Best Practices RPA
Das Thema Robotic Process Automation (RPA) kommt im Unternehmensalltag an. Auf dem Scheer Digital World Congress 2018 berichteten Anwender über ihre Erfahrungen und Best Practices.
Immer mehr Unternehmen setzen auf Robotic Process Automation (RPA). Scheer-Manager Ulrich Storck hat sieben Tipps, wie Sie Ihre RPA-Vorhaben erfolgreich aufsetzen können.
Betrachtet man den Gartner Hypecycle für Emerging Technologies, erreichte das Thema RPA (bei Gartner Smart Robots genannt) 2017 seinen Höhepunkt. Doch was passierte nach dem Hype? Verschwindet das Thema wieder von der Agenda oder schafft es den Übergang in die produktive Phase? Was für Erfahrungen und Lessons learned gibt es bereits? Mit diesen Fragen befasste sich Ulrich Storck, Head of Product Development bei der Scheer GmbH, in einem Vortrag auf dem Scheer Digital World Congress 2018 in Frankfurt am Main.
Storck verwies auf eine Studie der Information Services Group (ISG), für die knapp 250 Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zum Thema RPA befragt wurden. Der Erhebung zufolge befindet sich mehr als die Hälfte der befragten Betriebe derzeit in einer frühen produktiven Phase mit Piloten oder wenigen Einzelprojekten. Strategisch kommt die Automatisierungstechnik aber meistens noch nicht zum Einsatz. Sechs von zehn Unternehmen erwarten jedoch, in spätestens zwei Jahren mindestens zehn RPA-Prozesse aufgesetzt zu haben. Von diesen Early Adopters will über die Hälfte bis dahin sogar mehr als 25 Geschäftsprozesse an Softwareroboter übergeben haben. Wie Storck weiter ausführt, stellt sich bei den Anwendern aber auch eine gewisse Ernüchterung ein – geboren aus der Erkenntnis, dass RPA nicht die eierlegende Wollmilchsau ist, sondern nur ein Mittel von vielen.
RPA: Weder Hexenwerk noch Selbstläufer
Über bereits umgesetzte RPA-Projekte berichtete Dimitar Todorov, Head of IT Applications and Integration Services bei der Energieversorgung Niederösterreich (EVN). Das Unternehmen mit knapp 7000 Mitarbeitern befindet sich beim Einsatz von Softwarerobotern gerade in einem Proof of Concept, hat aber über die letzten Monate schon sechs bis sieben Anwendungsfälle realisiert.
Das bisherige Ergebnis fällt laut Todorov weitgehend positiv aus: Der Return on Invest (RoI) werde mit RPA „um Faktoren besser“, konstatiert der IT-Verantwortliche, auch die Time to Market werde kürzer. Außerdem sei die Umsetzung kein Hexenwerk, wenn für eine grafische Schnittstelle entwickelt werde. Allerdings, so Todorov, ist RPA nicht unbedingt ein Selbstläu-
fer. So erfülle sich der Traum von Wiederverwendung nur selten. Wichtig sei es, die Anwendungsfälle sorgfältig zu prüfen. In einem automatisierten Prozess Daten von A nach B zu schaufeln, ist laut Todorov der Idealfall. Der IT-Manager empfiehlt außerdem, bei einem RPA-Projekt alle Stakeholder rechtzeitig einzubeziehen. Dazu zähle auch der Betriebsrat. In seinem Unternehmen habe dieser das Projekt aktiv unterstützt, da RPA dazu beigetragen habe, Mitarbeiter von monotonen und damit frustrierenden Tätigkeiten zu befreien.
Zudem dürften die IT-Verantwortlichen nicht vergessen, dass sie sich mit RPA eine weitere Technologie ins Haus holten – mit allen Konsequenzen. Werde RPA erst einmal in der Breite eingesetzt, handele es sich um ein weiteres geschäftskritisches System, bei dessen Ausfall ganze Prozessketten stillstehen könnten. Außerdem habe RPA lizenztechnische Auswirkungen auf Drittprodukte etwa von SAP.
Bei einem relativ neuen Thema wie RPA ist ferner die Kompetenz des Technologiepartners wichtig. „Viele kennen das Potenzial noch nicht“, erklärt Todorov, auch das Wissen über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Lösungen am Markt reiche oft nicht aus. Aus diesem Grund sei ein Partner gefragt, der die Technik beherrscht und sich auskennt.
RPA als Self-Service
Interessant ist die Art und Weise, wie der österreichische Energieversorger die interne Zuständigkeit geregelt hat: Die IT bietet den Fachbereichen RPA als eine Art Self-Service an, allerdings nur angelernten beziehungsweise eingewiesenen Mitarbeitern, da gewisse Programmierkenntnisse erforderlich sind. Hintergrund war das Interesse der Fachabteilungen, selbst Prozesse auszuwählen und dem Softwareroboter zu übergeben, so EVN-Mann Todorov. Im Prinzip sei das richtig gewesen. Man müsse aber bedenken, dass es sich bei RPA um Softwareentwicklung handle, und damit sei eine Qualitätssicherung erforderlich. Andererseits brauche man für Anpassungen aber auch die Kenntnisse aus dem Fachbereich.
Die RPA-Anbieter wissen, dass sie sich mit ihren Produkten an der Schnittstelle zwischen IT und Geschäftsbereichen bewegen. Das gilt natürlich auch für die Scheer GmbH. So bietet das Karlsruher Unternehmen mit seiner „Scheer Process Automation Suite“(Scheer PAS), die eine Lösung des RPA-Spezialisten Uipath integriert, bereits eine Low-Code-Plattform für die modellgetriebene Digitalisierung und Automatisierung von menschlichen Arbeitsprozessen.
Das August-Wilhelm-Scheer-Institut (AWSI) wiederum entwickelt eine Methode, mit deren Hilfe Arbeitsprozesse automatisiert erfasst und dokumentiert werden können. Mit Desktop Activity Mining, das Techniken aus dem Data und Process Mining nutzt, würden Vorarbeiten entfallen, die bisher für RPA notwendig waren. Im Detail werden über ein im Hintergrund laufendes Aufnahmeprogramm die relevanten Prozessaktionen der Mitarbeiter wie Texteingaben, Mausklicks oder Programmaufrufe identifiziert und anonymisiert erfasst. Aus diesen werden dann mit Process-MiningAlgorithmen Prozessmodelle generiert, um eine umfangreiche Darstellung des realen Arbeitsprozesses zu erhalten.
Laut AWSI setzt Desktop Activity Mining im Gegensatz zu klassischen Process-Mining-Ansätzen, bei denen nur Transaktionsdaten aus IT-Systemen zur Beschreibung eines Geschäftsprozesses genutzt werden, auf der direkten Arbeitsebene der Mitarbeiter an. Es werden also auch solche Aktionen erfasst, die trotz ihrer Prozessrelevanz bisher nicht durch vorhandene IT-Systeme dokumentiert werden können – beispielsweise das Schreiben einer E-Mail.