CloudMigration
Der Umstieg in die Cloud verlangt Anwendern oft mehr ab als vermutet.
Viele Unternehmen tun sich nach wie vor schwer damit, Erfolg oder Misserfolg ihrer CloudProjekte zu quantifizieren. Das geht sogar so weit, dass rund ein Drittel der CIOs weltweit ganz auf eine Kalkulation des Return on Investment (RoI) verzichtet. Die Unternehmen, die die Rentabilität ihrer Cloud-Initiativen ermitteln wollen, gehen unterschiedliche Wege. Ein branchenweit einheitliches RoI-Modell ist derzeit jedenfalls noch nicht in Sicht.
Über die Vorteile eines Cloud-Einsatzes wird viel geschrieben und diskutiert. In unzähligen White Papers und Research Notes ist nachzulesen, wie Cloud-Services nicht nur die IT, sondern ganze Organisationen schneller, flexibler und agiler machen können. Kosten spielen dabei zwar auch eine Rolle. Doch wenn es um konkret quantifizierbare Effekte geht, wird die Informationsbasis schnell dünn. Die Zahl der Unternehmen, die für ihre Cloud-Projekte detaillierte Rentabilitätsberechnungen anstellen, scheint sogar abzunehmen. Das zumindest berichtet die Information Systems Audit and Control Association (ISACA) in einer aktuellen Studie. Der Berufsverband für IT-Revisoren, Wirtschaftsprüfer und Experten der Informationssicherheit und IT-Governance befragte dazu mehr als 100 CIOs weltweit. Demnach verzichten aktuell 32 Prozent der Unternehmen, die bereits Cloud-Services einsetzen, auf eine RoI-Betrachtung. Zum Vergleich verweist der Verband auf eine ähnlich angelegte Erhebung des Fachmediums „InformationWeek“aus dem Jahr 2014. Seinerzeit habe nur jeder fünfte IT-Verantwortliche angegeben, ohne RoI-Analysen auszukommen.
Gründe sehen die ISACA-Experten unter anderem darin, dass die Verantwortlichen inzwischen stärker mit dem Cloud-Thema vertraut seien. Detaillierte RoI-Kalkulationen würden zunehmend als verzichtbar angesehen, um eine Investition zu rechtfertigen. Stattdessen gewönnen andere, nicht monetäre Faktoren bei der Entscheidung für einen Cloud-Einsatz an Bedeutung. Allerdings spielt auch noch ein anderer Aspekt eine Rolle: Mehr als ein Viertel der CIOs gab an, das Fehlen eines verlässlichen Kalkulationsmodells habe die Entscheidung gegen eine RoI-Berechnung beeinflusst. Am Ende müssen auch CIOs, die keine detaillierten RoI-Kalkulationen anstellen, ihre Investitionen in Cloud-Projekte rechtfertigen. Neben klassischen Business-Vorteilen wie Agilität und Flexibilität nannten die Interviewten hier insbesondere den Ersatz von Investitionsausgaben (CAPEX, Capital Expenditures) durch laufende Kosten (OPEX, Operational Expenditures).
Laut ISACA versuchen immerhin 68 Prozent der befragten Cloud-Nutzer, den RoI ihrer Cloud-Initiativen zu ermitteln. Sie gehen dabei sehr unterschiedlich vor. 43 Prozent aus dieser
Gruppe kalkulieren den RoI ausschließlich vor der Einführung von Cloud-Services, weitere sechs Prozent tun dies erst nach der Implementierung. 52 Prozent gaben an, die Rentabilität sowohl vor als auch nach dem ersten Einsatz zu berechnen. Nach Ansicht der Experten von der ISACA ist Letzteres der einzig geeignete Weg, um die Effekte einer Cloud-Einführung realistisch einschätzen zu können.
Generell nutzen Unternehmen beim Ermitteln des RoI quantitative, qualitative und hybride Methoden. Ein quantitatives Modell, das laut der Erhebung 45 Prozent der Befragten einsetzen, basiert auf konkreten Zahlen. So könnte ein Unternehmen beispielsweise von Kosteneinsparungen in Höhe von 150.000 Dollar in einem definierten Zeitraum ausgehen. Ein qualitatives Modell würde dagegen zwar bestimmte positive Effekte wie einen geringeren SupportAufwand nach ihrer Bedeutung ranken, dabei aber auf konkrete Daten verzichten. Rund 23 Prozent der CIOs greifen auf eine solche Methode zurück. Fast die Hälfte der Studienteilnehmer setzt auf ein Hybridmodell, das quantitative und qualitative Aspekte kombiniert. Auch der Zeitrahmen, für den die IT-Manager ihre Berechnungen anstellen, fällt unterschiedlich aus. Mit 55 Prozent am häufigsten nennen die CIOs drei bis fünf Jahre. Ein gutes Drittel nimmt lediglich einen Horizont von ein bis zwei Jahren in den Blick. Nur in seltenen Fällen berücksichtigen die Verantwortlichen die gesamte Laufzeit eines Cloud-Vertrags.
Zu den wichtigsten Faktoren beim Ermitteln der Cloud-Rentabilität gehören die Auswirkungen auf die Betriebskosten. Fast genauso bedeutend sind mögliche Einsparungen bei Investitionsausgaben, die etwa beim Beschaffen von IT-Systemen anfallen. Mehr als 90 Prozent der Befragten stützen sich auf solche Werte. Aber auch veränderte personelle Anforderungen gehören für mehr als zwei Drittel der ITChefs in eine RoI-Kalkulation. Ebenso viele beziehen Business-orientierte Werte wie Timeto-Market, Agilität und Marktdurchdringung in ihre Analysen ein. Mehr als die Hälfte der Entscheider mit RoI-Erfahrungen berücksichtigt darüber hinaus Kosten, die durch den Wechsel auf ein Cloud-Modell entstehen („Transition Expense“). Auch mögliche Zeiteinsparungen der Mitarbeiter spielen eine Rolle. Dass RoIBetrachtungen im Vorfeld häufig nicht mit den tatsächlich erzielten Effekten übereinstimmen, liegt angesichts der Vielzahl harter und weicher Einflussfaktoren auf der Hand. 30 Prozent der Befragten berichten denn auch von einem RoI, der niedriger als erwartet ausgefallen sei. Andererseits schafften 32 Prozent eigenen Angaben zufolge sogar eine höhere Rentabilität. Immerhin 39 Prozent berichten, dass ihre Pläne aufgegangen seien.
Besonders interessant für IT-Entscheider dürften die Gründe für die Abweichungen sein. Zu den am häufigsten genannten Ursachen gehören höher oder niedriger als erwartet ausgefallene Betriebskosten. Genauso oft unterschätzten die Unternehmen offenbar die Kosten in der Transitionsphase. Positive Überraschungen gab es bei den Zeitersparnissen der Mitarbeiter, die oft höher als erhofft ausfielen und nur in wenigen Fällen unter den Erwartungen blieben. Die erhofften BusinessEffekte scheinen sich in der Mehrzahl der Fälle tatsächlich eingestellt zu haben. Nur 14 Prozent der CIOs hatten an diesem Punkt mehr erwartet, elf Prozent sogar weniger. Gut ein Fünftel berichtet zudem von niedrigeren Investitionsausgaben als ursprünglich angenommen. Dass die Mehrheit der Unternehmen nach wie vor RoI-Kalkulationen im Rahmen von Cloud-Projekten anstellt, begrüßen die ISACA-Experten. Sie weisen jedoch auch auf damit verbundene Herausforderungen hin. Insbesondere mangele es an einem verlässlichen Standard-Kalkulationsmodell. Zwar habe man dazu einige Hilfestellungen erarbeitet, nachzulesen beispielsweise im Whitepaper: „Calculating Cloud ROI: From the Customer Perspective“. Doch ohne einen branchenweiten Konsens werde sich ein formalisiertes RoIModell in der Praxis nur schwer durchsetzen.