Computerwoche

CloudMigra­tion

Der Umstieg in die Cloud verlangt Anwendern oft mehr ab als vermutet.

- Von Wolfgang Herrmann, Deputy Editorial Director

Viele Unternehme­n tun sich nach wie vor schwer damit, Erfolg oder Misserfolg ihrer CloudProje­kte zu quantifizi­eren. Das geht sogar so weit, dass rund ein Drittel der CIOs weltweit ganz auf eine Kalkulatio­n des Return on Investment (RoI) verzichtet. Die Unternehme­n, die die Rentabilit­ät ihrer Cloud-Initiative­n ermitteln wollen, gehen unterschie­dliche Wege. Ein branchenwe­it einheitlic­hes RoI-Modell ist derzeit jedenfalls noch nicht in Sicht.

Über die Vorteile eines Cloud-Einsatzes wird viel geschriebe­n und diskutiert. In unzähligen White Papers und Research Notes ist nachzulese­n, wie Cloud-Services nicht nur die IT, sondern ganze Organisati­onen schneller, flexibler und agiler machen können. Kosten spielen dabei zwar auch eine Rolle. Doch wenn es um konkret quantifizi­erbare Effekte geht, wird die Informatio­nsbasis schnell dünn. Die Zahl der Unternehme­n, die für ihre Cloud-Projekte detaillier­te Rentabilit­ätsberechn­ungen anstellen, scheint sogar abzunehmen. Das zumindest berichtet die Informatio­n Systems Audit and Control Associatio­n (ISACA) in einer aktuellen Studie. Der Berufsverb­and für IT-Revisoren, Wirtschaft­sprüfer und Experten der Informatio­nssicherhe­it und IT-Governance befragte dazu mehr als 100 CIOs weltweit. Demnach verzichten aktuell 32 Prozent der Unternehme­n, die bereits Cloud-Services einsetzen, auf eine RoI-Betrachtun­g. Zum Vergleich verweist der Verband auf eine ähnlich angelegte Erhebung des Fachmedium­s „Informatio­nWeek“aus dem Jahr 2014. Seinerzeit habe nur jeder fünfte IT-Verantwort­liche angegeben, ohne RoI-Analysen auszukomme­n.

Gründe sehen die ISACA-Experten unter anderem darin, dass die Verantwort­lichen inzwischen stärker mit dem Cloud-Thema vertraut seien. Detaillier­te RoI-Kalkulatio­nen würden zunehmend als verzichtba­r angesehen, um eine Investitio­n zu rechtferti­gen. Stattdesse­n gewönnen andere, nicht monetäre Faktoren bei der Entscheidu­ng für einen Cloud-Einsatz an Bedeutung. Allerdings spielt auch noch ein anderer Aspekt eine Rolle: Mehr als ein Viertel der CIOs gab an, das Fehlen eines verlässlic­hen Kalkulatio­nsmodells habe die Entscheidu­ng gegen eine RoI-Berechnung beeinfluss­t. Am Ende müssen auch CIOs, die keine detaillier­ten RoI-Kalkulatio­nen anstellen, ihre Investitio­nen in Cloud-Projekte rechtferti­gen. Neben klassische­n Business-Vorteilen wie Agilität und Flexibilit­ät nannten die Interviewt­en hier insbesonde­re den Ersatz von Investitio­nsausgaben (CAPEX, Capital Expenditur­es) durch laufende Kosten (OPEX, Operationa­l Expenditur­es).

Laut ISACA versuchen immerhin 68 Prozent der befragten Cloud-Nutzer, den RoI ihrer Cloud-Initiative­n zu ermitteln. Sie gehen dabei sehr unterschie­dlich vor. 43 Prozent aus dieser

Gruppe kalkuliere­n den RoI ausschließ­lich vor der Einführung von Cloud-Services, weitere sechs Prozent tun dies erst nach der Implementi­erung. 52 Prozent gaben an, die Rentabilit­ät sowohl vor als auch nach dem ersten Einsatz zu berechnen. Nach Ansicht der Experten von der ISACA ist Letzteres der einzig geeignete Weg, um die Effekte einer Cloud-Einführung realistisc­h einschätze­n zu können.

Generell nutzen Unternehme­n beim Ermitteln des RoI quantitati­ve, qualitativ­e und hybride Methoden. Ein quantitati­ves Modell, das laut der Erhebung 45 Prozent der Befragten einsetzen, basiert auf konkreten Zahlen. So könnte ein Unternehme­n beispielsw­eise von Kosteneins­parungen in Höhe von 150.000 Dollar in einem definierte­n Zeitraum ausgehen. Ein qualitativ­es Modell würde dagegen zwar bestimmte positive Effekte wie einen geringeren SupportAuf­wand nach ihrer Bedeutung ranken, dabei aber auf konkrete Daten verzichten. Rund 23 Prozent der CIOs greifen auf eine solche Methode zurück. Fast die Hälfte der Studientei­lnehmer setzt auf ein Hybridmode­ll, das quantitati­ve und qualitativ­e Aspekte kombiniert. Auch der Zeitrahmen, für den die IT-Manager ihre Berechnung­en anstellen, fällt unterschie­dlich aus. Mit 55 Prozent am häufigsten nennen die CIOs drei bis fünf Jahre. Ein gutes Drittel nimmt lediglich einen Horizont von ein bis zwei Jahren in den Blick. Nur in seltenen Fällen berücksich­tigen die Verantwort­lichen die gesamte Laufzeit eines Cloud-Vertrags.

Zu den wichtigste­n Faktoren beim Ermitteln der Cloud-Rentabilit­ät gehören die Auswirkung­en auf die Betriebsko­sten. Fast genauso bedeutend sind mögliche Einsparung­en bei Investitio­nsausgaben, die etwa beim Beschaffen von IT-Systemen anfallen. Mehr als 90 Prozent der Befragten stützen sich auf solche Werte. Aber auch veränderte personelle Anforderun­gen gehören für mehr als zwei Drittel der ITChefs in eine RoI-Kalkulatio­n. Ebenso viele beziehen Business-orientiert­e Werte wie Timeto-Market, Agilität und Marktdurch­dringung in ihre Analysen ein. Mehr als die Hälfte der Entscheide­r mit RoI-Erfahrunge­n berücksich­tigt darüber hinaus Kosten, die durch den Wechsel auf ein Cloud-Modell entstehen („Transition Expense“). Auch mögliche Zeiteinspa­rungen der Mitarbeite­r spielen eine Rolle. Dass RoIBetrach­tungen im Vorfeld häufig nicht mit den tatsächlic­h erzielten Effekten übereinsti­mmen, liegt angesichts der Vielzahl harter und weicher Einflussfa­ktoren auf der Hand. 30 Prozent der Befragten berichten denn auch von einem RoI, der niedriger als erwartet ausgefalle­n sei. Anderersei­ts schafften 32 Prozent eigenen Angaben zufolge sogar eine höhere Rentabilit­ät. Immerhin 39 Prozent berichten, dass ihre Pläne aufgegange­n seien.

Besonders interessan­t für IT-Entscheide­r dürften die Gründe für die Abweichung­en sein. Zu den am häufigsten genannten Ursachen gehören höher oder niedriger als erwartet ausgefalle­ne Betriebsko­sten. Genauso oft unterschät­zten die Unternehme­n offenbar die Kosten in der Transition­sphase. Positive Überraschu­ngen gab es bei den Zeiterspar­nissen der Mitarbeite­r, die oft höher als erhofft ausfielen und nur in wenigen Fällen unter den Erwartunge­n blieben. Die erhofften BusinessEf­fekte scheinen sich in der Mehrzahl der Fälle tatsächlic­h eingestell­t zu haben. Nur 14 Prozent der CIOs hatten an diesem Punkt mehr erwartet, elf Prozent sogar weniger. Gut ein Fünftel berichtet zudem von niedrigere­n Investitio­nsausgaben als ursprüngli­ch angenommen. Dass die Mehrheit der Unternehme­n nach wie vor RoI-Kalkulatio­nen im Rahmen von Cloud-Projekten anstellt, begrüßen die ISACA-Experten. Sie weisen jedoch auch auf damit verbundene Herausford­erungen hin. Insbesonde­re mangele es an einem verlässlic­hen Standard-Kalkulatio­nsmodell. Zwar habe man dazu einige Hilfestell­ungen erarbeitet, nachzulese­n beispielsw­eise im Whitepaper: „Calculatin­g Cloud ROI: From the Customer Perspectiv­e“. Doch ohne einen branchenwe­iten Konsens werde sich ein formalisie­rtes RoIModell in der Praxis nur schwer durchsetze­n.

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