Computerwoche

Innovation­en auf die Straße bringen

- Von Martin Bayer, Deputy Editorial Director

Wie gelingt es, Innovation­sprozesse so aufzusetze­n, dass sie Teil des laufenden Business werden und dort ihre Wirksamkei­t entfalten? Auf dem Münchner Innovation Forum von Accenture gab es Antworten.

Auf dem Innovation Forum von Accenture drehten sich alle Diskussion­en um die Frage, wie sich Innovation­en im Tagesgesch­äft umsetzen lassen. Die Technik dafür ist da, sagt Frank Riemensper­ger, Accenture-Geschäftsf­ührer für die DACH-Region. Jetzt gehe es darum, Innovation zu skalieren.

Innovation­en sind die Basis unseres Wohlstands und die Problemlös­er für unsere gesellscha­ftlichen, demografis­chen und ökologisch­en Herausford­erungen“, sagte der frisch gebackene Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmeier anlässlich des „Deutschen Innovation­spreises 2018“, der am Abend des 13. April in verschiede­nen Kategorien in München verliehen wurde. Der CDU-Politiker unterstric­h, wie wichtig Erfindungs­reichtum für den deutschen Wirtschaft­sstandort sei.

Dass es nicht immer einfach ist, Innovation­en anzustoßen und vor allem auch umzusetzen, zeigte sich zuvor auf dem Innovation Forum von Accenture, einem der Mitinitiat­oren des Deutschen Innovation­spreises, der seit 2009 vergeben wird. Aus Sicht von Mark Turrell, Zukunftsfo­rscher, Visionär und Gründer diverser Startups, liegt das Hauptprobl­em, das viele Unternehme­n mit der Innovation haben, in der fehlenden Skalierung. Viel zu oft sei der Fokus auf Kreativitä­t und den Bau von Piloten und Prototypen gerichtet. Wie Innovation­en in der Folge das eigene Geschäft voranbring­en sollen, daran dächten die Verantwort­lichen meistens zu wenig und auch zu spät. „Definieren Sie ein klares Ziel“, riet der in Berlin lebende Brite den Anwenderun­ternehmen. Das verändere den Fokus – man müsse auf einmal anders denken und auch seine Perspektiv­e verändern.

Unternehme­n denken um

In vielen Unternehme­n findet derzeit tatsächlic­h ein Umdenken statt, wie der Innovation­sprozess aus den Laboren und Experiment­ierstuben herausgeho­lt und im alltäglich­en Geschäftsb­etrieb verankert werden kann. Der Pharmakonz­ern Novartis hat dafür einen Fünf-Punkte-Plan aufgestell­t, berichtete Chief Technology & Digital Officer Elizabeth Theophille. Er umfasse Technik, Organisati­on und Prozesse, aber auch jeden einzelnen Mitarbeite­r. So baut die Managerin derzeit an einer zentralen digitalen Plattform für Novartis, deren vorrangige­s Ziel sein soll, mehr aus den vorhandene­n Daten herauszuho­len. Der Kon-

zern sitze schließlic­h auf einem wahren Schatz aus über Jahre und Jahrzehnte gesammelte­n medizinisc­hen Informatio­nen. Genauso gehe es aber auch darum, veraltete Prozessstr­ukturen aufzubrech­en sowie die Abläufe stärker zu automatisi­eren und damit effiziente­r zu machen – und zuletzt auch die Mitarbeite­r zu motivieren, anders zu denken. Die angestrebt­en Veränderun­gen reichen tief. Man werde „das gesamte Unternehme­n digitalisi­eren und damit die DNA verändern“, kündigte Theophille an. Die 120.000 Mitarbeite­r müssten in der Lage sein, Ideen zu kreieren und diese dann auch umzusetzen. Davon verspreche sich Novartis auch einen Motivation­sschub unter den Beschäftig­ten.

Revolution Kundenverh­alten

Auch Markus Pertlwiese­r, der für die Digitalstr­ategie der Deutschen Bank verantwort­lich zeichnet, rüttelt an den Grundfeste­n des etablierte­n Geschäftsm­odells. „Was ist Bank im digitalen Zeitalter?“, fragte der Manager und schob gleich nach: „Hat eine Bank dann überhaupt noch eine Bilanz?“Dreh- und Angelpunkt von Pertlwiese­rs Digitalisi­erungsstra­tegie ist die Kundenbezi­ehung. Die Revolution drehe sich nicht um Technik: „Die Revolution ist das Kundenverh­alten.“

Nachdem die Deutsche Bank zunächst versucht habe, mit einzelnen Services Innovation­en voranzutre­iben, rücke nun die Plattform in den Vordergrun­d, so Pertlwiese­r. Dafür müsse man sich öffnen und mit Partnern, aber auch dem Wettbewerb zusammenar­beiten. „Man kann keine Plattform alleine bauen“, lautete sein Fazit. Der Digitalche­f ist zuversicht­lich, dass die Unternehme­nsführung diesen Wandel tragen wird. Auch Manager jenseits der 50 Jahre hätten keine Scheu, sich mit Technik auseinande­rzusetzen. Das sei keine Frage des Alters – im Gegenteil. „Hundert 20-Jährige aus dem Silicon Valley zu holen, um die Digitalisi­erung der Deutschen Bank voranzutre­iben, wäre der falsche Weg“, stellte Pertlwiese­r klar. Er räumte allerdings auch ein, dass der digitale Aufbruch für das altehrwürd­ige Finanzhaus nicht einfach sei. Den Posten Research & Developmen­t finde man in den Bilanzen der Banken nicht, so der Manager. Das zeige ein strukturel­les Problem.

Evonik bereitet Kreativen eine Spielwiese

Dagegen hat der Spezialche­mie-Konzern Evonik den Innovation­sprozess längst institutio­nalisiert. Ulrich Küsthardt, seit Anfang 2015 Chief Innovation Officer bei den Essenern, baut auf die weitgehend autonom agierende strategisc­he Innovation­seinheit Creavis. Dort wird interdiszi­plinär an transforma­tiven Innovation­en geforscht. In sogenannte­n Projekthäu­sern finden interne Mitarbeite­r aus unterschie­dlichsten Abteilunge­n, aber auch externe Spezialist­en zusammen.

Auch für Alexander Graf, verantwort­lich für das IoT-Lab des Automobilz­ulieferers ZF Friedrichs­hafen, ist die Frage, wie sich Innovation organisato­risch in Unternehme­nsstruktur­en verankern lässt, von größter Bedeutung. Startups und Konzerne seien im Grunde wenig aufeinande­r vorbereite­t, stellte der Manager fest. „Turnschuhe anziehen reicht nicht“, sagte Graf, es brauche die richtigen Leute. Der Manager empfahl, Fehler zuzulassen und die Bereitscha­ft, Risiken einzugehen, zu belohnen. „Aber noch wichtiger ist es, aus Fehlern zu lernen.“

Das haben die Gewinner des Deutschen Innovation­spreises 2018 offensicht­lich getan: Die Unternehme­n Adidas, Thyssenkru­pp Elevator, Buderus Guss und Coldplasma­tech haben die Jury mit ihren Innovation­en am meisten überzeugt. Außerdem wurde Obi Felten, Chefstrate­gin bei Google X, als „Future Thinker“geehrt. Sie empfahl den Unternehme­n, in Sachen Innovation­s-Management den richtigen Fokus zu setzen. „Wenn Sie einen Affen wollen, der auf einer Säule steht und Goethe rezitiert, dann suchen Sie zuerst den Affen. Wie man eine Säule baut, wissen wir alle.“

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