Die eine Plattform für das Internet of Things gibt es nicht
An IoT-Plattformen herrscht mittlerweile kein Mangel mehr. Doch die Ansätze der einzelnen Anbieter unterscheiden sich stark voneinander, wie unsere Beispiele Fujitsu, SAP, Software AG und Cisco zeigen.
Sie suchen eine passende IoT-Plattform? Keine Sorge, da sollte sich etwas Passendes finden lassen, denn alleine in den letzten zwölf Monaten explodierte die Zahl der Anbieter von 400 auf 600. Ihnen schwebt eine spezielle App für Ihre branchenspezifische IoTAnwendung vor? Kein Problem, immer mehr Anbieter bauen eigenes vertikales Know-how zusätzlich zu ihrem IT-Know-how auf und setzen bei ihren Lösungen eigene Schwerpunkte. Sie sind auf der Suche nach Inspirationen für eigene IoT-Projekte? Auch keine Schwierigkeit, das Gros der IoT-Anbieter verweist mittlerweile auf „Success Stories“und Proof of Concepts (POC), so dass sich für jede Branche Ideen für den IoT-Einsatz finden lassen, die über das oft zitierte Thema Predictive Maintenance hinausgehen. Dabei verfolgen die Anbieter durchaus unterschiedliche Ansätze, wie unsere Beispiele von Fujitsu, der Software AG mit Cumulocity, SAP und Cisco Jasper zeigen. IoT in Toyota-Fahrzeugen
Ein vertikales IoT-Szenario realisiert etwa Fujitsu mit Toyota. Mit im Boot sind zudem noch andere Partner wie VMware. Mit dem IoT-Projekt will der Autobauer weltweit die Zahl seiner Rückrufaktionen reduzieren – das poliert nicht nur das Image auf, sondern senkt auch die Kosten. Startschuss für das Projekt ist noch in diesem Jahr.
Was die Japaner dabei vorhaben, ist auf den ersten Blick keine Raketenwissenschaft. Über eine Hybrid Cloud will Toyota weltweit Software-Updates und -Ergänzungen an seine Fahrzeuge überspielen. Ein Service, der für jedes Fahrzeug mindestens 15 Jahre zur Verfügung stehen soll, danach könnte er eventuell als kostenpflichtiger Dienst extra gebucht werden. Was auf den ersten Blick relativ einfach klingt, birgt im Verborgenen etliche Stolpersteine, denn zum einen muss die sichere Übertragung der Software gewährleistet sein, zum anderen ist die Auslieferung zu steuern, da je nach Land und Ausstattung unterschiedliche ReleaseStände erforderlich sind. Und zu guter Letzt muss noch sichergestellt werden, dass die Software nicht manipuliert ist, weshalb sie von den OEMs wie etwa Bosch, Valeo oder Continental zu signieren ist.
Um zudem den Spagat zwischen hoher Skalierbarkeit und Datensouveränität zu bewältigen, entschied sich Toyota für einen HybridCloud-Ansatz, bei dem die per VMware virtualisierten Server in den Rechenzentren des Autobauers gehostet werden. In den Fahrzeugen selbst setzt Toyota auf die Intelliedge-Technologie von Fujitsu. Sie fungiert als eine Art IoT-Gateway und stellt verschiedene Kommunikationskanäle zum Fahrzeug bereit. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass etwa die Kommunikation zwischen Hersteller-Server und sicherheitsrelevanten Komponenten (ECUs) strikt von der Kommunikation weniger kritischer Systeme wie etwa der Multimedia-Head-Unit getrennt ist.
Kuka vernetzt Roboter mit Fujitsu-Hilfe
Intelliedge kommt allerdings nicht nur im Auto selbst zum Einsatz, sondern auch beim Fahrzeugbau. Kuka verwendet das IoTGateway etwa zur Vernetzung seiner Roboter. In der Industrieversion verfügt Intelliedge über vier virtuelle Maschinen, die auch für den Access Control zuständig sind. Gleichzeitig können die Gateways als Edge-Computing-Devices dienen, um etwa durch eine erste Analyse vor Ort die Menge der zu übertragenden Daten zu reduzieren. Ergänzt wird das Intelliedge-System durch Machine Learning in der Cloud, um so etwa im Fall Kuka mögliche Fehler bei einem Roboter schneller zu erkennen und Änderungen an der Programmierung per Cloud schnell und effizient auszurollen.
Integration ohne Programmieren
Dass die Integration von Sensoren und anderen Devices in ein IoTSzenario kein Hexenwerk ist, verspricht die Software-AG-Tochter Cumulocity unter dem Stichwort „Codeless Integration“. Laut eigenen Angaben unterstützt die IoT-Plattform über 100 der auf dem Shopfloor üblichen Feldprotokolle. Damit lasse sich fast jedes Gerät integrieren. Als Baukasten konzipiert, bietet das System verschiedenste APIs, um etwa Soft- und Hardwaremodule von Dritten anzubinden. Dass diese Möglichkeit genutzt wird, zeigt die Beliebtheit von Cumulocity bei den Telcos. Große Carrier wie etwa die australische Telstra oder die Deutsche Telekom nutzen die Plattform zur Realisierung ihrer eigenen IoT-Umgebungen. Diese vermarkten sie dann als IoT as a Service unter ihrem eigenen Label weiter an ihre Kunden.
Mit der Plattform führte Cumulocity auch ein neues Abrechnungsmodell ein: Zwar ist das übliche Subscription-Modell noch verfügbar, doch Anbieter bevorzugen eine Consumption-orientierte Abrechnung. Zu Beginn hat dieses Modell für einen IoT-Anwender durchaus Vorteile: Da nur wenige Devices angebunden sind, zahlt
er entsprechend wenig. Mit wachsendem Erfolg, also einer steigenden Zahl an vernetzten Geräten, profitiert aber Cumulocity, denn damit gehen automatisch die zu entrichtenden Gebühren in die Höhe.
Bei SAP sieht man das Thema Mobile als sehr guten Startpunkt für die digitale Transformation. Per Smartphone und mobile App könne die Prozessumstellung von Papier auf digital relativ einfach bewältigt werden. Außerdem stoße sie bei den Anwendern auf wenig Ablehnung, da sich die User Experience kaum vom privaten Smartphone-Gebrauch unterscheide. Zudem lasse sich mit den mobilen Geräten die Datenqualität erhöhen. Noch eine andere Eigenschaft der Smartphones spielt beim Business-Einsatz eine Rolle: die Kamera. Sehr oft, so hat man bei SAP beobachtet, drehen sich IoT- und Digitalisierungsprojekte um die Bilderkennung. Ebenso ist hier Machine Learning ein Thema, da es in vielen Use Cases um eine Mustererkennung geht.
Smartphone-Kamera als Digitalisierungs-Tool
Diese verwendet etwa ein Schmuckhersteller, um 600 unterschiedliche Schmuckstücke zu erkennen und Fehler bei der Reklamation automatisch zu finden. Ein anderes breites Einsatzfeld sind Ersatzteillager und die Erfassung der einzelnen Stücke, die dort lagern. Doch selbst im Schuhgeschäft lässt sich mit Hilfe von Smartphone und Kamera eine digitale Prozesskette erstellen. Etwa wenn die Schuhgröße der Kundin per Smartphone-Kamera vermessen wird und dann digital im Warenwirtschaftssystem nach High Heels in der passenden Größe gesucht wird.
Eine andere Anwendung ist ein Prototyp beim Möbelhaus XXL Lutz. Dort dient die Digitaltechnik dazu, eine durchgängige Kette vom Laden bis ins Web ohne analoge Lücken zu realisieren. Ziel ist es dabei, Abverkäufe aus den Läden zu vereinfachen. Produkte, die länger stehen, werden einfach per Smartphone fotografiert. Die App sucht dann in den Datenbanken nach den passenden Produktinformationen und unterbreitet Preisvorschläge für das Möbelstück. Diese Informationen lassen sich direkt inklusive Foto in den Webshop einpflegen.
Bei der Realisierung dieser Szenarien setzt SAP in Sachen Hardware auf Apples iPhone. Die Walldorfer begründen ihre Entscheidung unter anderem damit, dass die Geräte zum einen sehr stark in den Unternehmen verbreitet seien, zum anderen über verschiedene Modellreihen hinweg eine sehr einheitliche Device-Funktionalität hätten. Des Weiteren spreche für das iPhone die User Experience sowie die Möglichkeit, ein Software-Development-Kit (SDK) anzubieten, das eine End-to-End-Entwicklung vom Fingerabdruck-Sensor bis ins Backend in der Cloud erlaube.
Management-Plattform für NB-IoT
Bei Jasper, respektive Cisco IoT, steht dagegen im Vordergrund, das Edge (also Geräte wie Smart Meter, Wasserzähler etc.) mit dem BusinessMiddle-Layer zu verbinden. Dazu propagiert das Unternehmen mit Kinetic seine IoT-Plattform, die folgende Aufgaben lösen soll: Connect, Extract, Compute und Move der Daten. Dabei verspricht der Hersteller durch das Edge Computing eine Reduzierung der Daten um 20 bis 30 Prozent – als Minimum. Zur weiteren Verarbeitung der IoT-Daten auf den höheren Applikations-Layern verweist Cisco auf Partner wie AWS, Google, Microsoft Azure, Watson IoT, OSIsoft oder Rockwell.
Um die Verbindung der verschiedenen IoTDevices effizient verwalten zu können, hat das Unternehmen die Connectivity-ManagementPlattform Cisco Jasper Control Center für NBIoT entwickelt. Mit ihr können Unternehmen sowohl NB-IoT- als auch Mobilfunkgeräte managen. Mit China Unicom hat sich bereits ein großer Carrier zu der Plattform bekannt. Die Chinesen wollen damit bis 2020 über 100 Millionen NB-IoT-Verbindungen in ihrem Netz verknüpfen.