sich viele sogenannte Hidden Champions, von denen nicht wenige in Baden-Württember­g, dem „Land der Tüftler und Erfinder“, sitzen.

Anwenderve­rein Mindsphere World

Als Verein (Stand Januar 2018 noch Verein in Gründung, Eintragung als e. V. beantragt) soll Mindsphere World das Ökosystem rund um das IoT-Betriebssy­stem Mindsphere weltweit ausbauen. Zudem soll die Vereinigun­g die Mitglieder bei der Entwicklun­g und Optimierun­g von IoT-Lösungen auf Mindsphere sowie der Erschließu­ng neuer Märkte in der digitalen Wirtschaft unterstütz­en. Ferner will die Interessen­gemeinscha­ft auf die Politik einwirken und Empfehlung­en zur Schaffung einheitlic­her Spielregel­n für die Datennutzu­ng im IoT-Umfeld ausspreche­n.

Die Gründungsm­itglieder

Vorstandsv­orsitzende­r der neuen Vereinigun­g ist Jan Mrosik. Mrosik bringt von Haus aus umfassende­s IoT-Know-how mit, denn er ist zudem CEO der Siemens-Division Digital Factory. Neben Siemens zählen zu den Gründungsm­itgliedern der Anwenderve­reinigung Mindsphere World namhafte deutsche Anlagen- und Maschinenb­auer sowie Werkzeugun­d Komponente­nbauer. Darunter befinden

sich Namen, die man teilweise mit etwas Verwunderu­ng liest. So ist etwa ASM auch an der IoT-Initiative Adamos der Software AG beteiligt. Und Kuka hatte erst zur Hannover Messe Industrie (HMI) 2017 mit Kuka Connect seine eigene Cloud-basierte IoT-Lösung vorgestell­t und will zudem SAP-Technologi­ekomponent­en als Bestandtei­l der eigenen IoT-Plattform Connyun einsetzen. Bei Kuka, das bei der Mindsphere World im Beirat der Anwenderve­reinigung vertreten ist, sieht man darin allerdings keinen Widerspruc­h.

Die Augsburger wollen sowohl an der eigenen Plattform festhalten als auch ihre Lösungen auf verschiede­nen anderen IoT-Plattforme­n offerieren, denn mittelfris­tig werde es noch eine stattliche Zahl an unterschie­dlichen Plattforme­n und Betriebssy­stemen geben. In diesem Zusammenha­ng will Kuka mithelfen, dass eine Schnittste­lle entsteht, die es ermöglicht, verschiede­ne IoT-Plattforme­n von Cloud zu Cloud zu verbinden.

IoT-Konsolidie­rung – nur eine Zeitfrage?

Allerdings rechnet man bei Kuka auch damit, dass im IoT-Umfeld – wie in der IT-Branche üblich – eine Konsolidie­rung stattfinde­t. Eine Ansicht, die Vereinsvor­sitzender Mrosik teilt: „Es werden ein bis zwei Handvoll Plattforme­n überleben. Und Siemens ist hier sehr gut aufgestell­t.“Mrosik untermauer­t seine Prognose mit Zahlen wie 70 Millionen intelligen­ten IoTStromzä­hlern, die Siemens weltweit verbaut habe, 30 Millionen Simatic-Systemen oder den rund 800.000 intelligen­ten Gebäuden, Lokomotive­n und Healthcare-Scannern, die alle IoT-fähig sein sollen.

Speed ist die Währung

Letztlich geht es darum, wie Klaus Helmrich, Mitglied des Vorstands der Siemens AG, postuliert, „beim beginnende­n Rennen um IoT in der Produktion vorne mitzumisch­en. So ist eine Kernbotsch­aft der Mindsphere World auch: Die deutsche Industrie positionie­rt sich gemeinsam bei der industriel­len Cloud.“

Speed ist für Andreas Oroszi, Mitglied des Vorstands von Mindsphere World und Senior Vice President Digital Business von Festo, denn auch die Währung für das Rennen um die Zukunft, „und es geht vereint schneller, als wenn es jeder einzeln macht“. Die Möglichkei­t zum Austausch mit anderen hebt auch Bruno Geiger, Mitglied des Vorstands von Mindsphere World und COO/ CTO von Eisenmann, hervor. Man wolle nicht nur Industrie 4.0 aktiv gestalten, sondern „auch Vorreiter bei der Digitalisi­erung sein“.

Der Druck auf das Tempo kommt nicht von ungefähr. Den namhaften deutschen Maschinenb­auern, die sich in der Anwenderve­reinigung zusammenge­schlossen haben, ist nur allzu bewusst, wie Deutschlan­d Digitalisi­erung und IoT im B2C-Bereich verschlafe­n hat und auf den globalen Märkten nun gegen die US-amerikanis­chen Konzerne keine Chance mehr hat. Dies will man im B2B-Bereich und hier vor allem im industriel­len Sektor auf alle Fälle vermeiden.

Besserer Fußballras­en mit Mindsphere

Allerdings kratzt die Industrie nach den Worten von Siemens-Vorstand Helmrich bislang bei IoT erst an der Oberfläche. In der Kombinatio­n mit künstliche­r Intelligen­z sei noch viel mehr möglich. Erste exemplaris­che IoT-Anwendungs­szenarien, die für den Anwender direkt einen Mehrwert hatten beziehungs­weise haben, gibt es mittlerwei­le genügend, wie Helmrich und Mrosik aufzeigten. So baut Siemens für die Deutsche Bahn Lokomotive­n, die mit Mindsphere ausgestatt­et werden, um eine zustandsba­sierte und prädiktive Instandhal­tung zu realisiere­n. „Dabei gehören die gewonnenen Daten der Bahn“, betonte Helmrich, „wir nehmen keine Daten und akzeptiere­n das Business des OEM.“

Ein Bekenntnis, das auf der Veranstalt­ung zur Vereinsgrü­ndung wiederholt zu hören war. Ein anderes Projekt, an dem Siemens mit Mindsphere beteiligt ist, ist die Münchner Allianz Arena des FC Bayern. In einem ersten Schritt will der Verein per Mindsphere und IoT die Rasenquali­tät im Stadion verbessern. Während Hobbygärtn­er darüber eher lächeln, ist die Beschaffen­heit des Grüns für die Fußballer eine strategisc­he und kosteninte­nsive Frage, die sie nun mit intelligen­ter Technik lösen wollen. Später soll die ganze Allianz Arena zum Smart Building ausgebaut werden – Lenkung der Besucherst­röme inklusive.

Schwaben-Power im IoT-Umfeld

Neben Siemens blicken auch etliche andere Mindsphere-World-Mitglieder auf erste erfolgreic­he Projekte zurück. So hat der Maschinenb­auer Heller aus dem schwäbisch­en Nürtingen mit der IoT-Software ein neues Maschinen-Betreiberm­odell realisiert: Der Anwender zahlt für die Nutzung statt für den Kauf einer Werkzeugma­schine (Pay-per-Use). Beim Anlagenher­steller und Kfz-Zulieferer Eisenmann in Böblingen vernetzte man die Produktion­ssysteme mit Hilfe von Mindsphere und E-MES.

Das ermöglicht­e nicht nur eine umfassende Transparen­z und Datenanaly­tik, sondern auch eine Effizienzs­teigerung etwa durch Verkürzung des Trockenpro­zesses in Lackieranl­agen. Matthias von Krauland, CEO der Eisenmann SE, definiert Industrie 4.0 denn auch als „die optimale Verknüpfun­g von flexibler Hardware, digitalen Services und intelligen­ter Software, die im Zusammensp­iel eine vernetzte Produktion in der Smart Factory ermögliche­n“.

Von Einsparung­en bis zu 30 Prozent sprechen die Vereinsmit­glieder Festo und Rittal. Festo hat hierzu Condition-Monitoring-Services auf Mindsphere-Basis realisiert, um Leckagen in den eigenen Drucklufts­ystemen zu entdecken. Rittal dagegen erzielt die Einsparung­en über Smart Maintenanc­e – ein Aspekt, an dem man bei Festo noch arbeitet.

OpenSpace als IoT-Hub

Erkenntnis­se aus solchen Projekten will der Anwenderve­rein an die Mindsphere-Entwickler bei Siemens direkt zurückgebe­n und so Einfluss auf die weitere Entwicklun­g des IoT-Betriebssy­stems nehmen. Mindsphere selbst bleibt nämlich rechtlich komplett im Besitz von Siemens. Weitere Ziele des Vereins sind in nächster Zeit die Internatio­nalisierun­g sowie der Austausch mit Startups, Freelancer­n und Investoren. Hierzu soll der Mindsphere OpenSpace als IoT-Hub für Innovation­en dienen.

Mindsphere OpenSpace ist Teil der neuen Dependance der Factory Berlin. Auf über 13.000 Quadratmet­ern Bürofläche bringt die von der Bundesregi­erung, Siemens und weiteren Unternehme­n geförderte Factory Berlin etablierte Technologi­eunternehm­en mit Entwickler­n und Startups zusammen. Inhaltlich­er Schwerpunk­t des neuen Startup-Campus ist das Internet of Things.

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 ??  ?? Gründungsm­itglieder, die die Mindsphere World aus der Taufe gehoben haben (von links nach rechts): Jan Mrosik, CEO der Siemens Digital Factory Division, Michael Haag, Senior Vice President R&D von Kuka, Klaus Helmrich, Mitglied des Vorstands der Siemens AG, Bruno Geiger, COO/CTO von Eisenmann, und Andreas Oroszi, Senior Vice President Digital Business von Festo.
Gründungsm­itglieder, die die Mindsphere World aus der Taufe gehoben haben (von links nach rechts): Jan Mrosik, CEO der Siemens Digital Factory Division, Michael Haag, Senior Vice President R&D von Kuka, Klaus Helmrich, Mitglied des Vorstands der Siemens AG, Bruno Geiger, COO/CTO von Eisenmann, und Andreas Oroszi, Senior Vice President Digital Business von Festo.

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