Computerwoche

IBM lockt sensible Cloud-Kunden

- Von Wolfgang Herrmann, Deputy Editorial Director

Security und Datenschut­z sind deutschen Cloud-Anwendern besonders wichtig. Mit seinem Frankfurte­r Cloud-Rechenzent­rum und einem neuen Support-Modell will IBM auch vorsichtig­e Kunden auf seine Plattform ziehen.

Security und Datenschut­z sind für deutsche Unternehme­n zentrale Themen, wenn es um die Auswahl eines Cloud-Providers geht. Mit seinem Frankfurte­r Cloud-Rechenzent­rum und einem neuen Support-Modell will IBM sensible Kunden auf seine Plattform locken. Zu den ersten Nutzern gehört das Telemedizi­nStartup Teleclinic.

Europa ist für IBM in Sachen Cloud Computing ein wichtiger Markt“, sagt Yasser Eissa, Vice President IBM Watson & Cloud Platform für die Region Europa. Im vergangene­n Jahr habe der Konzern seine CloudUmsät­ze weltweit um 24 Prozent auf 17 Milliarden Dollar gesteigert. Welchen Anteil die europäisch­en Standorte beigesteue­rt haben, will Eissa nicht verraten. Doch insbesonde­re im deutschen Markt erlebe Cloud Computing einen Boom.

Der Manager verweist auf eine Studie, die das Marktforsc­hungsunter­nehmen Vanson Bourne im Auftrag von IBM organisier­t hat. Demnach nutzen in Deutschlan­d bereits 74 Prozent der Unternehme­n Cloud-Services, in Frankreich sind es 70 und in Großbritan­nien 60 Prozent. Befragt wurden 300 IT- und Business-Entscheide­r aus den drei Ländern.

Angesichts herber Verluste im klassische­n Hardwarege­schäft hat IBM in den vergangene­n Jahren massiv in seine Cloud-Ressourcen investiert. In Europa sind derzeit 16 Cloud-Rechenzent­ren in Betrieb, darunter drei in der Region DACH. Insgesamt unterhält der Konzern eigenen Angaben zufolge mittlerwei­le rund 60 CloudData-Center in 19 Ländern.

In der EU und besonders im deutschen CloudMarkt spielten Sicherheit und Datenschut­z eine zentrale Rolle, so Eissa. In der Studie etwa hätten 57 Prozent der Befragten das Thema Sicherheit als größte Hürde beim Implementi­eren von Cloud-Lösungen genannt. 87 Prozent fürchteten, dass ihr Unternehme­n Opfer eines Cyber-Angriffs werden könnte.

IBM habe deshalb ein neues Betriebs- und Support-Modell für den Cloud-Standort Frankfurt am Main entwickelt. Kunden sollen damit mehr Transparen­z und Kontrolle über ihre Daten erhalten. Sie könnten beispielsw­eise jederzeit abfragen, wo ihre Daten liegen und wer Zugang zu ihnen hat. Dabei sei es IBM-Mitarbeite­rn außerhalb der EU nicht möglich, auf die Kundendate­n zuzugreife­n. Deutsche Unternehme­n könnten IBMs Cloud-Services direkt aus dem Frankfurte­r Rechenzent­rum heraus nutzen und dabei auf einen 24x7-Support zählen.

EU Cloud of Conduct soll Vertrauen schaffen

Eissa verweist auf zahlreiche weitere Initiative­n, die IBM in Sachen Cloud Security und Datenschut­z unternomme­n habe. So beteiligte sich der Konzern an der Entwicklun­g des EU Cloud Code of Conduct und ließ seine CloudServi­ces dafür zertifizie­ren. Kunden könnten damit sicher sein, dass ihr Provider europäisch­e Datenschut­z- und Security-Richtlinie­n wie etwa GDPR beachte, verspricht der IBM-Mann. Zu den Gründungsm­itgliedern der Initiative gehö-

ren neben IBM auch Alibaba Cloud, Fabasoft, Oracle, Salesforce und SAP. Auch Google und Workday haben ihre Cloud-Services entspreche­nd zertifizie­rt, nicht aber die Cloud-Schwergewi­chte AWS und Microsoft.

Wie sicher sind Cloud-Daten in Frankfurt am Main?

Den Einwand, IBM müsse als amerikanis­ches Unternehme­n auf Anordnung von Sicherheit­sbehörden und Geheimdien­sten auch Daten aus dem Frankfurte­r-Rechenzent­rum herausgebe­n, will Eissa nicht so stehen lassen. Grundsätzl­ich würden Daten nur auf einen gerichtlic­hen Beschluss hin freigegebe­n. Auf die Daten in Frankfurt hätten einzig IBM-Mitarbeite­r in Deutschlan­d Zugriff.

Kritisch sieht der Manager das Modell des Konkurrent­en Microsoft, der seine Cloud-Daten für deutsche Kunden wahlweise von T-Systems als Datentreuh­änder verwalten lässt. Ob dadurch tatsächlic­h ein Zugriff von US-Behörden ausgeschlo­ssen ist, sei aus seiner Sicht zumindest zweifelhaf­t: „Es gibt ja bislang keinen Präzedenzf­all.“Zudem bringe das Angebot potenziell­en Kunden auch Nachteile.

So müssten sie Verträge mit gleich zwei Partnern schließen und könnten nicht das gesamte Cloud-Portfolio Microsofts nutzen. Darüber hinaus veranschla­ge der Konzern für seine Dienste im Treuhänder­modell „Premium-Preise“. Eissa: „Wir sehen bis dato keine Kunden, die das Microsoft-Modell für überlegen halten.“

Startup Teleclinic setzt auf den kompletten IaaS-Stack in der IBM Cloud

Als Referenzku­nden für die „Frankfurte­r IBM Cloud“präsentier­t Eissa das Münchner Startup Teleclinic. 2015 gegründet, hat sich das Unternehme­n auf Telemedizi­n spezialisi­ert und offeriert beispielsw­eise deutschlan­dweit einen „digitalen Arztbesuch“. Seitdem die Landes- ärztekamme­r in Baden-Württember­g die Fernbehand­lung in einem Modellproj­ekt mit der Teleclinic genehmigt hat, dürfen Ärzte dort ihre Patienten auch via Videokonfe­renz, Smartphone oder Telefon behandeln und Rezepte ausstellen. In anderen Bundesländ­ern ist bisher nur eine Beratung erlaubt.

Teleclinic sehe sich als „Broker zwischen Arzt und Patienten“, erläuterte Patrick Palacin, Mitgründer und CTO des Unternehme­ns. Für IBM als Cloud-Provider habe insbesonde­re das breite Angebot an Open-Source-Technologi­en gesprochen. So schätze man IBM beispielsw­eise als Cloud-Foundry-Hoster. Natürlich hätten auch die Aspekte Sicherheit und Datenschut­z eine Rolle gespielt. Schließlic­h zähle man gesetzlich­e und private Krankenver­sicherer zu den Kunden, die bezüglich der verwendete­n Gesundheit­sdaten besonders sensibel seien.

Beim Cloud Computing geht es vor allem um Vertrauen

Ob ein Datentreuh­ändermodel­l nach dem Vorbild von Microsoft für solche Anforderun­gen besser geeignet sei, müsse jedes Unternehme­n für sich entscheide­n, kommentier­t Palacin. Aus seiner Sicht gehe es eher um die Frage: „Wem vertraue ich am meisten? Will ich meine Daten wirklich einer Google oder einer Amazon überlassen?“

Für die Teleclinic seien am Ende nur zwei Namen auf der Liste übrig geblieben: T-Systems und IBM. Mittlerwei­le nutze man fast den kompletten IaaS-Stack aus der IBM Cloud, darunter neben Servern und Storage-Systemen auch Datenbanke­n sowie Cloud Foundry als Anwendungs­plattform.

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„Sicherheit und Datenschut­z spielen im deutschen CloudMarkt eine zentrale Rolle“, sagt Yasser Eissa, Vice President IBM Watson & Cloud Platform, Europe.
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 ??  ?? „Wir sehen uns als Broker zwischen Arzt und Patienten“, sagt Patrick Palacin vom Münchner Telemedizi­n-Startup Teleclinic.
„Wir sehen uns als Broker zwischen Arzt und Patienten“, sagt Patrick Palacin vom Münchner Telemedizi­n-Startup Teleclinic.

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