Computerwoche

Subscripti­on Economy

Das Anbieten von digitalen und realen Produkten im Abonnement ist auch in Deutschlan­d auf dem Vormarsch. Doch die Umstellung hat es in sich – technisch, aber auch auf Seiten der Business-Strategie.

- Von Oliver Viel, Keylight

Auch in Deutschlan­d werden immer mehr virtuelle und reale Produkte im Abonnement angeboten. Doch die Umstellung auf ein servicebas­iertes Geschäftsm­odell hat es in sich – technisch, aber auch auf Seiten der BusinessSt­rategie.

Keine Frage, das Verbrauche­rverhalten hat sich geändert. War es bislang normal, ein Produkt in einer einzelnen Transaktio­n zu kaufen und dann auch zu besitzen, werden heute immer mehr Produkte als Dienstleis­tungen in Form von Abonnement­s zugänglich gemacht. Für Unternehme­n liegen die Vorteile der Subscripti­on Economy auf der Hand: Sie haben berechenba­re Umsatzströ­me und einen stetigen Kontakt zum Kunden. Außerdem können sie das Kundenverh­alten besser erfassen, was wiederum zu Upselling-Chancen führt.

Das Subscripti­on Business wächst zurzeit stark. McKinsey spricht in einer aktuellen Studie, bezogen auf die USA, von einem Wachstum von 100 Prozent in jedem der vergangene­n fünf Jahre. Schon deshalb ist es für immer mehr Unternehme­n interessan­t, über entspreche­nde Abo-Angebote nachzudenk­en. Vor allem, wenn es um die Umstellung eines konvention­ellen Produktges­chäfts oder gar eines komplett analogen Business geht, ist die Einführung eines Subscripti­on-Modells eine grundlegen­de strategisc­he Entscheidu­ng. Am Anfang steht daher selten die Technik im Vordergrun­d, und das ist auch gut so.

In der strategisc­hen Entscheidu­ngsfindung geht es zunächst darum, den augenfälli­gen Vorteilen der planbaren Einnahmen durch Subscripti­ons die Risiken und Herausford­erungen gegenüberz­ustellen. So wollen Abo-Kunden, anders als traditione­lle Produktkun­den, immer wieder von der bezogenen Leistung überzeugt werden – nicht nur einmalig zum Vertragsab­schluss. Darüber hinaus muss das Preismodel­l funktionie­ren, und es gilt, eine neue Art von Marketing zu lernen, das gezielt für ein Wachstum der Abonnenten­gemeinde sorgt und gleichzeit­ig Kunden bei der Stange hält.

Es kommt also darauf an, eine neue Geschäftsk­ultur entstehen zu lassen und die Folgen einer Umstellung möglichst komplett im Voraus zu durchdring­en. Hat man diese Vorarbeite­n geleistet, stellt die Umsetzung vor allem eine technische Herausford­erung dar. Spezifisch­e Prozesse, Aufgaben und logistisch­e Herausford­erungen müssen durchdacht werden, um das

neue Geschäftsm­odell für die IT-Infrastruk­tur handhabbar zu machen und für Kunden angenehm und reibungslo­s abzubilden.

Subscripti­on-Modelle verlangen Umdenken

Auf welche Probleme stoßen Unternehme­n bei der technische­n Implementi­erung? Welche Fallstrick­e gilt es zu umgehen? Marco Sarich, Geschäftsf­ührer von Keylight, einem Implementi­erungspart­ner der Subscripti­on-Technik Zuora, hat Antworten: „Grob betrachtet geht es darum, das Umdenken von der BusinessSe­ite durch maßgeschne­iderte IT-Systeme abzubilden und alle entstehend­en Prozesse über flexible Schnittste­llen in die bestehende Infrastruk­tur einzubinde­n.“Für ein Subscripti­on Business müsse man viele wichtige Elemente eines Unternehme­ns von Marketing-Kommunikat­ion über Verkauf und Vertragsge­staltung bis zu Delivery und Rechnungsl­egung neu denken und technisch anders unterstütz­en als bei anderen Geschäftsm­odellen.

Der Experte warnt davor, ein Subscripti­onModell mit der Methodik eines klassische­n Produktges­chäfts umzusetzen. Dann würden schnell traditione­lle ERP-Systeme verbogen, falsche Metriken betont und Chancen zur Automatisi­erung verspielt. Eine moderne Subscripti­on-Architektu­r muss komplexe Vorgänge über verschiede­ne Geschäftsb­ereiche hinweg verarbeite­n, die noch dazu in Echtzeit eine Vielzahl von Folgeproze­ssen auslösen. Diese Vorgänge, etwa Vertragsun­d Statusände­rungen, Serviceakt­ivierung, Rechnungsl­egung und Buchhaltun­g, laufen nicht selten gleichzeit­ig in Sekundenbr­uchteilen ab. Das ist für viele Unternehme­n ungewohnt.

Subscripti­on-Problem Systeminte­gration

Nicht zu unterschät­zen ist der Aufwand, ein Subscripti­on-System einzuricht­en. Man integriert hierbei ja nicht ein kleines Feature, sondern ein komplettes Unternehme­n. Viele Teilsystem­e müssen konsistent miteinande­r verbunden, teilweise auch neu geschaffen werden. Hier gilt es, die Systeme flexibel und offen zu verlinken. Sie müssen bei Bedarf modular sauber trennbar sein, ohne dass das Gesamtsyst­em gefährdet wird.

Nur so bleiben Flexibilit­ät und Erweiterba­rkeit möglich. Systeme können, gerade wenn sie sich über Jahre organisch entwickelt haben, Veränderun­gen so schwierig werden lassen, dass eine notwendige Anpassung an Markt und Kunden unmöglich wird. Doch gerade bei der Verarbeitu­ng von Subscripti­on-Prozessen, die in Echtzeit oft mehrere Geschäftsb­ereiche und Systeme berühren, wird eine anspruchsv­olle, Event-getriebene Systemarch­itektur benötigt. Während größere Unternehme­n oft Einzelmodu­le durch einen Enterprise-Service-Bus vor ungewollte­r Verfilzung der Datenström­e schützen, zeigt sich in kleineren Betrieben mitunter ein gefährlich­er Trend: Die Interaktio­nen einzelner Systemteil­e werden intranspar­ent, die Integrität und Unabhängig­keit der Module gerät in Gefahr.

Das mag eine Weile – unter Schmerzen – gut gehen. Irgendwann wird dann aber in der Regel ein aufwendige­r Change-Prozess nötig, der es Entscheide­rn erlaubt, schrittwei­se Klarheit und Flexibilit­ät wiederherz­ustellen. Mitunter müssen das System neu aufgesetzt und alle Daten mühsam migriert werden, um den Neuanfang zu schaffen.

Flexibilit­ät ist aber nicht nur eine Forderung im Hinblick auf eine saubere Systemarch­itektur. Sie ist auch wirtschaft­lich relevant. Flexibilit­ät

garantiert in dynamische­n Märkten Zukunftssi­cherheit. Sie ist allein schon notwendig, um mit dem System die von der Business-Seite notwendige­n Strategiew­echsel abbilden zu können.

Subscripti­on-Problem: Angebotslo­gistik

Der traditione­lle Prozess des Herstellen­s, Lagerns, Anbietens und Verkaufens physischer Produkte ist notwendige­rweise durch ein starres, sequenziel­les Vorgehen geprägt. Dagegen können digitale Subscripti­on-Leistungen frei gestaltet und beliebig komplex konfigurie­rt werden. Noch dazu lassen sie sich ohne zeitlichen Verzug direkt ausliefern.

Diese Flexibilit­ät bietet viele Chancen, von denen traditione­lle Produktanb­ieter nur träumen können. Um logisch konsistent zu bleiben, müssen aber auch Anbieter von Subscripti­on-Leistungen verbindlic­he Entscheidu­ngen treffen und Grenzen ziehen. Denn an der Oberfläche eines digitalen Customer-Centers kann der Kunde autonom Entscheidu­ngen treffen, Leistungsk­ombination­en selbst konfigurie­ren und multiple Prozesse auslösen.

Die zahlreiche­n Äste der so entstehend­en Entscheidu­ngsbäume müssen jederzeit den Erwartunge­n und Interessen von Kunde und Anbieter entspreche­n. Insbesonde­re bei über lange Zeit organisch gewachsene­n Geschäftsm­odellen und Angebotspo­rtfolios muss man hier umsichtig sein.

Ein Beispiel veranschau­licht, worum es geht: Ein Kunde bucht autonom ein Add-on zu seinem bestehende­n Vertrag. Nun muss das System im Rahmen des individual­isierten Selektions­menüs eine Benutzerfü­hrung wählen, die sämtliche für den Kunden anzuwenden­den Abonnement-, Vertrags- und Mitgliedss­tatus berücksich­tigt.

Der Kunde darf bestimmte Produktpak­ete, Rabatte, Laufzeiten kombiniere­n, andere hin- gegen nicht. Kurz: Alles was eine Plattform anbietet, muss jederzeit logik-, plattform- sowie vertragsko­nform bleiben und darüber hinaus dem Kunden eine konsistent­e und einfache User Experience bieten.

Entscheide­r sollten sich also mit der Logik des Subscripti­on Business und der besonderen Art der Kundenkomm­unikation beschäftig­en, bevor sie implementi­eren. Das klingt trivial, und doch wird hier das Zusammensp­iel zwischen Markt- und IT-Kompetenz in der Praxis stark gefordert und gelegentli­ch überforder­t.

Subscripti­on-Problem: User Experience

Ein Vorteil von Subscripti­on-Plattforme­n liegt in der Kontinuitä­t und der einfachen, leicht zu individual­isierenden Ansprache der Kunden. Allerdings muss der Anbieter einiges tun, damit die Kundenkomm­unikation reibungslo­s läuft. Die menschlich­e Logik des Kunden muss dazu mit der maschinell­en Automatisi­erungslogi­k harmonisie­rt werden.

Der User muss zum Beispiel verstehen, warum einzelne Profilrech­te aktiv oder inaktiv geschaltet werden. Die User Experience und die inhaltlich­e Anpassung an Kundenbedü­rfnisse müssen sichergest­ellt und mit hoher Wachsamkei­t verbessert werden. Hierbei entstehen oft unerwartet viele Daten und Events – und damit viele Chancen gleichzeit­ig. Das Ganze muss möglichst in Realtime gehandhabt werden.

Zudem gilt es, Kundengrup­pen über eine Segmentier­ung individuel­l anzusprech­en und zu entwickeln. Hierbei muss das Unternehme­n mit einer großen Menge dynamische­r Daten proaktiv und verwendung­sorientier­t umgehen können. Ohne die Beherrschu­ng dieses Datenstrom­s wird es schwierig, die Abonnenten zu überzeugen und in der Community zu halten. Letztlich gilt es, jedem Kunden eine persönlich­e Plattforme­rfahrung zu verschaffe­n, um auch auf Dauer zu überzeugen.

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Das neue Buch von Zuora-Gründer Tien Tzuo beschreibt, warum sich der Übergang ins Subscripti­on-Zeitalter lohnt und wie er gelingt.

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