Künstliche Intelligenz ist Chefsache
Fünf Tipps für gelungene Einführungsprojekte.
1. Machterhalt oder Angststarre zerstören KI-Projekte, demotivieren Mitarbeiter und riskieren die Zukunft von Unternehmen.
Es ist menschlich nachvollziehbar, wenn wir aufgrund der medial aufgeputschten Geschichten von der angeblichen Zerstörung von 30 bis 50 Prozent aller Arbeitsplätze Angst haben, dass ein KI-Projekt in der eigenen Abteilung einen Arbeitsplatzverlust zur Folge haben wird. Nur wenige Mitarbeiter werden locker und mit Freude darangehen, sich selbst wegzurationalisieren.
Manche Führungskraft wiederum bangt zwar nicht um den eigenen Job, aber um ihren Einfluss, wenn die eigene Abteilung modernisiert und viele Aufgaben durch KI automatisiert werden. Wenn etwa von 20 Mitarbeitern 15 in andere Bereiche gehen oder das Unternehmen verlassen, besteht das Team noch aus fünf Personen und „einer KI“– ist dann nicht vielleicht auch diese Führungskraft überflüssig? Viele Chefs werden ihren Status und Einfluss gefährdet sehen und sich dagegen wehren.
2. Altes, gewohntes Denken verhindert, dass wir uns mit Digitalisierungs- und KI-Ideen beschäftigen – mit einfachen wie mit revolutionären.
„Der Mensch ist ein Gewohnheitstier“– nicht nur in seinem Verhalten, sondern auch in seinem Denken. Stabilität, Sicherheit, Vorhersehbarkeit gehören für die meisten zu den Grundpfeilern ihres Lebens und ihres Selbstvertrauens. Doch gerade Führungskräfte müssen ihren Mitarbeitern vorleben, dass der Spruch „Veränderung ist die einzige Konstante“keine Worthülse ist, sondern gelebt wird. Jede Führungskraft, die auf Ideen von Mitarbeitern mit Aussagen wie: „Das haben wir schon immer so gemacht“, „Das hat noch nie funktioniert“oder: „Zeigen Sie mir mal ein erfolgreiches Beispiel dafür“, reagiert, ist ein Hemmschuh – nicht nur für „normale“Veränderungen, sondern auch für KI-Ansätze.
Darüber hinaus verleiten psychologische Phänome wie der Not-invented-here-Virus oder die Sunk-Cost-Fallacy zu einem Festhalten an Altbekanntem – selbst wenn es nicht funktioniert. Not-invented-here-Virus meint: Wir lehnen die Ideen ab, die nicht von uns selbst kommen, auch wenn sie vielversprechend sind. Und Sunk-Cost-Fallacy heißt: Wir investieren weiterhin Geld in ein zum Scheitern verurteiltes
Projekt, obwohl ein Neuanfang wesentlich sinnvoller und kostengünstiger wäre.
3. Wer neue Ansätze entwickeln will, muss die alte Umgebung verlassen.
Das Einrichten eines „Think Tanks“oder Ideenstudios, vorzugsweise in Berlin, Tel Aviv oder San Francisco, ist ja schon fast Standard geworden. Und das ist gut so. Denn nur wer sich in inspirierende Umgebungen begibt, bekommt neue Eindrücke, die zu genialen Ideen führen können. Doch bleibt dabei häufig eine Komponente außen vor: der Kunde.
Wer ein Jahr lang im Silicon Valley lebt, wird unglaublich viele Inspirationen aufnehmen. Doch mit wie vielen Kunden hat er dabei zu tun? Vermutlich mit keinem. Der Mitarbeiter einer Fluggesellschaft wird im Digital Lab in San Franzisko wohl kaum einen potenziellen Passagier dabei beobachten, wie er ein Ticket bucht und sich ärgert, weil das dumme IT-System der Airline noch immer nicht kapiert hat, welches sein Lieblingssitzplatz ist. Genau das wäre aber wichtig.
Wer KI erfolgreich nutzen will, muss die Probleme der Kunden verstehen und lösen. Dazu reicht es nicht, sich in den Kreisen der KI-Elite herumzutreiben. Man muss sich auch immer wieder dorthin bewegen, wo das eigene Unternehmen sein Geld verdient: zu seinen Kunden. Manchmal ist das eben eher Castrop-Rauxel oder Bochum als San Francisco.
4. Digitalisierungsideen kommen nicht nur von Millennials.
Die Komplexität in den Abläufen aufzulösen, dafür braucht es keinen 23-jährigen Hipster. Über umständliche und störanfällige Abläufe beschweren sich Kunden und altgediente Mitarbeiter bereits seit 20 Jahren.
Was man braucht, ist eine Kombination des Wissens, indem etwa clevere Versicherungsexperten gemeinsam mit KI-Profis den Datenbestand analysieren und parallel dazu sämtliche komplexen Abläufe radikal vereinfachen.
Es geht nicht um ein Entweder – oder, sondern um ein Sowohl – als auch: eine Koexistenz von inhaltlichem Wissen, IT- und KI-Know-how. Unternehmen, die nicht nur davon reden, dass ihre Mitarbeiter so unglaublich wertvoll sind, sondern dieseTatsache nutzen, indem sie Erfahrene und Jüngere in Digitalisierungs-, Automatisierungs- und sonstigen Teams zusammenspannen, werden Erfolg haben.
Wer meint, dass ein Millennial eher versteht, was man mit KI machen kann, als ein lang ge- dienter Mitarbeiter, der liegt falsch. Nur weil jemand Snapchat benutzt oder am Computer spielt, hat er nicht zwangsläufig Ahnung davon, was mit moderner Technologie möglich ist. Die wenigen Personen, die das zumindest ansatzweise verstehen und für Unternehmen nutzbar machen, sind eher 37 oder 52 Jahre alt. Das Alter spielt keine Rolle – es geht um die Flexibilität und Kreativität in den Köpfen.
5. Die Angst vor Neuem ist eine menschliche Überlebensstrategie, aber sie hindert uns daran, unsere Möglichkeiten zu nutzen.
Unser Gehirn wurde evolutionär über Hunderttausende von Jahren geprägt. Meetings, Strategiesitzungen, Lenkungskreise und Design Thinking gibt es dagegen noch nicht so lange. Daher reagiert das Gehirn bei den meisten von uns auf Neuerungen erst einmal ängstlich. Keine Frage, KI bringt diverse Gefahren mit sich – aber auch unvorstellbare Chancen. Die Führungskraft, die mutig, offen und intelligent an die Untersuchung und den Test künstlicher Intelligenz in ihrem Unternehmen herangeht, wird im Vergleich zur angsterfüllten und ablehnenden Führungskraft unbezahlbare Erfahrungen machen und am Ende erfolgreicher sein. Und das bedeutet für Führungskräfte: Begeben Sie sich mit Ihren Mitarbeitern, Kunden und IT-/KI-Cracks in ein Boot und lassen Sie gemeinsam bislang nie in Erwägung gezogenes und „völlig Unmögliches“Realität werden.