Megatrend Low-Code
Anwender berichten von ihren Erfahrungen mit Low-Code-Plattformen.
Low-Code-Softwareentwicklung verspricht, Applikationen ohne manuelles Programmieren zusammenstellen zu können. IT-Entscheider von Shell Downstream, 7-Eleven, John Hancock und der Solomon Group berichten, was sie davon halten.
Um die Herausforderungen des digitalen Wandels zu meistern, wenden sich immer mehr Unternehmen von den traditionellen Ansätzen der Softwareentwicklung ab. Stattdessen setzen sie auf Prinzipien wie Agile und DevOps, um ihre Entwickler dazu zu befähigen, Software in Sprints anzufertigen und fortwährend zu aktualisieren. Auch das Low-Coding-Prinzip kann dabei helfen, der Applikationsentwicklung Flügel zu verleihen. Hierbei geht es darum, Software mit minimalem Coding-Aufwand zu erstellen. Dafür liefern diverse Low-Code-Plattformen visuelle, deklarative Techniken, um Daten, Logik und Darstellung (und andere Fragmente) einer App zu verändern – ohne dafür Code schreiben zu müssen.
Die Softwareentwickler können die „fertigen“App-Einzelteile nach dem Drag-and-Drop-Prinzip zusammenfügen – so als würden sie ein Lego-Konstrukt auf dem Computerbildschirm erstellen. Parallel steht ihnen weiterhin die Möglichkeit offen, Code hinzuzufügen – etwa um ältere Applikationen zu integrieren, neue Reporting-Möglichkeiten auszuschöpfen oder spezielle Vorgaben beim User Interface umzusetzen.
Die Vorteile der Low-Code-Entwicklung
Die Zeitersparnis, die sich mit Hilfe von LowCode-Development erzielen lässt, kann für Unternehmen, die ihre Software zügig auf den Markt bringen wollen, entscheidend sein. Laut einer Untersuchung von Forrester Research sieht fast ein Drittel aller Softwareentwickler die wesentliche Herausforderung bei der Arbeit mit traditionellen Werkzeugen wie Programmiersprachen, Frameworks und Middleware darin, die geschäftlichen Anforderungen in der vorgegebenen Zeit umzusetzen. Die Kollegen unserer US-Schwesterpublikation „CIO“haben IT-Entscheider von Shell Downstream, 7-Eleven, John Hancock und der Solomon Group zu ihren Erfahrungen mit Low-Code-Softwareentwicklung befragt.
Low Code für die Ölproduktion
Craig Walker hat als CIO bei Shell Downstream den Hut auf in Sachen digitale Transformation. Teil des Wandels ist der Austausch von On-Premise-Systemen durch Cloud-Services und die teilweise Ablösung der traditionellen Softwareentwicklung durch Low-Code-Development. Low-Code-Tools nutzen die Entwickler unter anderem für Kundenportale und andere digitale Services – insbesondere in den Abteilungen Mergers & Acquisitions, Retail, Vertrieb und Personal. Laut Walker konnte das Unternehmen mit Hilfe des Low-Code-Prinzips die Zeit zwischen Konzeption und Proof of Concept deutlich verkürzen und Applikationen viel schneller fertigstellen.
Verantwortlich für die Abkehr von der traditio-
nellen Softwareerstellung waren Walker zufolge die rasanten Veränderungen innerhalb der Energiebranche. Ganz auf klassisches Codieren kann aber auch Shell Downstream nicht verzichten, wie der CIO verrät: „Wir schreiben unseren eigenen Programmcode dann, wenn es darum geht, sich über geistiges Eigentum von der Konkurrenz abzuheben, oder wenn Servicemodelle entwickelt werden sollen, die einen Wettbewerbsvorteil realisieren.“
Sales-Daten to go
Der Einzelhandelsriese 7-Eleven nutzt LowCode-Development unter anderem für eine App, mit der das Unternehmen seinen Regional-Managern, die im Schnitt zehn Filialen pro Tag besuchen, aktuelle Produktpreisinformationen zuspielt. „Field Price Optimization“ist für 7-Eleven eine Schlüsseldisziplin: Die Manager erhalten laufend Einsicht in die aktuellen Verkaufszahlen an den einzelnen Standorten. Via Laptop, Tablet oder Smartphone können sie die Informationen abrufen und zusammen mit den Franchise-Nehmern vor Ort konkrete Maßnahmen anstoßen. Wenn es etwa bei der Platzierung von Produkten Optimierungspotenziale gibt, können die Regional-Manager umgehend Einfluss nehmen, wie Technology Officer Paul McCollum erklärt. Und wenn einer der Manager in einer Niederlassung ein falsch bepreistes Produkt entdeckt, kann er die Verantwortlichen vor Ort auf Knopfdruck informieren. „Eine Low-Code-Komponente ist binnen vier Tagen geschrieben“, so McCollum. Deshalb sei es sehr sinnvoll, den Mitarbeitern diese einfache Technologie an die Hand zu geben.
Versicherung gegen schlechten Kundenservice
Die IT-Abteilung des amerikanischen Versicherungs- und Finanzdienstleisters John Hancock hatte zuletzt viel zu tun: Zunächst konsolidierte sie die Kundendaten aus mehreren verschiedenen Systemen, danach stand eine Bereinigung aller Stammdaten an, und schließlich führte der Konzern CRM-Software von Salesforce.com ein.
Wie Vice President und Technology Officer Len van Greuning erklärt, ist die Low-Code-Entwicklung ein wichtiger Hebel, um im Rahmen der digitalen Transformation das Thema Kundenzentrierung in den Mittelpunkt der Aktivitäten zu rücken. Die von der eingesetzten Plattform angebotenen vordefinierten Daten- und Sicherheitsmodelle erlauben es heute auch Anwendern im Business, ihre Arbeitsumgebung nahe am Standard zu konfigurieren. Die Mitarbeiter in den Call-Centern haben nun einen einfacheren und schnelleren Zugang zu den Kundendaten. Darüber hinaus bietet John Hancock seinen Kunden nun die Möglichkeit, Dokumente zu Schadensfällen selbst einzuscannen und digital zu übermitteln. Zuvor war dies nur mit dem guten alten Faxgerät möglich.
Wegen Überfüllung geschlossen?
Nachdem die Feuerwehr damit gedroht hatte, ein Musikfestival in den USA wegen akuter Überfüllung abzubrechen, nutzte der Veranstalter, die Solomon Group, eine Kombination aus Internet of Things (IoT) und Low-Code-Development, um die Zahl der Besucher zu jedem Zeitpunkt genau erfassen zu können.
Dazu errichtete das Unternehmen optische Drehschleusen, die mit Sensoren ausgestattet wurden, um den „Schrittverkehr“zu messen. Mit Hilfe einer App konnten diese Daten anschließend visualisiert werden und gaben Aufschluss über die stündlichen Besucherströme auf dem Festivalgelände.
Durch die Echtzeit-Überwachung der Besucherströme konnte nicht nur das Festival vor dem Abbruch bewahrt, sondern maximale Effizienz erzielt werden: Der Veranstalter ist nun in der Lage, die für den Einlass verantwortlichen Mitarbeiter sinnvoll auf die verschiedenen Einund Ausgänge zu verteilen. Auch für das Sponsoren-Placement sind die Daten nützlich, wie Jonathan Foucheaux, Mitbegründer der Solomon Group, anmerkt.
Low-Code-Plattformen und -Tools
Shell Downstream, John Hancock und 7-Eleven setzen für ihre Low-Code-Entwicklungsarbeit auf Tools von Salesforce. Solomon hingegen verwendet Technologie von Mendix. Bekannte Anbieter im Low-Code-Umfeld sind darüber hinaus Outsystems, Appian und Kony. Obwohl sich diese Anbieter einer regen Nachfrage erfreuen, ist die klassischee Softwareentwicklung keineswegs auf einem absteigenden Ast.
„Low Code ist eine fantastische Sache in Unternehmensbereichen, in denen es um die Kontrolle von Waren und Dienstleistungen geht“, sagt van Greuning. „Aber es gibt immer noch Software, mit der man sich vom Wettbewerb abheben will. Und dafür braucht es bodenständige Entwicklungsarbeit. Das wird sich nie ändern.“