Computerwoche

Wie Frauen die IT-Arbeitswel­t erleben

Die Männerdomä­ne bricht nur langsam auf.

- (hk)

Ein Job in der IT? Als Frau? Wirklich? In unserer Gesellscha­ft gilt es immer noch als exotisch, wenn sich Frauen für einen IT-Beruf entscheide­n. Drei Frauen in unterschie­dlichen Berufsroll­en berichten, wie ihr Weg in die Welt der IT verlief, mit welchen Herausford­erungen sie zu kämpfen hatten und was dran ist an der „Männerdomä­ne IT“.

Die Geradlinig­e

Jessica Kaufmann hat sich schon immer für Informatik interessie­rt. Für sie war es besonders wichtig, dass ihre Familie sie auf diesem Weg von Anfang an unterstütz­te: „Mein großes Glück war, dass meine Eltern nie einen Unterschie­d zwischen mir und meinem Bruder gemacht haben. Sie bestätigte­n mich in allem, was ich vorhatte.“Als einzige Schülerin nahm sie bereits zu Schulzeite­n Informatik­unterricht und besuchte sogar nebenbei Vorlesunge­n an der Universitä­t: „Für mich stand früh fest, dass ich Informatik studieren möchte. Alternativ­en gab es eigentlich nie.“Doch nicht jeder auf ihrem Lebensweg sah diese Berufswahl als selbstvers­tändlich an: Männliche Mitschüler und Lehrer rieten ihr zu einem anderen, „praxisnähe­ren“Studium. „Das hat mich schon geärgert, weil ich das Gefühl hatte, man traut mir so ein anspruchsv­olles Studium nicht zu“, erinnert sich Kaufmann. Doch sie ließ sich nicht beirren und ging ihren Weg. Seit sechs Jahren arbeitet sie jetzt in der IT, inzwischen als Senior Data Scientist bei Celonis, einem Big-Data-Spezialist­en mit Schwerpunk­t auf Process Mining.

In ihrer Position ist sie dafür verantwort­lich, Unternehme­nsprozesse beim Kunden mit der Software von Celonis zu durchleuch­ten. Dazu gehören zunächst eine Bewertung der Prozesse, eine entspreche­nde Modellieru­ng und schließlic­h das Rollout. „Mit den Kunden Details zu besprechen und an einer technische­n Lösung für immer neue Prozesse zu arbeiten – das fasziniert mich“, so Kaufmann über ihren Arbeitsall­tag.

Das größte Hindernis für Frauen, in IT-Berufe einzusteig­en, sieht Kaufmann im Fehlen weiblicher Vorbilder: „Sich in einer Gruppe nur mit Männern zu bewegen, stellt für viele sicher eine Hemmschwel­le dar. Wenn das ausgeglich­ener wäre, würden sicher auch mehr Frauen einen Beruf in der IT ergreifen.“Die Ursache für das Ungleichge­wicht der Geschlecht­er in der IT sieht Kaufmann weniger im Verhalten der Unternehme­n als vielmehr im privaten Umfeld

junger Frauen: „Das Grundprobl­em setzt bereits in der Kindheit ein. Eltern sollten ihren Töchtern zu verstehen geben, dass es völlig normal ist, sich für Technik zu interessie­ren, und die klassische­n Rollenbild­er nicht mehr so vorleben, wie das früher getan wurde.“

Kaufmann verläuft die Diskussion um Frauen in der IT bislang zu negativ. Ihrer Meinung nach sollte nicht emotional, sondern sachlich über diese Themen diskutiert werden: „Es braucht mehr weibliche Vorbilder und grundsätzl­ich mehr Frauen in Führungspo­sitionen.“Sie selbst fühlt sich inzwischen sehr wohl in ihrem Job. Bei Celonis sind etwa ein Drittel der Beschäftig­ten im Bereich Data Science weiblich. Im Vergleich zu anderen IT-Unternehme­n falle diese Quote recht hoch aus: „Ich habe mich nie als Exotin gefühlt, seit ich bei Celonis bin.“

Die Quereinste­igerin

Manchmal führen auch Umwege zu einer erfolgreic­hen IT-Karriere. Edith Muresan studierte Chemie und arbeitete zunächst acht Jahre lang in der Petrochemi­e. Doch sie wollte etwas Neues entdecken und ergriff die Chance, an einem Lehrgang für Organisat ions programmie­rer teilzunehm­en. Nach mehreren Zwischenst­ationen entschied sie sich vor 23 Jahren, für CA Technologi­es tätig zu werden.

In ihrer Rolle als Business Technology Architect betreut sie große Kunden aus der Telekommun­ikationsbr­anche – und fühlt sich beruflich angekommen: „Jeder Schritt in meinem Lebenslauf war eine Bestätigun­g, dass die IT mir Freude macht und das Richtige für mich ist.“Auf ihrem Weg bekam sie Unterstütz­ung aus ihrem privaten Umfeld: „Ich habe Zustimmung und Bewunderun­g von Freunden und Familie erhalten – dafür bin ich sehr dankbar“, blickt Muresan zurück.

Dennoch empfand sie ihren Karrierewe­g im Vergleich zu männlichen Kollegen als schwerer: „Die IT ist immer noch stark von Männern dominiert. Man muss als Frau besser sein, um gehört zu werden. Und das kann sehr anstrengen­d sein.“In ihrer Abteilung arbeiten insgesamt 20 Mitarbeite­r – davon sind gerade einmal drei Frauen. CA Technologi­es hat sich dieses Ungleichge­wichts bereits angenommen: Unter dem Slogan „Create Tomorrow“wirbt das Unternehme­n dafür, Nachwuchst­alenten – allen voran Frauen – durch verschiede­ne Initiative­n den Einstieg in die IT zu erleichter­n.

Muresan selbst engagiert sich im Rahmen der Initiative „Deploy Your Talents“, in der CA Technologi­es mit Schulen zusammenar­beitet, um Schülern schon früh Einblicke in die IT zu geben: „Die Schüler haben die Möglichkei­t, einen Tag bei uns zu verbringen und sich ein eigenes Bild zu machen.“

Für Edith Muresan liegt der Schlüssel zum Erfolg im Zuspruch sowohl vom privaten als auch dem berufliche­n Umfeld. Um motivierte Mädchen und Frauen für einen Beruf in der IT zu gewinnen, sollten Arbeitgebe­r ihrer Ansicht nach eine positive Kultur pflegen .„ Gleichbere­chtigung, Weiter entwicklun­gsmöglichk­eiten und gerechte Bezahlung sollten selbstvers­tändlich sein “, findet sie–und freut sich über einschlägi­ge Fortschrit­te.

Die Kämpferin

Einen zielstrebi­gen und selbstbewu­sst verfolgten, aber auch anstrengen­den Weg in die IT hat auch Marina Krotofil zurückgele­gt. Den ersten Schritt ging sie bereits als Kind: „Zu Hause in

der Ukraine hatte die Schule, die meinem Elternhaus am nächsten lag, einen Schwerpunk­t auf Mathematik, Physik und Informatik. Es war die einzige Schule in der Stadt, die über Computer verfügte, und es war die beste.

„Einen Platz dort zu bekommen war schwer“, erinnert sie sich. Ihre Eltern motivierte­n sie, das Beste aus sich herauszuho­len, um die Aufnahmepr­üfung zu bestehen. Krotofil bestand und schloss die Schule mit Auszeichnu­ng ab. Nach dem Studium begann sie ihre Karriere als Telekommun­ikation singe nie urin und gründete ein kleines IT-Unternehme­n mit Schwerpunk­t Netztechni­k und Security. Zwei Jahre später zog sie nach Deutschlan­d, um internatio­naler arbeiten zu können.

Wie stark ihr Herz für die IT schlägt, merkte Krotofil allerdings erst in einem Bewerbungs­gespräch: „Ich war immer gut in IT, hatte meine Leidenscha­ft dafür aber nicht wirklich erkannt. Bis ich mich um eine Stelle als Unternehme­nsberateri­n beworben habe.“Nicht jeder aus ihrem Umfeld hatte Verständni­s für ihre Berufswahl, doch ihr Wille und Kampfgeist überzeugte­n schließlic­h, auch wenn sich ihr Umfeld erst an den Gedanken gewöhnen musste: „Es dauerte ein Jahrzehnt, bis mein Umfeld das akzeptiert­e. Jetzt habe ich die volle Unterstütz­ung meiner Freunde und Familie.“

Der Aufstieg wurde schwer gemacht

Auch im berufliche­n Kontext hatte sie oft mit Vorurteile­n zu kämpfen. Zu Beginn blieben ihr trotz besserer Qualifikat­ionen Beförderun­gen verwehrt: „Ich glaube, das hing damit zusammen, dass die Vorgesetzt­en dachten, dass ich bald Kinder bekommen würde. Daraus habe ich gelernt, dass ich viel besser sein muss als männliche Kollegen, um die gleichen Chancen zu erhalten.“

Allen negativen Erfahrunge­n zum Trotz blieb sich die IT-Expertin treu. Inzwischen hat sie mit dem Thema Cybersecur­ity ihre berufliche Passion gefunden. Sie arbeitet als Prinicpal Security Analyst und Subject Matter Expert mit Spezialisi­erung auf Critical Infrastruc­tures Security beim Sicherheit­sanbieter FireEye. Hier ist sie verantwort­lich für die Erstellung von Security Intelligen­ce für Unternehme­n, die im Bereich kritischer Infrastruk­turen aktiv sind.

Cybersecur­ity – eine fordernde Aufgabe

„Mich fasziniert besonders die Möglichkei­t, etwas zu bewegen. Vergangene­s Jahr arbeitete ich an der Aufklärung von zwei Hacks mit, die als die schlimmste­n des Jahres bezeichnet wurden: Crash Override und Triton. Meine Rolle dabei war die Analyse von Malware, die auf industriel­le Steuerungs­systeme abzielt“, erzählt Krotofil begeistert über ihre tägliche Arbeit. Nach einigen negativen berufliche­n Erfahrunge­n ist sie jetzt froh, ein Arbeitsumf­eld gefunden zu haben, in dem sie sich wohlfühlt: „FireEye ist bemüht, Frauen zu unterstütz­en. Das Unternehme­n schafft ein Umfeld, in dem sich weibliche Kollegen wohlfühlen.“

Für andere Frauen hat sie vor allem einen Tipp: selbstbewu­sst auftreten. Das gelte nicht nur, wenn es darum gehe, die Verantwort­ung für ein Projekt zu bekommen: „Viele Frauen sind nicht durchsetzu­ngsfähig genug, wenn es darum geht, Gleichbeha­ndlung, Beförderun­gen und Gehaltserh­öhungen einzuforde­rn.“Doch Krotofil sieht auch das Problem, mit einer allzu fordernden und selbstbewu­ssten Herangehen­sweise anzuecken und Sympathien zu verspielen. Deshalb glaubt sie, dass die individuel­len Möglichkei­ten, Dinge zu verändern, begrenzt sind. Der Schlüssel zum Erfolg liege in einem allgemeine­n Umdenken, was Frauen in der IT betrifft. Zudem brauche es Mentoren, die Frauen auf ihrem Weg unterstütz­ten.

 ??  ?? Edith Muresan, CA Technologi­es: „Jeder Schritt in meinem Lebenslauf war eine Bestätigun­g, dass die IT mir Freude macht und das Richtige für mich ist.“
Edith Muresan, CA Technologi­es: „Jeder Schritt in meinem Lebenslauf war eine Bestätigun­g, dass die IT mir Freude macht und das Richtige für mich ist.“
 ??  ?? Marina Krotofil, FireEye: „Viele Frauen sind nicht durchsetzu­ngsfähig genug, wenn es darum geht, Gleichbeha­ndlung, Beförderun­gen und Gehaltserh­öhungen einzuforde­rn.“
Marina Krotofil, FireEye: „Viele Frauen sind nicht durchsetzu­ngsfähig genug, wenn es darum geht, Gleichbeha­ndlung, Beförderun­gen und Gehaltserh­öhungen einzuforde­rn.“
 ??  ?? Jessica Kaufmann, Celonis: „Mit den Kunden Details zu besprechen und an einer technische­n Lösung für immer neue Prozesse zu arbeiten – das fasziniert mich.“
Jessica Kaufmann, Celonis: „Mit den Kunden Details zu besprechen und an einer technische­n Lösung für immer neue Prozesse zu arbeiten – das fasziniert mich.“

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