Mit Gaming-Daten zu besserer KI
Bei Machine-Learning- und KI-Projekten sind Trainingsdaten ein häufiger Engpass. Hier können ergänzende Daten aus Computerspielen und virtuellen Realitäten so manche Lücke füllen.
Simulationsumgebungen sind nützlich bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz. Virtuelle Realitäten können sich damit im Kontext von Machine Learning und KI zum Katalysator für Projekte entwickeln.
Videospiele sind Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite fürchten Eltern Suchtverhalten und möchten die eigenen Sprösslinge lieber auf dem Sportplatz oder im Musikverein sehen, auf der anderen Seite ist Gaming ein veritabler Wirtschaftsfaktor geworden. Ganze Ligen und Ökosysteme entstehen in der Szene, und für nicht wenige Jugendliche bedeuten Computerspiele den Einstieg in Technik und IT, vielleicht sogar eine berufliche Perspektive.
Dass Videospiele auch die Technologie vorantreiben, mag das Beispiel der Grafikkarten verdeutlichen: Sie haben durch das Gaming eine enorme Entwicklung erfahren und sind heute in Bereichen wie künstliche Intelligenz (KI) und Blockchain unentbehrlich. Von der Spielkonsole bis zum Computer, vom Smartphone bis hin zum Smart-TV: Spiele und virtuelle Welten sind allgegenwärtig – wenn wir es denn zulassen. Davon wird unser digitaler Alltag in mehrfacher Hinsicht profitieren.
So können Daten aus Virtual-Reality-Welten dazu beitragen, Machine-Learning-Szenarien in kürzeren Zyklen als bisher voranzubringen. Um entsprechende Projekte zum Erfolg zu führen, müssen die jeweiligen Algorithmen mit Unmengen von Trainingsdaten gefüttert werden. Erst dann entstehen Modelle, die verlässlich Entscheidungen treffen, Klassifikationen vornehmen oder ähnliches Sinnvolles zu einem Produkt beitragen. Unternehmen stehen oft vor der Frage, woher sie diese Daten nehmen sollen.
Sicher eignen sich die vorhandenen Datenquellen oder Maschinen aus der Produktion, um Massendaten zu erzeugen, die später mit entsprechenden Algorithmen bearbeitet werden können und dann wertvolle Einsichten ermöglichen. Auch lassen sich vielfältige lizenzierbare oder öffentlich verfügbare Datenquellen anzapfen, um die eigenen Datenbestände um weitere Informationsquellen anzureichern. Doch in vielen Situationen führen diese Wege nicht ans Ziel, denn sie sind zu teuer oder zu zeitaufwendig, um einen Datenpool zu erzeugen. Daher gilt die Idee, virtuelle Realitäten zu nutzen, um an entsprechende Daten zu gelangen, zunehmend als eine interessante Alternative.
Betrachten wir das oft zitierte Beispiel für KI, das autonome Fahren. Hier hat es sich bewährt, Real-World-Daten aus Bibliotheken zu nutzen. So gibt es beispielsweise den CamVid- oder den Cityscapes-Datensatz. Damit die Maschine von diesen Beispielen lernen kann, müssen die verschiedenen Datenquellen auf Pixel-Ebene annotiert werden. Bei den erwähnten Datenquellen kann das zwischen 60 und 90 Minuten pro Bild dauern. Nutzt man aber ein fotorealistisches Computerspiel zur Extraktion von Einzelbildern aus der virtuellen Welt und annotiert diese, so liegt die Geschwindigkeit bei erstaunlichen sieben Sekunden. Das bedeutet eine enorme Zeitersparnis für Data-Science-Abteilungen. Hinzu kommt, dass unterschiedliche Wetterkonditionen in den Spielen gleich mit simuliert werden. Daher bekommt man aus den Spielen heraus auch Beispieldaten für unterschiedliche Wetterlagen.
Die TU Darmstadt hat in dem Paper „Playing for Data: Ground Truth from Computer Games“untersucht, wie gut die Gaming-Modelle im Vergleich zu anderen trainierten Modellen sind, und festgestellt, dass sich die Resultate vor allem dann sehen lassen können, wenn Realdaten um Gaming-Daten ergänzt werden. So ist die Synthetisierung von Beispieldaten aus Computerspielen wie dem hier untersuchte „Grand Theft Auto V“dazu geeignet, schnell gute Datensätze zu erzeugen. Simulationsumgebungen sind heute in vielen Forschungseinrichtungen und Abteilungen der Konzerne Realität. Hier können unterschiedliche Ideen erprobt werden, ohne dass extra Versuchsstrecken aufgebaut werden müssen – das spart Zeit und Geld.
Das Beispiel des autonomen Fahrens zeigt zudem, dass die Intelligenz der Fahrzeuge nicht nur mit Daten aus Videospielen trainiert werden kann, auch die Fahrten selbst lassen sich simulieren und anschließend bewerten. Da die Szenen zum Teil sehr real aussehen und auch die Inhalte von Videospielen meist sehr realitätsnah sind, kann die Maschine schnell auf die eigenen Fähigkeiten hin untersucht werden. Dazu kommt die Möglichkeit einer KI, das Spiel direkt mit anderen menschlichen Mitspielern spielen zu lassen. Damit ist die Simulation auch in der Interaktion mit anderen Verkehrsteilnehmern möglich, ohne diese zu gefährden. Kombiniert man diese Erkenntnisse mit den Daten und Informationen aus den realen Fahrten, dann lassen sich schnell gute Ergebnisse erzielen.
KI muss lernen, wie Menschen reagieren
Maschinen sollen uns mit Hilfe von künstlicher Intelligenz immer mehr Arbeit abnehmen und mit uns interagieren. Die KI soll also unser neuer Kollege sein. Doch dazu muss sie wissen, wie Menschen miteinander interagieren und in welchen Situationen sie wie reagieren. Auch hier können virtuelle Welten helfen, einer Lösung näherzukommen. In virtuellen Welten können künstliche Intelligenzen mit menschlichen Spielern interagieren und zeigen, was sie zu leisten oder vom Menschen zu lernen imstande sind.
Ein Beispiel für diesen Ansatz ist das Projekt „Malmo“aus den Forschungslaboren von Microsoft. Hier wurde mit Hilfe des Spiels Minecraft eine Open-Source-Plattform für künstliche Intelligenz entwickelt. Da das Spiel sowohl einfach als auch komplex ist, können in der Blockwelt nahezu unendliche Möglichkeiten für die Darstellungen von Objekten und die Interaktion mit den Nutzern abgebildet werden. Somit bieten diese und andere Projekte ebenfalls einen guten Ausgangspunkt für die Untersuchung und Konzeption von künstlicher Intelligenz mittels virtueller Realität.
OpenAI Gym – KI tritt gegen KI an
Wie schlau sind die künstlichen Intelligenzen wirklich? Und welche KI ist einer anderen überlegen? Auch hierfür gibt es eine virtuelle Umgebung, um genau diese Aspekte zu untersuchen. Die Non-Profit-Organisation OpenAI befasst sich mit genau dieser zentralen Frage. Ins Leben gerufen wurde sie maßgeblich von Tesla-Chef und KI-Kritiker Elon Musk. Der virtuelle Trainingsraum, das OpenAI Gym, macht künstliche Intelligenzen vergleichbar und erlaubt für sie eine Art Benchmark. Damit lassen sich verschiedenste Forschungsergebnisse besser nachvollziehen und einordnen. Zudem zeigt dieser Ansatz, dass auch hier wieder die Verbindung zwischen Virtueller Realität und künstlicher Intelligenz funktioniert.
Wie weit Anwender auch immer mit ihren eigenen KI-Projekten sein mögen: Mit virtueller Realität machen sie definitiv nichts falsch. Sie sollten herausfinden, welche Projekte und Forschungen zu ihren Themen laufen oder sich ein eigenes Projekt vornehmen. Computerspiel-Simulationen gibt es für die meisten Anwendungsfelder. Mit ihnen lassen sich unter Umständen hohe Kosten sparen und wertvolle Informationen gewinnen. Vieles spricht also dafür, den Ausflug in die virtuellen Welten zu wagen oder sich einfach mal mit den Kindern über die Welt der Videospiele zu unterhalten. Es kann sich lohnen.