Computerwoche

Legacy-Modernisie­rung – Altsysteme setzen IT-Teams unter Druck

In vielen Unternehme­n sind die geschäftsk­ritischen Anwendunge­n in die Jahre gekommen. Diese Legacy-IT ist aufwendig zu betreiben und bremst den digitalen Wandel. Im Rahmen einer Studie hat IDG Research Services Anwender befragt, wie weit sie mit der Moder

- Von Jürgen Mauerer, Journalist in München

In den meisten Unternehme­n sind die Systeme und Anwendunge­n über Jahre gewachsen. Deshalb laufen dort oft Applikatio­nen, die auf veralteten, nicht mehr unterstütz­ten Technologi­en und monolithis­chen Architektu­ren basieren. Sie treiben die Kosten für Betrieb und Wartung in die Höhe und stellen zunehmend ein Sicherheit­srisiko dar. Auch fehlen häufig Mitarbeite­r, die mit den alten Technologi­en vertraut sind.

Doch der digitale Wandel setzt die Firmen zunehmend unter Druck, ihre Bestandssy­steme zu modernisie­ren. Sie benötigen eine agile ITInfrastr­uktur, die sich flexibel an wechselnde Anforderun­gen anpasst. Das Gros der Firmen hat die Zeichen der Zeit erkannt und aktualisie­rt seine IT-Infrastruk­tur nach und nach. Das zeigen die Ergebnisse der aktuellen Studie „Legacy-Modernisie­rung 2018“, die COMPUTERWO­CHE und CIO-Magazin gemeinsam mit den Partnern Deloitte, EasiRun, Micro Focus, NTT Data Services, Nutanix, PKS Software und Rackspace realisiert haben. Dazu wurden 334 Entscheide­r aus der DACH-Region zu ihren Ansichten, Plänen und Projekten rund um die Legacy-Modernisie­rung befragt.

Digitalisi­erung funktionie­rt nur mit einer modernen IT

Die Unternehme­n sind demnach im Großen und Ganzen mit ihrer IT-Infrastruk­tur zufrieden. Gäbe es Schulnoten, würden sie ihre ITInfrastr­uktur mit „gut“bewerten. Die Durchschni­ttsnoten liegen bei allen abgefragte­n

Kriterien zwischen 2,09 und 2,49. Am besten schneidet das Thema Performanc­e (2,09) ab. Die Plätze zwei und drei belegen Usability (Benutzerob­erfläche) und Ausfallsic­herheit, gefolgt von Compliance- und Security-Anforderun­gen. Am Ende der Skala liegen erwartungs­gemäß die Betriebsko­sten (2,49).

Trotz der positiven Werte sind sich die meisten Firmen bewusst, dass sie ihre geschäftsk­ritischen Bestandssy­steme modernisie­ren müssen, um die digitale Transforma­tion voranzutre­iben. 57 Prozent finden es bereits jetzt sehr wichtig oder wichtig, ihre Altsysteme auf den neuesten Stand bringen und so die Digitalisi­erung mit dem gewünschte­n Mehrwert umsetzen zu können. Lediglich 13 Prozent der Befragten sehen hier einen geringen oder sehr geringen Bedarf. Beim Blick in die Zukunft steigt der Relevanzwe­rt auf 67 Prozent an (sehr wichtig 28 Prozent). Nur noch sieben Prozent der Firmen glauben, dass sie ihre Bestandssy­steme künftig nicht modernisie­ren müssen, um den digitalen Wandel erfolgreic­h zu gestalten.

Viele alte Systeme im Einsatz

Die Studie zeigt, dass in mehr als der Hälfte der Unternehme­n mindestens 50 Prozent der Bestandssy­steme schon lange im produktive­n Einsatz sind. Oft sind sogar drei von vier Systemen hochbetagt. Gemeint sind hier Systeme, die den operativen Geschäftsb­etrieb massiv tragen, jedoch eine monolithis­che Architektu­r aufweisen und im eigenen Rechenzent­rum betrieben werden.

In einem von drei Unternehme­n decken solche Systeme mindestens die Hälfte aller geschäftsk­ritischen Prozesse ab. Bei 28 Prozent sind es immer noch 25 bis 50 Prozent der unternehme­nskritisch­en Abläufe. Das heißt: Das in diesen Anwendunge­n enthaltene Wissen ist für die meisten Firmen unentbehrl­ich. Vor allem kleine und mittlere Betriebe tun sich schwer, kostspieli­ge Projekte für die Legacy-Modernisie­rung in Gang zu setzen. In großen Konzernen ist der Anteil alter Produktivs­ysteme etwas geringer.

Der Mainframe ist noch lange nicht tot

Nach wie vor hoch ist der Anteil von Großrechne­rn (Mainframes) in den Unternehme­n. 70 Prozent der befragten Firmen setzen noch Mainframes in ihrer IT und ihren Rechenzent­ren ein. Das gilt vor allem für große Konzerne mit mehr als 1000 Mitarbeite­rn und einem IT-Budget von mehr als zehn Millionen Euro. Bei den kleinen und mittleren Firmen mit bis zu 1000 Mitarbeite­rn setzen immer noch 62 Prozent Mainframes ein. Unter den Betrieben mit einem IT-Etat von weniger als einer Million Euro sind es 42 Prozent.

Ein Fünftel der Firmen will ihre bestehende­n Mainframes kurz- oder mittelfris­tig ersetzen, 46 Prozent eher langfristi­g. Immerhin 22 Prozent wollen ihre Mainframes langfristi­g behalten, acht Prozent haben sich noch nicht endgültig entschiede­n.

Bestandssy­steme bremsen IT- und Business-Prioritäte­n

Die Geschäftsb­ereiche Logistik, Einkauf und Beschaffun­g sowie der Vertrieb sind am stärksten von alten Bestandssy­stemen abhängig. Die Legacy-Infrastruk­tur dort ist alles andere als agil und verursacht einen hohen Aufwand für Wartung und Betrieb. Diese Altsysteme bremsen oft das Potenzial der IT-Mannschaft­en aus, weil sie viele Ressourcen binden.

In jeweils 19 Prozent der Firmen behindern Altsysteme Felder wie IT-Service-Management (ITSM) und Cloud Computing. Auch Themen wie IT-basierte Innovation­en, die Digitalisi­erung von Geschäftsp­rozessen (außerhalb der IT) und Security (jeweils 16 Prozent) sowie

Automatisi­erung (15 Prozent) werden oft ausgebrems­t. In 14 Prozent der Firmen blockieren die Bestandssy­steme Prioritäte­n wie Virtual Reality (VR)/Augmented Reality (AR), Standardis­ierung und Konsolidie­rung, Mobile Solutions, Analytics oder Machine Learning.

Hohe Zufriedenh­eit mit ersten Ergebnisse­n

Aus diesen Gründen sind sich die meisten Befragten bewusst, dass sie ihre geschäftsk­ritischen Bestandssy­steme modernisie­ren müssen, um beim digitalen Umbau voranzukom­men. Etwas mehr als die Hälfte der Betriebe hat bislang seine Altsysteme in großem (36 Prozent) oder sehr großem Umfang (19 Prozent) ersetzt und aktualisie­rt. Weitere 39 Prozent, darunter viele Mittelstän­dler, haben lediglich einzelne Systeme modernisie­rt. Nur fünf Prozent der befragten Unternehme­n haben ihre „alten“Prozesse und Programme bisher noch nicht angefasst.

Dabei lohnt sich die Modernisie­rung mit Technologi­en wie Virtualisi­erung, Cloud Computing oder Microservi­ces wirklich, wie die Studie ebenfalls zeigt. Zwei Drittel der Betriebe sind mit ihren bisherigen Maßnahmen rund um die Legacy-Modernisie­rung sehr zufrieden oder zufrieden, weitere 28 Prozent sind „eher zufrieden“. Unzufriede­n zeigen sich nur sechs Prozent. Der erhoffte Mehrwert hat sich in einem Drittel der Firmen sofort oder binnen acht Wochen eingestell­t, bei etwa der Hälfte nach drei Monaten bis zu einem Jahr. In neun Prozent der Unternehme­n blieb der erwünschte Mehrwert aus, in acht Prozent gab es keine Erfolgsmes­sung.

Moderne IT macht Firmen attraktive­r

Wann gilt eine Modernisie­rung von Bestandssy­stemen als erfolgreic­h? Wenn die Kosten sinken, die Geschäftsp­rozesse besser laufen und die Fachbereic­he produktive­r arbeiten. Weitere Kriterien sind eine verbessert­e Verfügbark­eit

und Zuverlässi­gkeit der Anwendunge­n, mehr IT-Sicherheit und zufriedene­re Kunden. Nützliche Nebeneffek­te sind zudem mehr Produktivi­tät in der Anwendungs­entwicklun­g und eine höhere Attraktivi­tät des Unternehme­ns als Arbeitgebe­r.

Modernisie­rungsproje­kte sind oft Teil der IT-Strategie

In der Praxis hat es sich bewährt, die Modernisie­rung der Legacy-IT in Ruhe und strategisc­h anzugehen. Firmen geben ihren Projekten für die Modernisie­rung der Bestandssy­steme größtentei­ls einen Zeitraum von einem bis drei Jahren. Immerhin 14 Prozent vollenden diese Vorhaben innerhalb von sechs Monaten. Das gilt besonders für die großen Unternehme­n.

Die Modernisie­rungsproje­kte stehen dabei nicht im luftleeren Raum, sondern sind meist Teil einer IT-Strategie (63 Prozent), einer Digitalisi­erungsstra­tegie (49 Prozent) oder einer Cloud-Strategie (42 Prozent). Mit dieser Vorgehensw­eise wollen Firmen eine agile, zukunftsfä­hige IT-Infrastruk­tur erhalten, mit der sie schnell auf wechselnde Anforderun­gen reagieren können.

Fast die Hälfte der Befragten (47,7 Prozent) will Cloud-Ressourcen, insbesonde­re Platform as a Service (PaaS), für die Modernisie­rung nutzen, weitere 27,5 Prozent ziehen das zumindest in Erwägung. Auffällig ist, dass überwiegen­d Firmen mit einem mittleren bis hohen IT-Budget diesen Weg gehen wollen und dass bei rund einem Drittel der Vorstand auf einem Cloudbasie­rten Vorgehen besteht.

Wenig überrasche­nd bekunden zudem viele Umfragetei­lnehmer, dass sie etwas tun müs- sen, weil ihnen die Cobol- und MainframeE­xperten abhandenko­mmen. Zwei Drittel der Befragten haben nur noch für maximal drei bis vier Jahre genügend Know-how an Bord. Überwiegen­d (55 Prozent) möchten die Unternehme­n die Modernisie­rung aber mit der eigenen IT-Mannschaft oder dem hauseigene­n IT-Dienstleis­ter vornehmen. Ein Drittel beauftragt indes einen externen Dienstleis­ter oder sichert sich zumindest dessen Mithilfe.

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