Umsteigen auf S/4HANA
SAPs Cloud-Software macht es Anwendern nicht leicht.
Eine Migration auf SAPs Cloud-Alternative S/4HANA ist nicht einfach. Nur wer seinen technischen Status quo und seine strategischen Ziele im Blick hat, findet zu seiner individuellen Transformations-Roadmap. Dabei helfen können verschiedene Methoden aus der Qualitätssicherung.
Ob Konzern oder Mittelstand: Der Umstieg auf SAP S/4HANA stellt für jedes Unternehmen eine Herausforderung dar. Wer sie meistern will, braucht eine individuelle Transformations-Roadmap, die vor allem die Anforderungen an die künftige Applikationslandschaft spezifiziert. Ausgehend von der Unternehmensstrategie, müssen dafür Prozesse, Organisationsstruktur, technische Bedarfe und die vorhandene Systemumgebung berücksichtigt werden.
Viele Ansätze, um den richtigen Transformationspfad zu ermitteln, greifen jedoch zu kurz, da sie nur einzelne Elemente betrachten, etwa den potenziellen Nutzen neuer Funktionen von SAP S/4HANA für einzelne Fachbereiche. So kann beispielsweise im Servicebereich eine direkte Integration der Maschine (IoT) zwar eine Entlastung des Servicetechnikers bedeuten; andererseits entsteht dadurch für den Service-Planer im Backoffice ein höherer Aufwand und Qualifikationsanspruch.
Das heißt konkret: Einsparungen durch SAP S/4HANA in einem Fachbereich können zu größeren Aufwänden und Risiken sowohl intern als auch in anderen Fachbereichen führen, was weitere kostenintensive Transformationen und Anpassungen notwendig macht. Die Folge können Ineffizienzen, aber auch ein Anstieg der Prozess- und Betriebskosten sein. Um solche Störungen und zusätzlichen Aufwände zu vermeiden, sollten Unternehmen die Anforderungen ganzheitlich betrachten und priorisieren. Folgende drei Schritte sollten dabei beachtet werden.
1. Ganzheitliche Betrachtung der künftigen Anforderungen
Für eine kundenindividuelle TransformationsRoadmap zu S/4HANA ist es notwendig, die künftigen geschäftlichen, organisatorischen und funktionalen Anforderungen eines Unternehmens zu klären. Nur so können die notwendigen Funktionen und dazugehörigen SAPund Non-SAP-Produkte priorisiert und gezielt in der neuen künftigen Applikationslandschaft rund um SAP S/4HANA abgebildet werden. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang vor allem die folgenden Bereiche:
Unternehmensstrategie
Verfolgt ein Unternehmen eine intensive Wachstumsstrategie als Reaktion auf Marktverschiebungen, liegt die Priorität zum Beispiel auf der Integration von Akquisitionen, der Eroberung neuer Märkte oder dem Ausbau von internen Ressourcen. Daher sollte dieses Unternehmen einen Fokus auf die Definition standardisierter Geschäftsprozesse und die Entwicklung von Templates legen, aber auch unterstützende Funktionen wie ein integriertes CRM innerhalb des S/4HANA-EnterpriseManagements für Analytics sowie Marketing und Kampagnen in Betracht ziehen.
Ist der Betrieb eher auf Stabilität konzentriert oder steht gar eine Sanierung an, müssen Ineffizienzen abgebaut und Arbeitsprozesse optimiert werden. Ferner gilt es, finanzielle Engpässe zu beseitigen, um bei konstantem Umsatzwachstum den Gewinn überproportional zu steigern. Das verlangt zum Beispiel die Ausgliederung von Unternehmensteilen oder eine Effizienzsteigerung durch Einführung zentraler Funktionen und deren Automatisierung, beispielsweise im Finanz- oder Personalwesen. Die Cloud spielt hier ebenfalls eine große Rolle – nicht nur wegen der Verlagerung von Capex (Capital Expenditure) zu Opex (Operational Expenditure), sondern auch im Sinne einer leichteren Ausgliederung.
Bei der Gründung eines Unternehmens dreht sich das Geschäft meist um ein einzelnes Produkt. Dabei spielen dessen permanente Verbesserung und Weiterentwicklung eine besonders große Rolle – das heißt die Möglichkeit, schnell neue Varianten zu entwickeln und Partner eng in die Entwicklung und Produktion zu integrieren. Ein Schwerpunkt sollte auch auf der Kundenseite liegen, unter anderem durch einen gezielten Kundenservice sowie durch die Integration und Auswertung von Bewertungsportalen verschiedener SocialMedia-Kanäle. Generell erfordern die genannten Unternehmensstrategien die Auswahl geeigneter Produkte rund um den „Digital Core“SAP S/4HANA und eine gezielte Umsetzung im Rahmen einer individuellen TransformationsRoadmap. Dies gilt speziell auch für Unternehmen, die ihren Schwerpunkt auf Innovation („Digitalisierung“) gelegt haben, um in einem volatilen Markt schnell neue Produkte und Verfahren erstellen zu können.
Geschäftsprozesse
Abgeleitet aus der Unternehmensstrategie, müssen die Geschäftsprozesse priorisiert werden. So kann ein Schwerpunkt auf der Kundenintegration eines durchgehenden Vertrieb- und Marketing-Prozesses oder auf einem automatisierten Echtzeit-Informationsfluss an die Produktentwicklung mit Daten aus Produktion, Nutzung oder Betrieb und Service eines Produkts liegen. Weitere Möglichkeiten bestehen in einer Prozessoptimierung, zum Beispiel im Rahmen einer Operational-Excellence-Initiative. Dazu werden die Bereiche Verkauf, Einkauf, Finanz- oder Personalwesen vereinfacht und automatisiert.
Auch die Prozessintegration der Kunden und Lieferanten spielt eine große Rolle. Das heißt konkret: Ausgehend von dem Geschäftsprozess finden eine Bewertung der Prozessschritte und der Abgleich mit den neuen Funktionen aus SAP S/4HANA oder entsprechenden Produkten statt.
Organisation und Rollen
Mit der Unternehmensstrategie und einer häufig einhergehenden Prozessharmonisierung und -optimierung durch neue Funktionen ändern sich auch die Organisationsstrukturen, Rollen und Verantwortlichkeiten. Auch dies gilt es bei der Erstellung der SAP-S/4HANA-Transformations-Roadmap zu berücksichtigen. Beispiele dafür sind eine geplante Zentralisierung von Bereichen im Rahmen eines Shared-ServiceCenters oder die Anpassung der Sichten und Transaktionen, die durch die Veränderung der Arbeitsinhalte, Verantwortungen und Rollen eines Mitarbeiters ausgelöst wird. Hier spielt der Zugang durch mobile Endgeräte eine große Rolle, was durch ein individuell konfiguriertes Fiori-Design erleichtert werden kann. Nicht zu unterschätzen ist das Change-Management, um die Mitarbeiter optimal in die Veränderungen einzubeziehen und die Akzeptanz und reibungslose Einführung zu erleichtern.
IT-Strategie
Abgeleitet aus der Unternehmensstrategie, liefert die IT-Strategie die technische Basis für die geplante SAP S/4HANA-Transformation. Dabei muss die vorhandene Applikationslandschaft betrachtet werden, und zwar unter Berücksichtigung des System- und Applikationslebenszyklus, der Wertung der Applikation
(„Best of Breed“), des Einsatzes technologischer Neuerungen sowie der Risiken, Sicherheit, Komplexität und Wartbarkeit. Ebenso wirken sich budgetäre Vorgaben, also die einmaligen Transformations- und die Gesamtbetriebskosten (TCO), auf die Auswahl der technischen Produkte und Lösungen aus – dies im Vergleich zum quantifizierbaren Nutzen durch Umsatzsteigerung oder Kosteneinsparungen des Unternehmens.
2. Analyse der vorhandenen IT- und SAP-Infrastruktur
Um den Abdeckungsgrad der künftigen Kundenanforderungen durch bereits vorhandene Applikationen zu ermitteln, muss im nächsten Schritt die System- und Applikationslandschaft analysiert und inventarisiert werden. Dazu bieten sich Fragenkataloge und Workshops an, bei denen die Art der Anwendungen, Funktionen, der Lokalisierungsgrad, die Software, Datenbanken, Schnittstellen, Dokumentation, Verfügbarkeit von internem und externem Know-how, Lizenzkosten, TCO und vorhandene Risiken identifiziert werden. Für die SAP-Systeme empfehlen sich spezielle Programme, die automatische Analysen über die Nutzung der Standardtransaktionen, aber auch Aufrufe von bestehenden Entwicklungen erlauben. Dies ermöglicht einen direkten Abgleich mit neuen SAP S/4HANA-Funktionen.
Im Ergebnis erhält ein Unternehmen unter anderem Transparenz, welche Funktionen wie genutzt werden, wie viele Eigenentwicklungen existieren und für welche Zwecke diese aufgerufen werden und ob eine zugehörige Dokumentation existiert. Natürlich werden auch technische Kennzahlen, zum Beispiel zu Performance und Peaks, ermittelt. Bei den technischen Analysen werden auch kundeneigene Systeme und Produkte von Drittanbietern betrachtet.
3. Die Transformations-Roadmap zu SAP S/4HANA
Sind die strategischen Zielsetzungen und der technologische Status quo des Kunden ermittelt, können daraus die Anforderungen an die neue SAP-S/4HANA-Landschaft abgeleitet und eine kundenindividuelle TransformationsRoadmap erstellt werden. Dabei entsteht häufig nicht nur eine einzige TransformationsRoadmap, sondern verschiedene Szenarien, unter denen gewählt werden kann.
Durch die Auswirkungen auf das Unternehmen, die Vielzahl der Anforderungen an die neue Lösung sowie die verfügbaren Produkt- und Transformationsvarianten und deren Zusammenspiel gestalten sich SAP-S/4HANA-Projekte hochkomplex. Um diese Komplexität zu reduzieren, bieten sich Methoden zur Qualitätssicherung aus anderen Bereichen an.