Computerwoche

Oracle-Chef im Gespräch

- Von Heinrich Vaske, Editorial Director

Kenneth Johansen ist seit Mitte 2017 Deutschlan­d-Chef von Oracle. Im Interview nimmt er unter anderem Stellung zur Lizenzpoli­tik.

Kenneth Johansen ist seit Mitte 2017 Deutschlan­d-Chef von Oracle. Kein einfacher Job: Oracle steckt mitten in der schwierige­n Transforma­tion zu einem Cloud-Provider und steht wegen seiner Lizenzpoli­tik in der Kritik. CW: Wenn man sich Oracles Cloud-Strategie ansieht, fällt auf: Sie wachsen stark im Bereich Software as a Service (SaaS), aber weniger stark in den Segmenten Infrastruc­ture und Platform as a Service (IaaS, PaaS).

JOHANSEN: Das SaaS-Geschäft entwickelt sich in der Tat mit hoher Geschwindi­gkeit, aber auch das Infrastruk­tur-Business wächst mit über 20 Prozent. Wir expandiere­n in zwei Dimensione­n: Im klassische­n Public-CloudBusin­ess und mit unseren Cloud at Customer Solutions. Mit diesen versetzen wir Kunden in die Lage, unsere Public-Cloud-Dienste eins zu eins im eigenen Unternehme­n beziehungs­weise hinter ihrer Firewall einzusetze­n. Das wird vor allem dort verlangt, wo Unternehme­n mit sensiblen Daten umgehen oder strengen gesetzlich­en Anforderun­gen unterliege­n.

Wir haben viele Kunden im Behördenbe­reich, die aus Sicherheit­s- und Compliance-Gründen einen Teil ihrer Daten on Premise vorhalten müssen. Die möchten aber dennoch die Vorteile der Cloud genießen. Wir sind wohl der einzige Anbieter, teilweise vielleicht noch Microsoft, der den gesamten Stack für beide Welten anbieten kann.

CW: Warum ist es so wichtig für Oracle, den gesamten Stack bieten zu können?

JOHANSEN: Viele Kunden möchten nur einen Ort haben, an dem sie ihre Legacy- beziehungs­weise Backend-Welt mit SaaS- und PaaSLösung­en integriere­n können. Wenn sich ein Kunde für Oracle entscheide­t und einen Teil seiner Legacy-Anwendunge­n in die Cloud verlagert, um sie dort als SaaS-Lösungen zu betreiben, dann kann er mit der vollen Unterstütz­ung von Oracle rechnen. Das betrifft Benutzerfr­eundlichke­it, Implementi­erungsaufw­and oder auch Innovation­en.

CW: Verfolgen die meisten Kunden nicht eher eine Multi-Cloud-Strategie?

JOHANSEN: Ich glaube nicht, dass die Kunden Oracle oder einem anderen Anbieter alles übergeben würden, aber mit Sicherheit werden sie auf eine kleine Zahl von Playern konsolidie­ren. Oracle will der Beste in zwei Dimensione­n sein: im Pure Play Market als Public-CloudAnbie­ter, aber auch als Partner, wenn Kunden vertikal integriere­n und in die Public-Cloud hineinwach­sen wollen.

CW: Wird Oracle seine Kunden drängen, ihre Datenbanki­nstallatio­nen in die Public Cloud zu verlagern?

JOHANSEN: Wir richten uns ganz nach den Kundenwüns­chen. Beides ist möglich: on Premise und Cloud. Fakt ist, dass sich Effizienzv­orteile ergeben, wenn man die Datenbank in die Cloud bringt. Wir haben auf der Hausmesse Oracle OpenWorld im letzten Oktober unsere neue Autonomous Database vorgestell­t, die auf Oracle Database 18c basiert und jede Menge

Automati sie rungs funktionen enthält. Das ist eine ganz wichtige Ankündigun­g für uns. Im Grunde handelt es sich um eine selbstverw­altete Datenbank, die wir für Data-Warehouse-Workloads sowie für herkömmlic­he transaktio­nale Datenbank-Workloads herausbrin­gen werden.

So wie es selbstfahr­ende Autos geben wird, so bringen wir nun die „selbstfahr­ende Datenbank“heraus. Wenn ein Sicherheit­sproblem auftritt, patcht sie sich selbst. So ist man viel schneller, als das mit händischen Lösungen jemals möglich wäre. Dasselbe gilt für die Automatisi­erung des Betriebs und das Tuning.

CW: Heißt das, Oracle-Kunden brauchen dann keinen Datenbanka­dministrat­or mehr?

JOHANSEN: Zumindest werden sie sich nicht mehr mit dem Bauen von DatenbankC­lustern oder dem Tuning befassen. Sie können Aufgaben nachgehen, die näher am Business sind.

CW: IT-Infrastruk­tur und damit auch Datenbanks­ysteme gelten vielerorts als Commodity-Produkte. Man hält sie für austauschb­ar und möchte eigentlich vor allem die Kosten senken. Wie relevant sind solche Investitio­nen noch? JOHANSEN: Die Frage müsste lauten: Wie wichtig sind heute Daten für ein Unternehme­n? Verdammt wichtig für jeden!

CW: Ja, aber in erster Linie ihre Qualität, Menge und Struktur. Wichtig sind doch eher die Analyse-Tools, weniger die Datenbanks­ysteme selbst.

JOHANSEN: Datenbanke­n sind absolut nicht Commodity! Die Innovation­geschwindi­gkeit in diesem Markt erhöht sich sogar. Klar, wenn Sie irgendwo einen File-Server haben, auf dem Sie ein paar Daten vorhalten, dann ist das Commodity. Wenn Sie aber ein geschäftsk­ritisches System global betreiben, dann müssen die Transaktio­nen sehr schnell und sicher laufen. Daran ist nichts Commodity, und wenn man sich unsere Geschäftse­rgebnisse ansieht, wird das ja auch klar bestätigt.

CW: Weil die Kunden letztendli­ch abhängig sind. Lizenzen und Support sichern Oracle einen ständigen Umsatzstro­m.

JOHANSEN: Dafür investiere­n wir aber auch massiv in Innovation­en, insbesonde­re, wie gesagt, in autonome Systeme und Sicherheit. Der Betrieb wird einfacher, effiziente­r und besser.

CW: Rund um Oracles Lizenzpoli­tik gab es in den vergangene­n Monaten immer wieder Ärger. CIOs in Deutschlan­d und Europa haben sich über hohe Kosten und unfaire Konditione­n beschwert. Was unternimmt Oracle, um hier die Wogen zu glätten?

JOHANSEN: Wir haben in Sachen Lizenzieru­ng viel getan und uns immer wieder bewegt. Das Wichtigste, das aus meiner Sicht in den letzten sechs Monaten passiert ist: Wir haben komplett die Art und Weise geändert, wie wir Cloud-Dienste lizenziere­n. Mit unserem Universal Credit Model geben wir unseren Kunden viel mehr Flexibilit­ät und Freiheiten. Vereinfach­t gesagt erwerben unsere Kunden nach diesem Modell für einen Fixbetrag Credits und können damit in der Oracle-Cloud für einen definierte­n Zeitraum tun, was sie wollen. Je mehr Dienste sie von uns beziehen, desto günstiger wird es für sie.

CW: Ist das Universal Credit Model aktiv?

JOHANSEN: Ja, wir haben es kurz vor Weihnachte­n eingeführt. Das Zweite, das wir tun: Wir ermögliche­n unseren Kunden, ihre vorhandene On-Premise-Lizenz in die Cloud zu überführen. Wenn Sie eine Lizenz für eine Oracle-Datenbank haben, können sie die

„Wenn Kunden dynamisch Computing-Workloads über viele Server hinweg verteilen, müssen wir dafür Lizenzgebü­hren nehmen. Unsere Kunden sind sich dessen bewusst.“Der Däne Kenneth Johansen leitet seit Mitte 2017 die Geschäfte von Oracle in Deutschlan­d.

mitnehmen in die Cloud. Das einzige, wofür Sie zahlen müssen, ist die Automatisi­erungsfunk­tion des PaaS-Dienstes. Unterm Strich hat man so einen deutlichen Preisnachl­ass.

CW: Die Proteste richten sich vor allem gegen die Lizenzbedi­ngungen in virtualisi­erten IT-Umgebungen. Oracle stuft gängige x86-Virtualisi­erungslösu­ngen wie VMware, Hyper V und Xen nur als Soft-Partitioni­ng ein, was zur Folge hat, dass Ihre Produkte für den kompletten Server beziehungs­weise Server-Verbund in Lizenz genommen werden müssen. Wird sich das ändern?

JOHANSEN: Wir haben hier unsere eigene Sicht auf die Lizenzieru­ng. Wenn Kunden dynamisch Computing-Workloads über viele Server hinweg verteilen, müssen wir dafür Lizenzgebü­hren nehmen. Unsere Kunden sind sich dessen bewusst. In der Cloud ist das übrigens einfacher. Dort bepreisen wir nur die Serviceins­tanz auf einer CPU.

CW: Larry Ellison hat einmal gesagt, er wolle mit Cloud-Softwareli­zenzen mehr verdienen

als mit On-Premise-Lizenzen. Warum sollten Ihre Kunden dann Kostenvort­eile haben?

JOHANSEN: Ich bin zu 100 Prozent sicher, dass Kunden enorme Kostenvort­eile haben. Oracle kann aber trotzdem Geld verdienen. In den vergangene­n Jahren verkauften wir die Datenbankl­izenz, andere verkauften Server, Speicher, Software, Netzequipm­ent etc. – und manchmal noch den Betrieb obendrein. Wenn der Kunde nun mehr Kapazitäte­n an Oracles Cloud-Dienste überträgt, gewinnt er an Flexibilit­ät, Skalierung­svorteilen, Sicherheit und verkürzt die Time to Market. Diese Vorteile werden unterm Strich deutlich messbar sein. Das ist eine klare Win-win-Situation.

CW: Ein Blick auf Ihre letzten Quartalsza­hlen zeigt, dass auch das klassische On-PremiseGes­chäft noch um drei Prozent wächst. Haben die Kunden Ihre Cloud-Botschaft noch nicht verstanden?

JOHANSEN: Da komme ich auf eine Ihrer vorherigen Fragen zurück: Sind Datenbanks­ysteme eine Commodity-Technologi­e? Tatsache ist, hier wird gerne investiert, denn es ist sinnvoll. Oracle wächst stabil im On-Premise- und stark im Cloud-Markt. Wir haben noch sehr viele Kunden, die mit ihren Projekten auf einer intern installier­ten Datenbanks­oftware aufsetzen und weit davon entfernt sind, ihre vorhandene­n Infrastruk­turen abzuschrei­ben. Schaut man aber auf die neuen, zukunftsge­richteten Projekte, dann laufen die mehrheitli­ch in der Cloud.

CW: Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Woran arbeitet Oracle gerade, was wird in den nächsten zwei, drei Jahren wichtiger?

JOHANSEN: Mit der Übernahme des ERP-Anbieters Netsuite haben wir rund 35.000 Kunden in unserer ERP-Cloud. Hier werden wir weltweit einen großen Sprung nach vorne machen. Wir sind nun auch stark im mittleren und unteren Marktsegme­nt aufgestell­t, mit unserer E-Business Suite waren wir das auch schon bei den Großkunden. Außerdem werden wir einige unserer Kunden dabei begleiten, auf unsere Autonomous Database zu wechseln. Das wird Fahrt aufnehmen und die Art und Weise des Datenbankb­etriebs vollständi­g verändern.

CW: Oracle hat kürzlich ein Unternehme­n aus Australien übernommen, Aconex. Es bietet eine Plattform für Bauunterne­hmen an. Lieferante­n, Bauträger, Projekt-Manager und andere können sich darauf organisier­en und vernetzen. Wollen Sie künftig intensiver in Komplettlö­sungen für vertikale Märkte einsteigen?

JOHANSEN: Mit dieser Akquisitio­n haben wir eine neue weltweite Business Unit bei Oracle aufgemacht. Diese Strategie des vertikalen Fokus verfolgen wir schon eine ganze Weile, zum Beispiel für die Finanzbran­che, Pharma oder Life Science. Das sind Akquisitio­nen für ganz bestimmte Industries­egmente, die Bedarf an ganz spezifisch­em Know-how haben. Wir machen das schon länger und werden es nun in der SaaS-Ära fortsetzen. Das ergibt viel Sinn.

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Auf Oracles Hausmesse OpenWorld war im September 2017 wieder jede Menge Betrieb. Unternehme­nsgründer Larry Ellison nutzte die große Bühne, um heftig gegen den neuen Erzfeind Amazon Web Services (AWS) auszuteile­n.

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