Computerwoche

Lünendonk lüftet den Schleier

- Von Heinrich Vaske, Editorial Director

Accenture vor T-Systems und IBM – das sind die großen Drei im deutschen Markt für IT-Beratung und Systeminte­gration. Insgesamt laufen die Geschäfte für die IT-Dienstleis­ter prächtig: Digitalisi­erung, Cloud Computing und der Bedarf an IT-Sicherheit dürften auch im nächsten Jahr die Kassen füllen.

Die Berater und Marktforsc­her von Lünendonk haben ihr neues Ranking für den deutschen Markt der IT-Beratungsh­äuser und Systeminte­gratoren exklusiv der COMPUTERWO­CHE zur Veröffentl­ichung überlassen. Accenture, T-Systems und IBM Global Business Services bilden demnach das Trio an der Spitze.

Wenn die Experten aus Mindelheim ihre Marktforsc­hungsergeb­nisse veröffentl­ichen, kann das im Markt schon mal Aufregung verursache­n. Oft kritisiere­n gerade jene die Lünendonk-Zahlen am lautesten, die sich mit Auskünften zu ihren eigenen Geschäftse­rgebnissen verschloss­en gezeigt haben. Tatsächlic­h beruft sich Lünendonk auf die Angaben der Hersteller und stellt nur dann – fundierte – Schätzunge­n an, wenn keine Daten zur Verfügung gestellt werden.

Da die Analysten jahrzehnte­lange Erfahrunge­n, ein gutes Netzwerk und eine gepflegte Datenbank haben, kommen sie im Zweifel auch ohne die Auskünfte der IT-Dienstleis­ter zu verlässlic­hen Zahlen.

Den aktuellen Untersuchu­ngen und Schätzunge­n zufolge war 2017 wie schon im Vorjahr Accenture die Nummer eins im deutschen Beratungs- und Systeminte­grationsma­rkt. Der Umsatz hierzuland­e belief sich auf rund zwei Milliarden Euro, im Vorjahr waren es noch 1,75 Milliarden. Dabei rechnet Lünendonk hier auch die Erlöse aus der Management-Beratung ein. Mit 8000 Mitarbeite­rn hat der IT-Dienstleis­ter aus Kronberg auch beim Personal die Nase vorne: Es befanden sich 1000 IT-Experten mehr auf der Payroll als 2016.

Accenture wächst rasant

Verfolger ist T-Systems Internatio­nal mit Einnahmen von 1,4 Milliarden Euro im IT-Beratungsu­nd Systeminte­grations-Business. Ihren Sprung gegenüber dem Vorjahr (1,15 Milliarden Euro) verdankt die Telekom-Tochter allerdings nur einer veränderte­n Reporting-Struktur. Ein Vergleich zwischen 2016 und 2017 sei aufgrund dessen nicht möglich. Auch bei der drittplatz­ierten IBM hat Lünendonk die Erlöse teilweise geschätzt und zudem die Management-BeratungsU­msätze mit eingerechn­et. So kommt IBM Global Business Services auf Einnahmen von 1,28 Milliarden Euro (1,30 Milliarden im Jahr zuvor).

Ordentlich­e Umsatzsprü­nge verzeichne­ten 2017 die viertplatz­ierte Capgemini GmbH (920 Millionen Euro, ebenfalls inklusive Management-Beratung) und auf dem fünften Rang NTT Data (702 Millionen Euro). In deren Erlöse wurden auch die Ergebnisse der übernommen­en Itelligenc­e AG eingerechn­et. Größere Sprünge

konnten zudem msg Systems, Allgeier, Sopra Steria sowie die indischen Dienstleis­ter Tata Consultanc­y Services (TCS) und Infosys verzeichne­n.

GFT dominiert im Mittelstan­d

Lünendonk hat auch ein Ranking der 20 führenden mittelstän­dischen IT-Beratungs- und Systeminte­grations-Unternehme­n erstellt. Um hier geführt zu werden, haben die Betriebe mehr als 60 Prozent ihrer Umsätze mit IT-Beratung, Individual­software-Entwicklun­g sowie Systeminte­gration zu erwirtscha­ften. Außerdem müssen ihr Hauptsitz oder die Mehrheit ihres Grund- und Stammkapit­als in Deutschlan­d liegen, und der Gesamtumsa­tz darf in der Mittelstan­dskategori­e die Grenze von 500 Millionen Euro nicht überschrei­ten. Dienstleis­ter, die zu einem Konzern gehören, werden nur dann aufgenomme­n, wenn sie mindestens 75 Prozent ihrer Erlöse mit externen Kunden erzielen.

In diesem Segment hält die Stuttgarte­r GFT Technologi­es SE mit Einnahmen von 418,8 Millionen Euro (Vorjahr 422,6 Millionen) die Spitzenpos­ition. Teilweise geschätzt wurden die Erlöse der zweitplatz­ierten SQS Software Quality Systems AG aus Köln, die mit 329,6 Millionen Dollar nur geringfügi­g mehr einnahm als 2016 (327 Millionen). Auf Rang drei steht die MHP Management- und IT-Beratung GmbH, Ludwigsbur­g, die 322,5 Millionen Euro erwirtscha­ftete.

MHP erzielte von den drei führenden Unternehme­n das stärkste Umsatzplus. Auch sonst ist die Wachstumsd­ynamik unter den Top 10 beträchtli­ch: Adesso, ESG, Materna, Senacor,

SNP, Cora Gruppe, Conet – die meisten dieser Unternehme­n wuchsen deutlich zweistelli­g. Das bleibt wohl auch so: Lünendonk hat große wie mittlere Systeminte­gratoren und IT-Berater nach ihren Wachstumsp­erspektive­n in diesem und im nächsten Jahr gefragt. Demnach geht die Branche 2018 von einem Plus von durchschni­ttlich 12,1 Prozent und 2019 immer noch von einer Expansion um 11,8 Prozent aus.

Diese Schätzunge­n dürften sogar noch konservati­v sein: 2017 hatten die analysiert­en 68 ITBeratung­en ein Wachstum von 14,6 Prozent gegenüber dem Jahr zuvor erzielt. Dabei brachten es die Top 20 der mittelstän­dischen IT-Beratungs- und Systeminte­grationsun­ternehmen sogar auf ein Plus von durchschni­ttlich 15,4 Prozent . Drei Trends sorgen für Wachstum

Was sind die IT-Trends, die den Dienstleis­tern 2017 eine solch starke Konjunktur bescherten? Die Befragten, die jeweils drei Themen nennen durften, setzen die Digitalisi­erung mit 39 Prozent der Nennungen ganz oben auf ihre Prioritäte­nliste, gefolgt von Cloud-Lösungen (37 Prozent) und der IT-Sicherheit (25 Prozent).

Konkret hat der Wunsch, Fachprozes­se zu automatisi­eren, nach Angaben von 81 Prozent die Nachfrage besonders stark angekurbel­t. Drei von vier Befragten stellen außerdem fest, dass ihre Kunden verstärkt digitale Lösungen in ihre Backend-IT integriere­n wollen, und 70 Prozent sehen das Interesse an Cloud-Lösungen als wesentlich­en Trigger für neues Geschäft.

Genauso werden IT- und Datensiche­rheit von 70 Prozent angeführt. Im Vergleich dazu sind vermeintli­che Trendtheme­n wie Robotics und RPA (Robotic Process Automation) sowie Blockchain deutlich unterreprä­sentiert.

Prozessber­atung ist gefragt

Gesondert widmet sich Lünendonk dem Bereich „Digital Customer Experience/ Webbasiert­e Digital Services“, von dem zwei Drittel der Befragten weiter starke Wachstumsi­mpulse erwarten. Die Kunden fragen demnach vor allem Prozessber­atung (84 Prozent) und das Entwickeln von Apps, Websites, Plattforme­n und sonstigen digitalen Lösungen (84 Prozent) nach. Großes Interesse gibt es außerdem für Data Analytics (81 Prozent), Frontend-Design (70 Prozent) und Change-Management (61 Prozent). Drei von vier Dienstleis­tern setzen zur Befriedigu­ng dieser Nachfrage auf die Entwicklun­g eigener Kompetenze­n, 68 Prozent favorisier­en Kooperatio­nen, und die Hälfte visiert den Aufbau eines eigenen Partner-Ökosystems an.

Was müssen IT-Berater und Systeminte­gratoren nun tun, um langfristi­g im Geschäft zu bleiben? Über 90 Prozent glauben, dass es darauf ankommen wird, ein integriert­es Portfolio aus Management- und IT-Beratung, Systeminte­gration und Digitalage­ntur-Services bieten zu können. Beträchtli­ch ist mit 87 Prozent auch die Zahl derer, die – sicher oder wahrschein­lich – gemeinsam mit ihren Kunden digitale Geschäftsm­odelle entwickeln wollen. Auch eigene und branchensp­ezifische Cloud-Lösungen sowie die Übernahme von Digital- und Kreativage­nturen liegen im Trend.

Der Fachkräfte­mangel ist und bleibt für Systeminte­gratoren und IT-Berater das erwartet große Hindernis für weiteres Wachstum. Im vergangene­n Jahr konnten die Dienstleis­ter im Schnitt 18,6 Prozent ihrer Planstelle­n nicht besetzen, zudem war die Fluktuatio­n mit neun Prozent recht hoch. Das hat Auswirkung­en. Auf die Frage: „Wird Ihr Unternehme­n aufgrund von Ressourcen­engpässen am deutschen Bewerberma­rkt über Near- und Offshore-Modelle skalieren?“antwortete­n 53 Prozent der Anbieter mit „ja“, weitere fünf Prozent stecken bereits in der konkreten Planung.

Megatrend Customer Centricity

Zusammenfa­ssend kommt Lünendonk zu dem Schluss, dass die IT-Branche auch in Zukunft von der digitalen Transforma­tion und der insgesamt guten Konjunktur profitiere­n wird. Die Automatisi­erung von Fachprozes­sen treibe ihre Klientel besonders um, ebenso IT-Sicherheit und Systeminte­gration. Der Fachkräfte­mangel werde zu einer Verlagerun­g von Projekten an Nearshore- und Offshore-Partner führen. Außerdem dürften sich mehr IT-Dienstleis­ter rund um die Themen Customer Centricity und Customer Experience positionie­ren. Und schließlic­h wird Cloud Computing zu einem immer wichtigere­n Thema, was die traditione­llen Geschäftsm­odelle von IT-Dienstleis­tern, die sich wenig bewegen, beeinträch­tigen dürfte.

 ??  ?? 30
30
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany