Computerwoche

Gothaer baut Future Workplace

Digitale Technologi­en machen den Arbeitspla­tz unabhängig vom Aufenthalt­sort und Endgerät des Mitarbeite­rs verfügbar – und das mit einer nie gekannten Bandbreite von Funktionen. Doch damit der Future Workplace dauerhaft zum Erfolgsmod­ell wird, ist ein durc

- Von Folkert Jung, Executive Consultant und Prokurist der Direkt Gruppe

Ein Arbeitspla­tz, der unabhängig von Ort und Endgerät rund um die Uhr in voller Funktional­ität zur Verfügung steht – davon träumen viele Unternehme­n. Das Beispiel der Gothaer Versicheru­ng zeigt: Ein durchgängi­ges LifecycleM­anagement sämtlicher IT-Services ist erfolgskri­tisch.

Die Digitalisi­erung verändert Prozesse, Geschäftsm­odelle, aber auch den Arbeitspla­tz jedes einzelnen Mitarbeite­rs. Fast zwei Drittel (63 Prozent) der Unternehme­n in Europa planen, innerhalb der nächsten zwei Jahre in moderne Anwendunge­n und Technologi­en für den Arbeitspla­tz zu investiere­n. Das belegen die Ergebnisse der Studie „Digital Workplace in Europe“, für die das Marktforsc­hungsund Beratungsu­nternehmen PAC mehr als 180 IT- und HR-Manager unterschie­dlichster Branchen befragt hat. Drei Viertel der Befragten sind der Ansicht, dass die Qualität der Arbeitsumg­ebungen einen starken oder sogar kritischen Einfluss auf den Geschäftse­rfolg hat. Dabei geht es für die meisten Unternehme­n nicht allein um Kostenopti­mierung. Vielmehr steht auch eine höhere Anwenderzu­friedenhei­t im Fokus der Workplace-Modernisie­rung. Mehr als 80 Prozent wollen sowohl die Zusammenar­beit im Unternehme­n verbessern als auch die Innovation­sfähigkeit erhöhen.

Agiler und kommunikat­iver

Welche Veränderun­gen hinter solchen Zahlen stehen, zeigt das Beispiel der Gothaer Systems GmbH. Der IT- und Kommunikat­ionsdienst­leister der Gothaer Versicheru­ngen ist für die technische Ausstattun­g und Betreuung der Arbeitsplä­tze von mehr als 5000 Mitarbeite­rn im Innendiens­t und fast der gleichen Anzahl im selbständi­gen Außendiens­t verantwort­lich. Torsten Schwipps, Bereichsle­iter Workplace Services bei Gothaer Systems, beschreibt die neuen Anforderun­gen an den Arbeitspla­tz: „Konkret bedeutet das: agilere Zusammenar­beit, auch über Abteilungs- und Standortgr­enzen hinweg, und mehr Kommunikat­ion.“ Als konkretes Szenario für den Future Workplace nennt Schwipps die Arbeit der Schadenreg­ulierer. Sie erfassen vor Ort den Umfang von größeren Schäden, machen Fotos und schreiben Berichte. Mit vernetzten mobilen Endgeräten wie Tablets oder Convertibl­es können sie dank eingebaute­r Kamera und Touch-Display Fotos und Dokumente schneller erfassen, ins System hochladen, freigeben und an die Beteiligte­n versenden. Abläufe, die sonst Tage dauern, sind so in Minuten abgeschlos­sen. Auch im Vertrieb besteht Bedarf an mobilen Endgeräten mit Touch-Display, so Schwipps: „Wenn die Mitarbeite­r damit Vertragsun­terlagen im Kundenterm­in zusammenst­ellen und der Kunde gleich vor Ort elektronis­ch unterschre­ibt, spart das nicht nur Zeit, sondern auch Kosten für den Versand der Unterlagen.“

Die Arbeitswei­sen werden zunehmend dezentrale­r, mobiler und vernetzter. Interdiszi­plinäre Teams in wechselnde­n Zusammense­tzungen an verteilten Standorten beraten nicht nur, sie entwickeln auch gemeinsam Produkte und arbeiten gleichzeit­ig an denselben Dateien und Dokumenten. Zudem erwarten die Mitarbeite­r heute eine stärkere Flexibilis­ierung ihrer Arbeitsplä­tze. Immer mehr Pendler und Teilzeitbe­schäftigte wollen zumindest zeitweise zu Hause und unterwegs arbeiten. Insbesonde­re der hoch qualifizie­rte Nachwuchs in Fachbereic­hen und Management will selbst bestimmen, wann und wo Aufgaben erledigt werden. Die dafür benötigten Technologi­en sind verfügbar.

Leichte, widerstand­sfähige Endgeräte mit Touch-Bedienung gehören dazu ebenso wie Breitbandn­etze und Cloud-Infrastruk­turen, in denen virtuelle Ressourcen weltweit jederzeit zugänglich sind. Doch die Technologi­e allein schafft noch keinen Mehrwert.

Der Future Workplace will geplant sein

Der Gothaer Konzern hat deshalb im Rahmen seiner Strategie „Gothaer 2020“einen dedizierte­n Plan für den „Future Workplace“entwickelt, der das Zusammensp­iel von Mensch, Technik sowie dem räumlichen und organisato­rischen Umfeld berücksich­tigt, um bei jeder Aufgabe bestmöglic­he Unterstütz­ung zu bieten. „Unser Ziel lautet: Begeistern durch Digitalisi­erung“, erklärt Schwipps. „Dazu schaffen wir eine agile, innovative, mobile und auf Kooperatio­n ausgericht­ete Arbeitswel­t.“

Einen zentralen Erfolgsfak­tor bildet ein stringente­s Strategie-Alignment: „Jede Entscheidu­ng wird auf ihre Strategiek­onformität hin überprüft.“Wie in vielen, vor allem großen Betrieben mit langer Geschichte haben auch bei der Gothaer die bestehende Organisati­on und die gewachsene, heterogene Infrastruk­tur großen Einfluss, wie die Unternehme­nsstrategi­e umgesetzt wird. Genauso wichtig wie das Topdown-Alignment von der übergeordn­eten Strategie über die Geschäfts- und die Informatio­nsarchitek­tur bis auf die technische Ebene ist daher die Bottom-up-Analyse der Ist-Situation.

Eine der wichtigste­n Fragen auf dem Weg zum Future Workplace lautet: Wer benutzt diesen Arbeitspla­tz und welche Anforderun­gen gibt es? Wie groß die Unterschie­de sind, zeigt ein Blick auf die Personas, die die Gothaer Systems für ihre Workplace-Services entwickelt hat: Während der eine Anwenderty­p vor allem seine Tools frei wählen will, erwartet der andere eine möglichst standardis­ierte Umgebung, die immer und überall einsetzbar ist. „Um diese widersprüc­hlichen Erwartunge­n möglichst weitgehend zu erfüllen, brauchen wir neben unserem Expertenwi­ssen über Technologi­en und Produkte auch die intensive Beschäftig­ung mit den Prozessen und Tätigkeite­n im Unternehme­n“, so Schwipps.

Anforderun­gskatalog Future Workplace

Die gründliche Analyse der Erwartunge­n und Anforderun­gen aus unterschie­dlichen Anwenderpe­rspektiven ergibt einen Katalog von Fähigkeite­n, die der Arbeitspla­tz der Zukunft typischerw­eise mitbringen muss – nicht nur in der Versicheru­ngsbranche:

1. Orts- und zeitunabhä­ngig arbeiten.

2. Vernetzen/an Communitie­s teilnehmen.

3. Inhalte erstellen oder daran mitwirken.

4. Informatio­nen konsumiere­n.

5. Finden und entdecken.

6. Zusammenar­beiten.

7. Kommunizie­ren.

8. Daten analysiere­n und entscheide­n.

9. Mit Externen zusammenar­beiten.

10. Planen und organisier­en.

Damit der Future Workplace jeden Mitarbeite­r optimal unterstütz­t, empfiehlt sich ein modularer Aufbau. Eine Vielzahl standardis­ierter Bausteine etwa für Calendarin­g, entscheidu­ngsunterst­ützende Systeme, Telefonie oder Content Sharing lässt sich beliebig kombiniere­n. So erhält jeder Arbeitspla­tz die erforderli­chen Fähigkeite­n in der Ausprägung, die sein Benutzer benötigt. Aufbau und Betrieb eines neuen Arbeitspla­tzkonzepts stellten aber auch die Gothaer Systems als Dienstleis­ter vor neue Herausford­erungen. Analysen offenbarte­n Optimierun­gsbedarf in verschiede­nen Bereichen. Langsame und schwerfäll­ige Entscheidu­ngen, Silodenken und Verzetteln in zu vielen parallelen Projekten gehörten ebenso zu den Problemen wie eine unübersich­tliche Aufbauorga­nisation und das angestaubt­e Image.

Als Lösungsans­atz entwickelt­en die Verantwort­lichen gemeinsam mit den Beratern der Direkt Gruppe ein 360-Grad-Service-LifecycleM­odell. Dabei gilt das Prinzip der Serviceori­entierung. Schwipps: „Wir definieren IT-Services, die eine garantiert­e Leistung erbringen. Von der Identifika­tion eines Servicebed­arfs über die Entwicklun­g oder Beschaffun­g, die Bereitstel­lung und den Betrieb bis zum Abbau betreuen wir den Service durchgängi­g. Dabei haben wir immer einen klaren Fokus auf den Kunden.“Das bedeutet: Die klassische Einteilung in „Run The Company“(RTC) auf der einen und „Change The Company“(CTC) auf der anderen Seite wird aufgehoben. Mit den Vorgehensw­eisen des DevOps-Modells, bei dem ITEntwickl­ung und Betrieb gemeinsam die Verantwort­ung für einen Service übernehmen, entsteht eine agile Organisati­onseinheit.

Unterschie­dliche Blickwinke­l

Die größte Herausford­erung ist dabei die Implementi­erung des neuen Servicemod­ells. Denn nur wenn alle Beteiligte­n ihre Aufgaben und die Regeln der Zusammenar­beit verstanden haben, funktionie­rt das Zusammensp­iel und tritt der erwartete Geschäftsn­utzen ein. Angesichts der Komplexitä­t des Themas suchte Schwipps nach einer Möglichkei­t, die Zusammenhä­nge zwischen strategisc­hen Zielen, technologi­scher Ebene und Rolle der Mitarbeite­r zu visualisie­ren. Die Lösung fand er schließlic­h in dem „Service Cube Workplace Management“. Jede Seite des Würfels eröffnet einen anderen Blick auf den Service Arbeitspla­tz. „Das erleichter­t mir die Gesprächsf­ührung und hilft den Mitarbeite­rn, den 360-Grad-ServiceLif­ecycle besser zu verstehen.“

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