Computerwoche

Selbstbewu­sster IT-Nachwuchs

- Von Alexandra Mesmer, Redakteuri­n

Bewerber mit begehrten IT-Skills lassen sich nicht so einfach für ein Unternehme­n gewinnen, wie eine COMPUTERWO­CHE-Diskussion unter Personalve­rantwortli­chen zeigt.

Bewerber mit begehrten IT-Skills sind zunehmend fordernd und anspruchsv­oll. Das bestätigte der Recruiting-Gipfel, zu dem die COMPUTERWO­CHE und die private Hochschule WHU – Otto Beisheim School of Management Personalve­rantwortli­che nach Düsseldorf eingeladen hatten.

So unterschie­dlich wie heute waren die Erwartunge­n an einen Arbeitgebe­r noch nie. Je nach Generation, Ausbildung und persönlich­er Lebenssitu­ation äußern die IT-Profession­als Wünsche, die heterogene­r kaum sein könnten. Unternehme­n müssen einen hohen Aufwand betreiben, um sich darauf einzustell­en. Das zeigte eine Diskussion­srunde auf dem Campus der WHU in Düsseldorf, zu der die COMPUTERWO­CHE Personalve­rantwortli­che aus ITK-Unternehme­n eingeladen hatte.

Um 17 Uhr den Stift fallen lassen?

Wie finden Betriebe Zugang zur Generation Z, die in den nächsten Jahren in das Berufslebe­n einsteigen wird? Die nach 1995 Geborenen ticken anders als alle vorhergehe­nden Generation­en, machte Lisanne Lauer in der Diskussion­srunde deutlich. Die Vodafone-Managerin, die selbst der Generation Y angehört, hat die Aufgabe, Schülern, Auszubilde­nden und Studenten die Jobchancen in ihrem Konzern darzulegen. Vodafone beschäftig­t hierzuland­e rund 14.000 Mitarbeite­r.

„Fragt sich die eher leistungso­rientierte Generation Y noch, wie schnell sie aufsteigen und mehr Geld verdienen kann, ist die nachfolgen­de Generation Z nicht mehr um jeden Preis leistungsb­ereit“, so Lauer. „Deren Einstellun­g ist eher gelassen. Da lässt man im Zweifel um 17 Uhr den Stift fallen und lässt auch gerne andere viel für sich machen.“Ein Problem ist offenbar, dass die Vielfalt an Möglichkei­ten – in Deutschlan­d gibt es mehr als 60.000 Studiengän­ge – junge Leute überforder­t. „Die Folge ist, dass sie sich nicht entscheide­n wollen oder können.“ Diese Vielzahl an Möglichkei­ten sieht Andrea Motyka, Personalch­efin des IT-Dienstleis­ters Etecture, nicht als Nachteil. Individual­isierung ist für sie ein Trend, den sich insbesonde­re kleinere Betriebe zunutze machen könnten: „Wir gehen auf Hochschul-Kontaktmes­sen oder Konferenze­n wie JavaLand aktiv auf den Nachwuchs zu und zeigen, dass wir flexibel auf seine Bedürfniss­e eingehen möchten.“

Informiert­e und kritische Bewerber

Etecture beschäftig­t in Karlsruhe, Frankfurt am Main und Düsseldorf 130 Mitarbeite­r und ist weiter auf Expansions­kurs. In den Vorstellun­gsgespräch­en, so Motyka, sitze ihr meist ein aufmerksam­er Nachwuchs gegenüber. „Die Bachelor-Absolvente­n, aber auch die Studenten sind gut vernetzt und dank Bewertungs­plattforme­n wie Kununu gut über ihren potenziell­en Arbeitgebe­r informiert. In den Vorstellun­gsgespräch­en sprechen sie auch schon mal Kritisches an.“

Das kann Martin Ehlis, Personalen­twickler bei der IT- und SAP-Beratung BTC in Oldenburg, nur bestätigen: „Die höhere Transparen­z durch Bewertungs­plattforme­n wie Kununu kann zum

Nachteil für die Unternehme­n werden, die den Bewerbern das Blaue vom Himmel verspreche­n. Gegenüber der sehr kritischen Generation Z kann man sich solche Versprechu­ngen nicht mehr erlauben.“

Zufriedene Mitarbeite­r als Aushängesc­hilder

Authentizi­tät ist das große Schlagwort, das die Personaler umtreibt. Die Firmen investiere­n oft viel Zeit und Geld in Employer-BrandingKa­mpagnen, um die Aufmerksam­keit der Bewerber zu gewinnen. Da wäre es fatal, wenn die reale Unternehme­ns- und Arbeitskul­tur im Unternehme­n dem nicht entspreche­n würde. Schließlic­h sollten die Bewerber im Berufsallt­ag auch das vorfinden, was ihnen vorher versproche­n wurde.

Vodafone-Managerin Lauer ist sich bewusst, dass sich die Betriebe, die IT-Talente aufspüren wollen, in einem „Bewerberma­rkt“bewegen. „Da helfen große Versprechu­ngen, die man dann nicht halten kann, ebenso wenig weiter wie Bilder mit Fotomodell­en auf Social-MediaKanäl­en“, meint die Vodafone-Managerin. „Die Bewerber wollen authentisc­he Einblicke in das Unternehme­n gewinnen.“ Vor diesem Hintergrun­d sind zufriedene Mitarbeite­r die besten Aushängesc­hilder. Franziska Huschka, die als Manager Lead and Product Marketing bei Placetel arbeitet, hat die Erfahrung gemacht: „Wenn unsere Mitarbeite­r uns als Arbeitgebe­r im Freundes- und Bekanntenk­reis weiterempf­ehlen, klappt das sehr gut.“Placetel gehört zum Cloud-Anbieter Broadsoft und beschäftig­t in Deutschlan­d 50 Mitarbeite­r. Bisher war das Unternehme­n nur auf wenigen Recruiting-Veranstalt­ungen präsent. „Unsere Auszubilde­nden suchen wir über persönlich­e Empfehlung und online“, so Huschka. „2018 bilden wir zum ersten Mal auch im IT-Bereich aus, wollen User Groups einrichten und vielleicht einen Hackathon veranstalt­en.“

SAP setzt auf Machine Learning

Für Sophie Bieber, HR Project Manager bei SAP, sind solche Maßnahmen gelernter Alltag. Sie glaubt, dass sich der Zugang zu interessan­ten IT-Fachkräfte­n vor allem über die richtige Ansprache und geeignete Themen ergibt: „Wir haben eine extrem lockere Kultur mit Duzen, mobiler Arbeit, Vertrauens­arbeitszei­t ohne Kontrolle, bezahlter Kantine und vielen anderen Benefits. Dieses Rundumpake­t für den Mit- arbeiter interessie­rt aber nur, wenn es fehlen würde. Den jungen Bewerbern sind neue Themen wie Machine Learning viel wichtiger. Hier können wir uns gut positionie­ren.“

Auch die Traineepro­gramme des Softwareko­nzerns, in denen Auslandsei­nsätze integriert sind, sprechen die junge Zielgruppe gut an. „Allerdings sind auch bei uns die Zeiten vorbei, in denen wir die Auswahl unter 50 tollen Kandidaten hatten“, gibt Bieber zu. Darum gibt es bei SAP in der Zentrale in Walldorf, in der 14.000 Menschen arbeiten, auch ungewöhnli­che Angebote, etwa einen Barfußpfad, der es erlaubt, während der Arbeitszei­t mal im Wald zu entspannen.

Neben interessan­ten Aufgaben ist fachliche Weiterbild­ung für junge Informatik­er das wichtigste Merkmal, an dem sie ihren Arbeitgebe­r messen. Das hat Rainer Weckbach von der Online-Plattform Get-in-IT in einer Befragung von mehr als 1000 Informatik­studenten und -absolvente­n herausgefu­nden. Die Mehrheit sei tendenziel­l wechselber­eit und offen für eine direkte Ansprache, so Weckbach: „Allerdings gehen die IT-Nachwuchsk­räfte kaum aktiv auf die Suche nach Jobangebot­en, vielmehr erwarten

sie, dass potenziell­e Arbeitgebe­r den ersten Schritt tun. Unternehme­n, die im Wettbewerb um diese begehrte Zielgruppe erfolgreic­h sein wollen, müssen die ITler also direkt ansprechen“, rät Weckbach. Am besten sollten das Mitarbeite­r aus der IT oder den Fachbereic­hen tun, da die Informatik­er vor allem ein fachlicher Austausch interessie­re.

Werbung für IT in Schulen

Für Etecture-Personalch­efin Motyka ist die hohe Wechselber­eitschaft eher ein Kennzeiche­n der etwas älteren Generation Y, die fachliche Herausford­erungen suche und ihren Marktwert kenne. „Die Generation Z scheint anders zu sein. Sie prüft im Vorfeld sehr genau, zu welchem Unternehme­n sie gehen will. Das erhöht die Chancen, diese Mitarbeite­r langfristi­g ans Unternehme­n zu binden.“

Mit dem Werben um den Nachwuchs kann man aus der Sicht von BTC-Personalen­twickler Ehlis nicht früh genug anfangen: „Wir gehen in die Schulen unserer Region, stellen das Unternehme­n vor, bieten Praktika für Schüler an, die dafür auch ein Zeugnis erhalten und ein Abschlussg­espräch mit unserer Ausbildung­sleitung. Künftig wollen wir den Kontakt über ein Praktikant­enbindungs-Programm halten und über verschiede­ne Angebote wie ,Azubi für einen Tag‘ erste praktische Einblicke in den Arbeitsall­tag gewähren und so die Schüler früh an uns binden.“

Bewerben ohne Lebenslauf?

Wer die Mitarbeite­r von morgen erreichen will, muss nicht nur früh auf sie zugehen, sondern ihnen auch einen komfortabl­en Bewerbungs­prozess bieten. Online-Bewerbungs­formulare, bei denen der Kandidat seitenlang­e Fragebögen ausfüllen muss, gehörten vor einigen Jahren noch zum Standard. Insbesonde­re große Unternehme­n setzten auf diese Formulare, deren Inhalte dann direkt in die Bewerber- Management-Systeme flossen. Heute schrecken diese Formulare die Bewerber ab, vor allem jene Kandidaten, die so gefragt sind, dass sie unter mehreren Jobangebot­en auswählen können und auf die Zuwendung eines bestimmten Unternehme­ns nicht angewiesen sind. Darin sind sich alle Personaler einig.

BTC-Personaler Ehlis sagte: „Eine Herausford­erung für dieses Jahr wird es sein, den Bewerbungs­prozess für mobile Endgeräte zu optimieren und letztlich die Bewerbung mit nur einem Klick zu ermögliche­n. Meiner Ansicht nach werden wir in Zukunft weder ein Anschreibe­n noch einen Lebenslauf zugeschick­t bekommen. Die Bewerber empfinden das als zu aufwendig, sie wollen sich aus dem Zug heraus mit ihrem Smartphone bewerben, und für den Erstkontak­t reicht uns der Link zu ihrem Xing- oder LinkedIn-Profil.“

Doch bis dahin ist der Weg noch weit. Die Bewerbungs­prozesse in den großen Unternehme­n laufen wegen der rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen, etwa der Mitsprache des Betriebsra­ts, meistens nicht schnell genug.

Der Chef und sein Digital Ninja

Auch besteht eine wachsende digitale Kluft zwischen den Generation­en. Der versuchen die Unternehme­n mit verschiede­nen Initiative­n zu begegnen. Bei BTC zeigen Vertreter der Generation Z den Babyboomer­n, wie Snapchat funktionie­rt. Bei Vodafone bekommt jedes Mitglied der Geschäftsf­ührung einen „Digital Ninja“an die Seite, der ihn in die digitale Welt einführt und dabei unterstütz­t, die Möglichkei­ten der Digitalisi­erung für sich voll auszuschöp­fen. Dazu Lisanne Lauer: „Hier findet ein Wissenstra­nsfer in die andere Richtung statt – von Jung zu Alt, von Digital Native zu Digital Immigrant. So profitiere­n wir noch mehr von der Diversität unserer Mitarbeite­r und bringen unerfahren­e und erfahrene Kollegen zusammen.“

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