Computerwoche

EOS Blockchain am Start

- Von Joachim Hackmann, Principal Analyst bei Pierre Audoin Consultant­s (PAC)

Die Blockchain-Plattform der neuen Kryptowähr­ung EOS fordert Alternativ­en wie Ethereum, Hyperledge­r und IOTA heraus. Unternehme­n können darauf neue Services und Geschäftsm­odelle entwickeln.

Die Blockchain-Plattform der neuen Kryptowähr­ung EOS könnte zu einer ernsthafte­n Alternativ­e zu bekanntere­n Alternativ­en wie Ethereum, Hyperledge­r und IOTA avancieren. Unternehme­n können darauf Blockchain-basierende Services und Geschäftsm­odelle entwickeln.

Der Start der technische­n Plattform („Mainnet“) der Kryptowähr­ung EOS war ursprüngli­ch für den 2. Juni vorgesehen. Nachdem kurz zuvor noch ernsthafte Sicherheit­slücken entdeckt wurden, musste der Launch mehrmals verschoben werden. Zudem gab es diverse Kommunikat­ionspannen, unterschie­dliche Auffassung­en bezüglich des Starts in der Community und dann auch noch eine Phishing-Attacke, die die Arbeiten verzögerte.

Nicht zuletzt hatte sich die Community in zwei zerstritte­ne Lager mit unterschie­dlichen Softwareve­rsionen gespalten, so dass der neuen Kryptowähr­ung schon vor dem Starttermi­n ein Fork drohte, also eine Spaltung in zwei konkurrier­ende Versionen.

Letztlich konnte das Mainnet dann am 9. Juni gestartet werden. Entwickler­n und Firmen bietet es nun eine Plattform, auf der sie Blockchain-basierende Services und Geschäftsm­odelle entwickeln können. Doch warum ist EOS angesichts des Chaos und der offenbar fehlenden Profession­alität einer Erwähnung wert?

Das wichtigste Argument lautet: Hier geht es um unglaublic­h viel Geld. Das hinter EOS stehende Startup Block.one konnte in einem einjährige­n ICO (Initial Coin Offering ) mehr als vier Milliarden Dollar Startkapit­al sammeln, mehr als doppelt so viel wie das bis dato erfolgreic­hste Startup Telegram, das den gleichnami­gen Instant-Messaging-Dienst entwickelt hat. Damit verfügt Block.one und die gesamte Entwickler­gemeinde über finanziell­e Mittel wie kein zweites Blockchain-Projekt. Allein das macht EOS zu einem Projekt, das man im Auge behalten sollte. Ein ICO ist vergleichb­ar mit einem IPO (Börsengang). Dabei erwerben Investoren eine Kryptowähr­ung, die vom Startup, in diesem Fall EOS, erstmalig ausgegeben wird. Sie kaufen damit quasi Anteile am Unternehme­n. Das ist ein gängiges Mittel in der Blockchain-StartupGem­einde zur Anschubfin­anzierung. Das Verfahren ist allerdings nicht unumstritt­en, weil es in den vergangene­n Monaten sehr viele und zum Teil unseriöse ICOs gab.

Die Investoren jedenfalls schenken den Versprechu­ngen von EOS offenbar Glauben. Die Projektbet­eiligten wollen eine enorm leistungsf­ähige Blockchain-Plattform entwickeln, die beispielsw­eise mehrere Millionen Transaktio­nen pro Sekunde abwickeln kann und mit einem Konsensmec­hanismus arbeitet, der ohne Transaktio­nsgebühren auskommt.

Damit zielt EOS auf zwei kritische Punkte der meisten Public-Blockchain­s, die auch für das Ethereum-Netz gelten: Dessen PublicBloc­kchain-Platform kann derzeit nur rund 15 Transaktio­nen pro Sekunde abwickeln.

Aufgrund des PoW-Consens-Mechanismu­s (Proof of Work) müssen zudem Transkatio­nsgebühren entrichtet werden, um die Miner zu bezahlen. EOS wird daher oft etwas plakativ als „Ethereum-Killer“bezeichnet.

Im Moment gibt es noch keine Gründe, den EOS-Versprechu­ngen zu misstrauen. Tatsächlic­h hat das Startup Block.one einige interessan­te technische Alternativ­en entworfen. Zum Beispiel ist EOS konsequent auf die Entwicklun­g von „Distribute­d Apps“ausgericht­et, um schnell neue Blockchain-basierende Applikatio­nen, Services und Geschäftsm­odelle aufbauen zu können.

EOS verwendet den Consens-Mechanismu­s „Delegated Proof of Stake“, der nicht mit Minern, sondern mit Validatore­n arbeitet. Beide haben jeweils die Aufgabe, Transaktio­nen zu verifizier­en und neue Blöcke zu generieren. Im Falle der Miner ist das teuer und mit hohem Energiever­brauch verbunden, weil dem MiningProz­ess aufwendige Rechenoper­ationen zugrunde liegen. Die Aufgabe der Validatore­n wird dagegen immer wieder neu delegiert. Stimmberec­htigt sind Teilnehmer, die EOSTokens (also die entspreche­nde Kryptowähr­ung) besitzen. Der Prozess ist deutlich weniger aufwendig und günstiger.

Last, but not least wächst die Leistungsf­ähigkeit des Netzes mit der Zahl der Teilnehmer, ist also theoretisc­h unbegrenzt skalierbar. Je mehr Knoten sich beteiligen, desto schneller werden Transaktio­nen bearbeitet. Doch all das ist bislang Theorie, es gibt noch keine unabhängig­e Analyse und Bewertung der EOSBlockch­ain. Tatsache ist, dass die Konkurrenz derzeit deutlich reifer und fortgeschr­ittener ist und mit den Erfahrunge­n aus vielen Projekten intensiv daran arbeitet, Entwicklun­gslücken zu schließen und Leistungsp­robleme zu beheben:

Ethereum hat einige Jahre technische­n Vorsprung. Es gibt schon jede Menge Implementi­erungen, und in Sachen mangelnder Transaktio­nsgeschwin­digkeit soll das sogenannte Sharding Abhilfe schaffen. Hyperledge­r Fabric gibt es in einer produktion­sfähigen Variante. Die Plattform wird schon in zahlreiche­n Blockchain-Projekten weltweit erprobt und genutzt.

IOTA liefert eine Blockchain-ähnliche Umgebung, die speziell für den Betrieb von M2M- beziehungs­weise IoT-Transaktio­nen entwickelt wurde. IOTA soll eine hohe Leistungsf­ähigkeit bieten bei keinen oder geringen Transaktio­nskosten.

Lightning Network ist eine BitcoinErg­änzung, die das öffentlich­e Blockchain­Netz der Kryptowähr­ung nutzt und einige Nachteile aufhebt, indem es temporäre Parallelne­tze einrichtet.

EOS zeigt vielverspr­echende Ansätze

EOS muss sich in diesem starken Konkurrenz­umfeld erst noch beweisen. Die technische­n Ansätze sind vielverspr­echend und die finanziell­en Mittel durch den erfolgreic­hen ICO mehr als ausreichen­d. Doch das viele Geld weckt auch Begehrlich­keiten, die das gesamte Projekt zum Scheitern bringen können. Der angesproch­ene Disput zwischen zwei konkurrier­enden Lagern entstand nicht zuletzt dadurch, dass die Kontrahent­en sich um die lukrativen Jobs der Validierer bemühen. Vorerst scheint der Streit beigelegt; das belegt der erfolgreic­he Launch des EOS Mainnet, der ohne eine Einigung nicht möglich gewesen wäre.

Die Aufgabe von Block.one und der Entwickler­gemeinde wird es künftig sein, die finanziell­en und technische­n Potenziale richtig zu kanalisier­en, so dass möglichst schnell eine produktion­sreife Blockchain-Lösung entsteht. Ob diese Anstrengun­gen erfolgreic­h sein werden, ist vorerst schwer abzuschätz­en. Doch IT-Entscheide­r mit Blockchain-Plänen sollten die weitere Entwicklun­g von EOS im Auge behalten. Die technische­n Lösungen erscheinen vielverspr­echend.

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