CIO und HR pflegen Arbeitgebermarke
Prosiebensat.1 macht sich hübsch für IT-Talente.
CW: Herr Wechsler, ProSiebenSat.1 will in diesem Jahr 200 Mitarbeiter und Praktikanten in der IT einstellen. Mit wem konkurrieren Sie um Talente?
WECHSLER: Ein Drittel der ausgeschriebenen Jobs hat mit IT und Daten zu tun. Da wir als Medienhaus Werbung stärker personalisieren und unseren Werbekunden mehr Targeting-Angebote machen wollen, benötigen wir entsprechende Technologien und Mitarbeiter. In den Fachbereichen werden mehr Data Scientists gesucht, in meinem Bereich eher Data Engineers, die Software entwickeln. Im Münchner Umfeld treten wir eher gegen BMW und Audi als gegen Microsoft oder Google an. Wer auto- nomes Fahren entwickeln will, muss nicht primär Autos bauen, sondern braucht erst die Software dahinter.
CW: Frau Riedel, Sie sind Head of Recruiting and Employer Branding. Wie kam es zur gemeinsamen Initiative mit der IT?
RIEDEL: Den Impuls gab die IT. Johannes fragte mich, wie wir das Recruiting in seinem Bereich erfolgreicher gestalten können.
WECHSLER: Yvonne weiß, wie man Bewerber am besten anspricht. Die konkreten Botschaften kamen von der IT. Es hilft nichts, Claims nach außen zu geben, die vom Bewerber sofort enttarnt werden, sobald er einen Job bei uns angenommen hat. Authentizität stand in unserer Kampagne an erster Stelle.
CW: Warum engagieren Sie sich als CIO für Employer Branding?
WECHSLER: Wir hatten drei große Treiber: Erstens wird das Kerngeschäft TV immer digitaler. Zweitens wächst unser Digitalgeschäft stark: Durch Firmenbeteiligungen haben wir uns ein Portfolio großer digitaler Handelsplattformen aufgebaut, zu denen auch Marken wie Verivox oder Parship zählen. Hier haben wir einen steigenden Bedarf an spezialisierten Mitarbeitern, vor allem für die Softwareentwicklung. Drittens ist ProSiebenSat.1 für viele Bewerber nach wie vor primär ein TV-Konzern.
RIEDEL: Im kreativen Bereich haben wir keinen Recruiting-Engpass. Auf eine Volontariatsstelle bekommen wir 100 Bewerbungen, während das bei IT-Stellen oft nur um die 20 sind.
CW: Die Kultur eines Unternehmens ist für Bewerber ein wichtiges Kriterium. Wie ist Ihre Kultur?
RIEDEL: Wir bieten einerseits die Vorzüge eines börsennotierten Konzerns, andererseits
erinnert unsere Kultur oft an ein Startup – mit flachen Hierarchien, Innovation und viel Freiraum, um Verantwortung zu übernehmen, Dinge auszuprobieren und Projekte schnell umzusetzen. Synergien sind für uns das A und O, deshalb arbeiten unsere Teams oft abteilungsübergreifend. So haben wir unseren Claim definiert: Connect. Code. Create.
CW: Sie haben mit tech.prosiebensat1.com eine Online-Plattform ins Leben gerufen, auf der Sie das vermitteln wollen.
WECHSLER: In einem Blog berichten wir über aktuelle Projekte, etwa „Video on Rails“. Das Video-on-Demand-Portal Maxdome kann man nun auch im ICE nutzen, da wir im Zug einen Server installiert haben, der das Streaming des gespeicherten Contents übernimmt.
CW: Die Website ist auf Englisch gehalten. Ist die Unternehmenssprache Englisch?
WECHSLER: Unsere Unternehmenssprache ist Deutsch. Wir haben die Seite jedoch auf Englisch gestaltet, da wir einen größeren Talent-Pool ansprechen wollen. Internationale Bewerber sind bei uns absolut willkommen!
CW: Wie lange hat die Entwicklung der Employer-Branding-Plattform gedauert, und gibt es schon messbare Erfolge?
RIEDEL: Anfang 2017 haben wir uns für ein erstes Brainstorming zusammengesetzt. Im Herbst sind wir mit der Seite live gegangen. Seitdem haben wir über 10.000 Seitenaufrufe verzeichnet. In Bewerbungsgesprächen beziehen sich viele Kandidaten auf die Website – das zeigt, wie stark deren Bekanntheit steigt.
CW: Wie haben Sie Traffic auf die Seite bekommen?
RIEDEL: Wir haben die Aktion gezielt über soziale Medien wie Facebook, Instagram, Xing und LinkedIn beworben. Gerade auf LinkedIn sind wir sehr aktiv, weil die Plattform stark wächst und wir hier eine internationale Zielgruppe ansprechen können. Zudem verweisen wir in unseren Stellenanzeigen oder bei der Direktansprache auf die neue Website.
CW: Sie haben die Kampagne mit einigen ITMitarbeitern erarbeitet, aber wie nimmt man die restlichen rund 1000 IT-Professionals und auch den Rest der Company mit?
RIEDEL: Wir haben kleine Flyer, Gadgets, Aufkleber und Bücher mit unserem Claim ausgeteilt – und Kuchen mit dem Motto „Tech a piece of cake“. Das kam sehr gut an, und die meisten Mitarbeiter haben sogar ihren Laptop mit unseren Aufklebern beklebt.
CW: Welche Recruiting-Maßnahmen setzen Sie zusätzlich ein?
WECHSLER: Unsere Website ist eng verzahnt mit unseren Offline-Events wie Konferenzen, Hackathons, Meetups und Kooperationen mit Universitäten.
RIEDEL: Für Unternehmen ist es heute unerlässlich, schon früh an den Hochschulen mit künftigen Talenten in Kontakt zu treten.
CW: Wie knüpfen Sie Kontakte zu den Informatikstudenten?
WECHSLER: Ich habe in Mannheim Wirtschaftsinformatik studiert und an der TU München in BWL promoviert. An beiden Universitäten halte ich noch Gastvorträge. Mit der TU arbeiten wir an dem Projekt Video-Mining. Wir haben eine Lösung entwickelt, mit der man Filme nach Schauspielern durchsuchen kann. Für uns ist das zentral, da wir so unseren Nutzern Filme vorschlagen können, in denen ihr Lieblingsschauspieler vorkommt. Das Projekt wird vom Freistaat Bayern mit einer Million Euro gefördert. Mit der LMU in München und einigen Studenten beginnen wir im Herbst ein Projekt zum Thema „Blockchain“und wie man die Technik für Digital Advertising nutzen kann. Es ist leichter, über ein technisches Projekt Kontakt zu den Studenten zu knüpfen.
CW: Herr Wechsler kann nicht alle Termine an den Universitäten oder auf Konferenzen alleine wahrnehmen. Wen schicken Sie da?
RIEDEL: Wir suchen suchen gezielt Mitarbeiter aus den Fachbereichen aus, die dann zu Vorträgen, Karrieremessen oder auf Meetups gehen. Wir haben derzeit etwa 100 Kollegen, die ProSiebenSat.1 auf solchen Events vertreten.
CW: Setzen Sie beim Recruiting Personalvermittlungen ein?
RIEDEL: Vor einigen Jahren haben wir noch zahlreiche Headhunter beauftragt, mittlerweile haben wir aber ein eigenes Recruiting-Team, das erfolgreich die Stellen besetzt. Der Großteil der IT-Talente sucht heute nicht aktiv nach einem Job, ist aber trotzdem offen für Angebote. Wir sehen, dass eine „Post & Pray“-Mentalität im Recruiting nicht mehr funktioniert und wir durch eine Direktansprache viele Stellen schneller und kostengünstiger besetzen können. Zudem schätzen es ITler mehr, vom Unternehmen direkt angesprochen zu werden als vom Headhunter.
CW: Sprechen Sie Kandidaten anders an als früher?
RIEDEL: Das funktioniert heute nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip, heute ist PersonaMarketing angesagt: Einen Investment-Banker muss ich anders ansprechen als einen ITler. Einen Entwickler interessiert vielleicht eher die Arbeitsatmosphäre, mit welchen Tools er zu tun hat und ob er seine Ideen einbringen kann. Jede Zielgruppe muss anders adressiert werden. Das macht unsere Arbeit im Employer Branding deutlich komplexer.
CW: Wonach fragen IT-Spezialisten im Bewerbungsgespräch konkret?
WECHSLER: Sie fragen nach dem TechnologieStack, den Arbeitsmethoden, ob sie Cloud-Angebote nutzen dürfen oder ob es freies WLAN auf dem Campus gibt. Arbeitsumfeld, Technologien, Kultur – diese Dinge sind wichtiger als klassische Statussymbole wie Dienstwagen oder Einzelbüro.
CW: Wie punkten Sie gegen Ihre Mitbewerber auf der Sucher nach Talenten?
WECHSLER: Ich sehe zwei Punkte, in denen wir besonders stark sind. Erstens können Mit- arbeiter bei uns schnell Verantwortung übernehmen. Ein kleines Team von zehn Leuten baut eine eigene App. Die Nähe zum Produkt, die Verantwortung dafür und die unmittelbare Sichtbarkeit zeichnen uns aus. Hier können Entwickler Produkte erschaffen, die sehr schnell auf den Markt kommen. Stichwort „Create“.
Der zweite Punkt ist „Connect“: Wir sind kreativ, innovativ und haben flache Hierarchien, arbeiten agil und funktionsübergreifend zusammen. Bei einer TV-Show wird direkt überlegt, wie die Geschichte online verlängert werden kann, welche Social-Media-Kanäle sich dazu eignen und welche Vermarktungsmöglichkeiten wir Werbekunden anbieten können.
CW: Was steht in Sachen Employer Branding in diesem Jahr an?
RIEDEL: Wir sind wieder Hauptsponsor der Stylight-IT-Konferenz „Daho.am“am 24. Juli in München. Zudem planen wir im Herbst unseren dritten Hackathon „Code Twenty Four“, in dem binnen 24 Stunden eine funktionierende Anwendung programmiert wird. Wir werden weiter Meetups zu Tech-Themen wie Machine Learning, Docker oder ReactJS veranstalten.
CW: Herr Wechsler, was steht bei Ihnen künftig an? Am 1. Juli wechseln Sie in die Geschäftsführung von MediaMarktSaturn IT. Werden Sie sich dort in Sachen Employer Branding auch wieder aktiv einklinken?
WECHSLER: Ich werde die Verantwortung für Infrastructure und Operations der gruppenweiten Retail- und Commerce-Plattform sowie für die IT aller Landesgesellschaften übernehmen. Da auch MediaMarktSaturn auf das Recruiting talentierter Mitarbeiter großen Wert legt, werde ich mich in meiner Rolle sicher auch im Employer Branding engagieren. Ich freue mich auf die neue Herausforderung, aber natürlich fällt es mir nicht leicht, das tolle ProSiebenSat.1-Team zu verlassen.