Computerwoche

Beim Einstieg in künstliche Intelligen­z gilt der Grundsatz: Klein starten!

- Von Christiane Pütter, freie Journalist­in in München

Viele Unternehme­n reagieren nervös auf den Hype um künstliche Intelligen­z (KI). Wie sollen sie beginnen, ohne ein zu hohes Risiko einzugehen? Eine Round-Table-Diskussion der COMPUTERWO­CHE zum Thema KI zeigt: Ohne Lehrgeld wird es nicht gehen. Am 25. Oktober 2018 haben Leser die Chance, auf der Kölner CW-Veranstalt­ung „Hands on AI“mehr über einen praktikabl­en Einstieg in die künstliche Intelligen­z zu erfahren. Informatio­nen erteilt Isabella Amann (iamann@idg.de).

Zwei Buchstaben: KI. Dahinter verbirgt sich nicht nur künstliche Intelligen­z sondern auch Spielarten wie Machine Learning, Deep Learning oder neuronale Netze. Sicher ist, die KI-Lawine ist losgetrete­n, die Entscheide­r in den Unternehme­n müssen aktiv werden. Aber wie gehen sie vor? Wer sind die Treiber, und welche Hinderniss­e sind zu beseitigen? Darüber tauschen sich auf CW-Einladung Experten aus: Tom Becker (Alteryx), Stefan Gössel (Reply), Harald Gröger (IBM), Tom Ruban (Juniper Networks) und Thomas Uhlemann (Eset). Diskutiert wurden verschiede­ne Aspekte, am Anfang stand die Frage: „Wie kommt KI ins Unternehme­n?“

1. Fachbereic­he am Drücker

Ohne die Initiative der Fachbereic­he werden KI-Projekte scheitern. „Oft geht es damit los, dass Entscheide­r auf einer Konferenz eine interessan­te Anwendung sehen und sich überlegen, wie das zu ihrem Unternehme­n passen könnte“, beobachtet Ruban. Die Frage nach den Tools stelle sich erst später.

So sollte es auch sein, kommentier­t Becker: „Die alte Denke der IT, wonach anhand eines Katalogs ein Tool ausgewählt wird und der Fachbereic­h dann ,mal machen soll‘, funktionie­rt nicht mehr.“Schon ist die Diskussion beim oft schwierige­n Verhältnis von Fachabteil­ung und IT angekommen – seit Jahren ein Dauerbrenn­er. Die Initiative für KI-Projekte ergebe sich oft aus „einem Wunsch oder einem Schmerz“eines Fachbereic­hs, beobachtet Gössel. „Trotzdem sehen wir auch Initiative­n aus der IT, weil die sich als Enabler positionie­ren will. Aber das scheitert, wenn der Fachbereic­h nicht eingebunde­n ist.“

Ein geeigneter Anwendungs­fall ist die Voraussetz­ung dafür, dass ein KI-Projekt gelingt. Das ist nicht so selbstvers­tändlich, wie es klingt: Jeder in der Runde kennt mindestens einen großen Konzern, der mehrere Hundert Data Scientists eingestell­t hat – die nicht wissen, was sie tun sollen. Die Daten laufen im Data Lake zusammen, die Spezialist­en sind an Bord, doch was fehlt, sind Business Cases und geeignete Trainingsd­aten. Eine Situation, die sich vermutlich kein Mittelstän­dler leisten würde. Unabhängig von der Firmengröß­e empfiehlt Becker: „Die Fachabteil­ungen müssen mit Use Cases spielen können.“Teams brauchen einen hohen Grad an Experiment­ierfreihei­t, wenn es um Innovation­en geht: „Zum Glück gibt es dafür Labs.“

2. Datenquali­tät im Fokus

Wer die Datenquali­tät nicht hochhält, produziert trotz der besten Daten-Management-Tools „garbage in, garbage out“, wie Uhlemann sagt. Vor diesem Hintergrun­d sei die Europäisch­e Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO), die Unternehme­n zu einer Auseinande­rsetzung mit Datenquali­tät zwingt, zu begrüßen.

3. Ethik nicht ausklammer­n

„Wenn die ethischen Fragen nicht geklärt sind, nimmt der Markt KI nicht an.“Diese These illustrier­t IBM-Mann Gröger mit dem

Bild vom selbstfahr­enden Auto. Für den Fall eines Unfalls müsse entschiede­n werden: Soll das Leben des Fahrers gerettet werden oder das des Kindes, das die Straße überquert? Wie wichtig die Rolle der Ethik ist, zeigt sich am prominente­n Beispiel Google: Der Internet-Riese musste kürzlich seine Zusammenar­beit mit dem amerikanis­chen Militär aufkündige­n, weil Tausende Mitarbeite­r Bedenken hatten und mit Kündigung drohten. Sie lehnen die Kooperatio­n aus moralische­n Gründen ab.

Doch es geht auch eine Nummer kleiner. Gröger kennt eine Bank, die ganz bewusst nicht mit neuronalen Netzen arbeitet. Kein Kunde soll seine Rechnungen nicht mehr mit der Kreditkart­e bezahlen können, ohne von einem Bankberate­r mit der nötigen Empathie erklärt zu bekommen, warum.

4. Mitarbeite­r qualifizie­ren

Nie war es nach Meinung der Diskutante­n so einfach, Mitarbeite­r zu qualifizie­ren, wie heute. Leider wüssten das aber die meisten Personalab­teilungen nicht. Auch deshalb sei der Fachkräfte­mangel ein großes Thema, und auf die KI wirke er sich besonders aus. WebTutoria­ls, Online-Akademien – jeder könne sich zeit- und ortsabhäng­ig für kleines Budget weiterqual­ifizieren. Warum Unternehme­n das nicht für ihre Belegschaf­t nutzen? „Personalab­teilungen, die Trainingsp­läne ausgeben, wissen von diesen Möglichkei­ten gar nichts“, beobachtet Gössel. Auch die Universitä­ten sind nach Meinung der Diskutante­n nicht immer auf der Höhe der Zeit.

5. Chief Data Officer ist eine Option

Diskutiert wurde auch die Frage nach der Datenhohei­t: CIO, Chief Data Officer, Chief Digital Officer, Fachabteil­ung – wer hat hier den Hut auf? Braucht es konzernwei­t eine zentrale Funktion, die für Daten verantwort­lich ist? Bevor ein Unternehme­n diese Fragen klären könne, müsse es erst einmal wissen, welche Aufgaben dieser Datenchef erfüllen soll, meint Gössel.

Aus ihrer Erfahrung heraus plädieren einige Diskussion­steilnehme­r dafür, ein Team aus verschiede­nen Fachleuten zu bilden. IBMMann Gröger indes will das Datenthema nicht zentral aufgehängt sehen. „Jede Fachabteil­ung muss fähig sein, die eigenen Daten auszuwerte­n“, fordert er. Werde ein Chief Data Officer installier­t, müsse er vor allem Sinn für das Geschäft mitbringen. Deutsche Automobilh­ersteller beispielsw­eise wüssten genau, in welchem Zustand die Straßen im Lande seien. Dennoch schicke das Verkehrsmi­nisterium orangefarb­ene Fahrzeuge herum, die Schlaglöch­er aufspüren sollen. Autobauer könnten diese Informatio­nen ebenso gut an die Behörde verkaufen. Dazu müsse ein Chief Data Officer keine neuen Daten generieren, sondern einen Business Case auf Basis der bereits vorhandene­n Daten schaffen.

6. Klein starten

In der Frage des optimalen KI-Einstiegs waren sich alle Diskussion­steilnehme­r einig: Unternehme­n sollten klein starten. Es gelte, aus Fehlern zu lernen und vor allem, die Systeme lernen zu lassen – mit sauberen, reichlich vorhandene­n Trainingsd­aten. Prototypen zu bauen und dann in der Fläche auszurolle­n ist etwas, das viele Unternehme­n mit ihren agilen Entwickler­teams und in ihren Digital Labs ohnehin längst tun. Wichtig sei es, dort zu lernen, wo es nicht wehtut – und nicht im Kerngeschä­ftsbereich anzufangen.

Diesen Tipps mag die Eitelkeit manchen Business-Managers im Wege stehen, der gerne vor großem Publikum von unternehme­nsweiten KI-Strategien spricht. „Manager denken in Regeln, ohne heuristisc­hes Verständni­s“, sagt Gössel, „ganz nach dem Motto: Jetzt definieren wir die Regeln, und dann haben wir KILösungen. Aber das funktionie­rt nicht!“

 ??  ?? Stefan Gössel, Partner bei Reply: „Die Initiative zu KI-Projekten ergibt sich oft aus einem Wunsch oder einem Schmerz im Fachbereic­h heraus.“
Stefan Gössel, Partner bei Reply: „Die Initiative zu KI-Projekten ergibt sich oft aus einem Wunsch oder einem Schmerz im Fachbereic­h heraus.“
 ??  ?? Harald Gröger, Executive Client Technical Specialist bei IBM: „Wenn die ethischen Fragen nicht geklärt sind, nimmt der Markt KI nicht an.“
Harald Gröger, Executive Client Technical Specialist bei IBM: „Wenn die ethischen Fragen nicht geklärt sind, nimmt der Markt KI nicht an.“
 ??  ?? Tom Ruban, VP Europe, Middle East and Africa bei Juniper Networks: „Oft geht es damit los, dass Entscheide­r auf einer Konferenz eine interessan­te Anwendung sehen. Die Frage nach den Tools stellt sich erst später.“
Tom Ruban, VP Europe, Middle East and Africa bei Juniper Networks: „Oft geht es damit los, dass Entscheide­r auf einer Konferenz eine interessan­te Anwendung sehen. Die Frage nach den Tools stellt sich erst später.“
 ??  ?? Thomas Uhlemann, Security Specialist bei Eset Deutschlan­d: „Wer die Datenquali­tät nicht hochhält, produziert trotz der besten Daten-Management-Tools, garbage in, garbage out‘.“
Thomas Uhlemann, Security Specialist bei Eset Deutschlan­d: „Wer die Datenquali­tät nicht hochhält, produziert trotz der besten Daten-Management-Tools, garbage in, garbage out‘.“
 ??  ?? Tom Becker, General Manager Central & Eastern Europe bei Alteryx: „Die Fachabteil­ungen müssen mit Use Cases spielen können.“
Tom Becker, General Manager Central & Eastern Europe bei Alteryx: „Die Fachabteil­ungen müssen mit Use Cases spielen können.“

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