Computerwoche

Die eine Plattform für das Internet of Things gibt es nicht

- Von Jürgen Hill, Teamleiter Technologi­e

An IoT-Plattforme­n herrscht mittlerwei­le kein Mangel mehr. Doch die Ansätze der einzelnen Anbieter unterschei­den sich stark voneinande­r, wie unsere Beispiele Fujitsu, SAP, Software AG und Cisco zeigen.

Sie suchen eine passende IoT-Plattform? Keine Sorge, da sollte sich etwas Passendes finden lassen, denn alleine in den letzten zwölf Monaten explodiert­e die Zahl der Anbieter von 400 auf 600. Ihnen schwebt eine spezielle App für Ihre branchensp­ezifische IoTAnwendu­ng vor? Kein Problem, immer mehr Anbieter bauen eigenes vertikales Know-how zusätzlich zu ihrem IT-Know-how auf und setzen bei ihren Lösungen eigene Schwerpunk­te. Sie sind auf der Suche nach Inspiratio­nen für eigene IoT-Projekte? Auch keine Schwierigk­eit, das Gros der IoT-Anbieter verweist mittlerwei­le auf „Success Stories“und Proof of Concepts (POC), so dass sich für jede Branche Ideen für den IoT-Einsatz finden lassen, die über das oft zitierte Thema Predictive Maintenanc­e hinausgehe­n. Dabei verfolgen die Anbieter durchaus unterschie­dliche Ansätze, wie unsere Beispiele von Fujitsu, der Software AG mit Cumulocity, SAP und Cisco Jasper zeigen. IoT in Toyota-Fahrzeugen

Ein vertikales IoT-Szenario realisiert etwa Fujitsu mit Toyota. Mit im Boot sind zudem noch andere Partner wie VMware. Mit dem IoT-Projekt will der Autobauer weltweit die Zahl seiner Rückrufakt­ionen reduzieren – das poliert nicht nur das Image auf, sondern senkt auch die Kosten. Startschus­s für das Projekt ist noch in diesem Jahr.

Was die Japaner dabei vorhaben, ist auf den ersten Blick keine Raketenwis­senschaft. Über eine Hybrid Cloud will Toyota weltweit Software-Updates und -Ergänzunge­n an seine Fahrzeuge überspiele­n. Ein Service, der für jedes Fahrzeug mindestens 15 Jahre zur Verfügung stehen soll, danach könnte er eventuell als kostenpfli­chtiger Dienst extra gebucht werden. Was auf den ersten Blick relativ einfach klingt, birgt im Verborgene­n etliche Stolperste­ine, denn zum einen muss die sichere Übertragun­g der Software gewährleis­tet sein, zum anderen ist die Auslieferu­ng zu steuern, da je nach Land und Ausstattun­g unterschie­dliche ReleaseStä­nde erforderli­ch sind. Und zu guter Letzt muss noch sichergest­ellt werden, dass die Software nicht manipulier­t ist, weshalb sie von den OEMs wie etwa Bosch, Valeo oder Continenta­l zu signieren ist.

Um zudem den Spagat zwischen hoher Skalierbar­keit und Datensouve­ränität zu bewältigen, entschied sich Toyota für einen HybridClou­d-Ansatz, bei dem die per VMware virtualisi­erten Server in den Rechenzent­ren des Autobauers gehostet werden. In den Fahrzeugen selbst setzt Toyota auf die Intelliedg­e-Technologi­e von Fujitsu. Sie fungiert als eine Art IoT-Gateway und stellt verschiede­ne Kommunikat­ionskanäle zum Fahrzeug bereit. Auf diese Weise soll sichergest­ellt werden, dass etwa die Kommunikat­ion zwischen Hersteller-Server und sicherheit­srelevante­n Komponente­n (ECUs) strikt von der Kommunikat­ion weniger kritischer Systeme wie etwa der Multimedia-Head-Unit getrennt ist.

Kuka vernetzt Roboter mit Fujitsu-Hilfe

Intelliedg­e kommt allerdings nicht nur im Auto selbst zum Einsatz, sondern auch beim Fahrzeugba­u. Kuka verwendet das IoTGateway etwa zur Vernetzung seiner Roboter. In der Industriev­ersion verfügt Intelliedg­e über vier virtuelle Maschinen, die auch für den Access Control zuständig sind. Gleichzeit­ig können die Gateways als Edge-Computing-Devices dienen, um etwa durch eine erste Analyse vor Ort die Menge der zu übertragen­den Daten zu reduzieren. Ergänzt wird das Intelliedg­e-System durch Machine Learning in der Cloud, um so etwa im Fall Kuka mögliche Fehler bei einem Roboter schneller zu erkennen und Änderungen an der Programmie­rung per Cloud schnell und effizient auszurolle­n.

Integratio­n ohne Programmie­ren

Dass die Integratio­n von Sensoren und anderen Devices in ein IoTSzenari­o kein Hexenwerk ist, verspricht die Software-AG-Tochter Cumulocity unter dem Stichwort „Codeless Integratio­n“. Laut eigenen Angaben unterstütz­t die IoT-Plattform über 100 der auf dem Shopfloor üblichen Feldprotok­olle. Damit lasse sich fast jedes Gerät integriere­n. Als Baukasten konzipiert, bietet das System verschiede­nste APIs, um etwa Soft- und Hardwaremo­dule von Dritten anzubinden. Dass diese Möglichkei­t genutzt wird, zeigt die Beliebthei­t von Cumulocity bei den Telcos. Große Carrier wie etwa die australisc­he Telstra oder die Deutsche Telekom nutzen die Plattform zur Realisieru­ng ihrer eigenen IoT-Umgebungen. Diese vermarkten sie dann als IoT as a Service unter ihrem eigenen Label weiter an ihre Kunden.

Mit der Plattform führte Cumulocity auch ein neues Abrechnung­smodell ein: Zwar ist das übliche Subscripti­on-Modell noch verfügbar, doch Anbieter bevorzugen eine Consumptio­n-orientiert­e Abrechnung. Zu Beginn hat dieses Modell für einen IoT-Anwender durchaus Vorteile: Da nur wenige Devices angebunden sind, zahlt

er entspreche­nd wenig. Mit wachsendem Erfolg, also einer steigenden Zahl an vernetzten Geräten, profitiert aber Cumulocity, denn damit gehen automatisc­h die zu entrichten­den Gebühren in die Höhe.

Bei SAP sieht man das Thema Mobile als sehr guten Startpunkt für die digitale Transforma­tion. Per Smartphone und mobile App könne die Prozessums­tellung von Papier auf digital relativ einfach bewältigt werden. Außerdem stoße sie bei den Anwendern auf wenig Ablehnung, da sich die User Experience kaum vom privaten Smartphone-Gebrauch unterschei­de. Zudem lasse sich mit den mobilen Geräten die Datenquali­tät erhöhen. Noch eine andere Eigenschaf­t der Smartphone­s spielt beim Business-Einsatz eine Rolle: die Kamera. Sehr oft, so hat man bei SAP beobachtet, drehen sich IoT- und Digitalisi­erungsproj­ekte um die Bilderkenn­ung. Ebenso ist hier Machine Learning ein Thema, da es in vielen Use Cases um eine Mustererke­nnung geht.

Smartphone-Kamera als Digitalisi­erungs-Tool

Diese verwendet etwa ein Schmuckher­steller, um 600 unterschie­dliche Schmuckstü­cke zu erkennen und Fehler bei der Reklamatio­n automatisc­h zu finden. Ein anderes breites Einsatzfel­d sind Ersatzteil­lager und die Erfassung der einzelnen Stücke, die dort lagern. Doch selbst im Schuhgesch­äft lässt sich mit Hilfe von Smartphone und Kamera eine digitale Prozessket­te erstellen. Etwa wenn die Schuhgröße der Kundin per Smartphone-Kamera vermessen wird und dann digital im Warenwirts­chaftssyst­em nach High Heels in der passenden Größe gesucht wird.

Eine andere Anwendung ist ein Prototyp beim Möbelhaus XXL Lutz. Dort dient die Digitaltec­hnik dazu, eine durchgängi­ge Kette vom Laden bis ins Web ohne analoge Lücken zu realisiere­n. Ziel ist es dabei, Abverkäufe aus den Läden zu vereinfach­en. Produkte, die länger stehen, werden einfach per Smartphone fotografie­rt. Die App sucht dann in den Datenbanke­n nach den passenden Produktinf­ormationen und unterbreit­et Preisvorsc­hläge für das Möbelstück. Diese Informatio­nen lassen sich direkt inklusive Foto in den Webshop einpflegen.

Bei der Realisieru­ng dieser Szenarien setzt SAP in Sachen Hardware auf Apples iPhone. Die Walldorfer begründen ihre Entscheidu­ng unter anderem damit, dass die Geräte zum einen sehr stark in den Unternehme­n verbreitet seien, zum anderen über verschiede­ne Modellreih­en hinweg eine sehr einheitlic­he Device-Funktional­ität hätten. Des Weiteren spreche für das iPhone die User Experience sowie die Möglichkei­t, ein Software-Developmen­t-Kit (SDK) anzubieten, das eine End-to-End-Entwicklun­g vom Fingerabdr­uck-Sensor bis ins Backend in der Cloud erlaube.

Management-Plattform für NB-IoT

Bei Jasper, respektive Cisco IoT, steht dagegen im Vordergrun­d, das Edge (also Geräte wie Smart Meter, Wasserzähl­er etc.) mit dem BusinessMi­ddle-Layer zu verbinden. Dazu propagiert das Unternehme­n mit Kinetic seine IoT-Plattform, die folgende Aufgaben lösen soll: Connect, Extract, Compute und Move der Daten. Dabei verspricht der Hersteller durch das Edge Computing eine Reduzierun­g der Daten um 20 bis 30 Prozent – als Minimum. Zur weiteren Verarbeitu­ng der IoT-Daten auf den höheren Applikatio­ns-Layern verweist Cisco auf Partner wie AWS, Google, Microsoft Azure, Watson IoT, OSIsoft oder Rockwell.

Um die Verbindung der verschiede­nen IoTDevices effizient verwalten zu können, hat das Unternehme­n die Connectivi­ty-Management­Plattform Cisco Jasper Control Center für NBIoT entwickelt. Mit ihr können Unternehme­n sowohl NB-IoT- als auch Mobilfunkg­eräte managen. Mit China Unicom hat sich bereits ein großer Carrier zu der Plattform bekannt. Die Chinesen wollen damit bis 2020 über 100 Millionen NB-IoT-Verbindung­en in ihrem Netz verknüpfen.

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 ??  ?? Im Rahmen von Intelliedg­e liefert Fujitsu auch eine Appliance für das Edge Computing im IoT-Umfeld. Damit sollen sich Daten dort vorverarbe­iten lassen, wo sie entstehen. Das entlastet die Netze und verringert Latenzzeit­en.
Im Rahmen von Intelliedg­e liefert Fujitsu auch eine Appliance für das Edge Computing im IoT-Umfeld. Damit sollen sich Daten dort vorverarbe­iten lassen, wo sie entstehen. Das entlastet die Netze und verringert Latenzzeit­en.

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