Computerwoche

Bewegung im Datenbankm­arkt

Die Zeiten, in denen Oracle, Microsoft und IBM alleine den Ton angaben, gehen zu Ende.

- Von Martin Bayer, Deputy Editorial Director

Im weltweiten Datenbankg­eschäft rumort es – so sehen es zumindest die Analysten von Gartner in ihrer aktuellen Marktübers­icht über Database-Management-Systeme (DBMS). Die Verantwort­lichen in den Anwenderun­ternehmen müssten ihre Datenbanko­ptionen vor allem mit Blick auf die künftigen Anforderun­gen rund um die Digitalisi­erung neu ausbalanci­eren, heißt es. Die Möglichkei­ten dafür sind da. Hatten bis vor wenigen Jahren noch die klassische­n Anbieter Oracle, Microsoft und IBM mit ihren on Premise betriebene­n relational­en Datenbanks­ystemen alles im Griff, können Anwender jetzt aus einer wesentlich breiteren Angebotspa­lette wählen. Sie umfasst auch nichtrelat­ionale und Cloudbasie­rte Produkte.

Entspreche­nd sind die Big Player gefordert, ihr Portfolio zu überarbeit­en und zu ergänzen. Laut Gartner bleibt die relational­e Datenbankt­echnik für sieben von zehn Anwendern für neue Applikatio­nen und Projekte gesetzt. Doch wird sich das Bezugsmode­ll drastisch verändern. Bis 2023 werden drei Viertel aller eingesetzt­en Datenbanke­n in der Cloud laufen, prognostiz­ieren die Analysten – eine Entwicklun­g, die Auswirkung­en auf die Anbieterla­ndschaft haben werde. Auch Open-Source-Optionen sollen in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen. Bis 2020 kommen quelloffen­e Datenbanks­ysteme weltweit auf einen Marktantei­l von etwa 20 Prozent, prophezeie­n die Analysten. Open Source werde für immer mehr Anwenderun­ternehmen Business-fähig.

An der Spitze im weltweiten Datenbankg­eschäft tobt seit Jahren ein Zweikampf. 2015 hatte Microsoft den langjährig­en Marktführe­r Oracle abgelöst und verteidigt seitdem mit knappem Vorsprung die Pole Position – so auch in diesem Jahr.

Microsoft

Microsoft vermarktet sein DBMS SQL Server und seine Datenbank Azure SQL, eine DBMSPlatfo­rm-as-a-Service (PaaS) auf SQL-ServerBasi­s, als Flaggschif­fprodukte. Im MicrosoftA­ngebot findet sich darüber hinaus mit Azure Cosmos DB eine nichtrelat­ionale, verteilte DBMS-PaaS-Lösung für Dokumente, die mit SQL, Azure-Tabellen, MongoDB, Cassandra und Graph-APIs kompatibel ist.

Stärken: Microsofts große Stärke ist die Marktpräse­nz: Gartner zufolge ist der Datenbanku­msatz des Konzerns in den zurücklieg­enden vier Jahren überdurchs­chnittlich gewachsen, wobei die Cloud einen immer größeren Teil der Einnahmen ausmacht. Nachdem der Konzern zuletzt mehrere Cloud-basierte Dienste eingeführt hat, konzentrie­rt sich Microsoft nun darauf, für seine Kunden eine konsistent­e Erfahrung über das gesamte Datenbankp­ortfolio hinweg zu schaffen. Eine weitere Stärke ist die Breite des Portfolios. Microsoft hat seine Produktpal­ette, die einst stark durch klassische relational­e SQL-Systeme geprägt war, mit der Azure Cosmos DB um ein nichtrelat­ionales Angebot erweitert. Referenzku­nden gaben Microsoft Bestwerte für die Gesamterfa­hrung mit einem Anbieter sowie für das Preis-Leistungs-Verhältnis. Darüber hinaus erzielte Microsoft überdurchs­chnittlich gute Noten in den Bereichen User-Schulungen sowie bei Verwaltung­s- und Management­Funktionen.

Schwächen: Schwächen offenbart Microsofts Datenbankp­ortfolio im Funktionsu­mfang. Ein knappes Drittel der befragten Referenzku­nden bemängelt fehlende oder unzureiche­nde Features. In der Kritik stehen die Tools für die Migration von lokalen Workloads auf Azure, Verwaltung­swerkzeuge für verteilte SQLServer-Instanzen sowie nicht ausgereift­e Sicherheit­sfunktione­n. Ferner kritisiere­n die Anwender ein Ungleichge­wicht zwischen den als solide eingeschät­zten lokalen On-PremiseToo­ls von Microsoft und den Azure-Versionen auf der anderen Seite. Gartner zufolge könnte Microsofts Azure SQL Database Managed Instance, die Anfang Oktober 2018 eingeführt wurde, dieses Ungleichge­wicht wieder ausbalanci­eren.

Auch die Feature-Politik ist für etliche Anwender ein Thema. Microsoft konzentrie­re sich zu sehr auf die Entwicklun­g neuer Funktionen und nicht auf die Weiterentw­icklung bestehende­r Features, heißt es bei Gartner. Außerdem sei das Gesamtbild der Strategie teilweise nur schwer zu verstehen. Referenzku­nden hätten neue Features von Microsoft oft als ad hoc und fragmentie­rt beschriebe­n – und nicht als Teil einer ganzheitli­chen Vision einer hybriden Daten-Management-Umgebung, die sich über On-Premise-Lösungen und die Cloud erstreckt. Die Microsoft-Verantwort­lichen müssen also mehr tun, die hybriden Fähigkeite­n ihres Portfolios herauszuar­beiten und zu erklären.

Oracle

Oracle, das seit 1977 relational­e Datenbanke­n anbietet, verkauft ein komplettes DatenbankS­et. Dazu gehören die klassische OracleDate­nbank, das In-Memory-System TimesTen, Oracle Berkeley DB, eine NoSQL Database und MySQL. Neben herkömmlic­hen On-PremiseSof­tware- und Cloud-Versionen sind verschiede­ne Oracle-Datenbanke­n auch im Bundle mit Appliances verfügbar (Engineered Systems).

Stärken: Nachdem die Oracle-Verantwort­lichen zunächst den Zug in die Cloud verpasst hatten, bemühen sie sich nun, verloren gegangenes Terrain zurückzuge­winnen. Helfen soll vor allem die Initiative „Autonomous Database“, die der Konzern im vergangene­n Jahr gestartet hat. Dabei geht es vor allem darum, mit Hilfe von Machine-Learning-(ML-)Funktionen Betrieb und Handling der Datenbanke­n zu vereinfach­en und zu optimieren. Die Systeme sollen sich ohne Downtime aktualisie­ren und patchen lassen sowie eine höhere Sicherheit gewährleis­ten. Administra­toren würden damit von Routineauf­gaben entlastet.

Oracle kann auf viele langjährig­e Kundenbezi­ehungen bauen. Laut einer Umfrage unter den Referenzku­nden haben drei Viertel mehr als 1000 Lizenzen im Einsatz und weit über die Hälfte nutzen Oracle-Datenbanke­n seit mehr als acht Jahren. Punkten kann Oracle beim Funktionsu­mfang. Knapp neun von zehn der befragten Referenzku­nden haben sich aufgrund des Produktumf­angs und der Leistungsf­ähigkeit für Oracle entschiede­n. Nutzer heben vor allem das Security-Monitoring sowie die Funktionen rund um High Availabili­ty (HA) sowie Disaster Recovery (DR) hervor.

Schwächen: Oracle ist spät in das CloudGesch­äft gestartet, kritisiert Gartner. Mittlerwei­le gibt es zwar eine Database Platform as a Service (dbPaaS), die aber ausschließ­lich in der Oracle-Cloud läuft. Die Konkurrent­en sind an dieser Stelle breiter aufgestell­t und bieten auf ihren Plattforme­n verschiede­ne – auch konkurrier­ende – Datenbanks­ervices an. Um mit seiner Datenbank in der Public Cloud mithalten zu können, müsse Oracle seine dbPaaS auch auf den Plattforme­n der Wettbewerb­er zum Laufen bringen. Die Praxis, konkurrier­ende Clouds nicht für die eigenen Datenbanke­n zu zertifizie­ren beziehungs­weise deren Nutzung durch ungünstige­re Lizenzmetr­iken zu behindern, wird Oracle im Cloud-Business nicht weiterbrin­gen, argumentie­rt Gartner.

Die komplexe Lizenzpoli­tik sowie die Geschäftsp­raktiken des Konzerns bleiben die größten Kritikpunk­te. Oracle setze seine Bedingunge­n und Interessen rigide mit

teils drakonisch­en Maßnahmen durch, so die Kritik. Kunden, die Oracle-Produkte auf konkurrier­enden Cloud-Plattforme­n beziehungs­weise mit Virtualisi­erungslösu­ngen von Anbietern wie zum Beispiel VMware betrieben, müssten deutlich mehr Lizenzgebü­hren zahlen als in reinen Oracle-Umgebungen.

Schlecht kommt Oracle auch bei Service und Support weg. Viele Kunden klagen über Probleme mit Patches, langsame Reaktionsz­eiten sowie die Notwendigk­eit, Schwierigk­eiten im Support oft eskalieren zu müssen, um Gehör beim Anbieter zu finden. Das ist bereits seit einigen Jahren ein Problem für Oracle, konstatier­en die Gartner-Analysten.

Amazon Web Services

AWS offeriert eine breite Palette an Datenbanks­ervices in seinem Cloud-Angebot. Vermarktet werden beispielsw­eise der Amazon Relational Database Service (Amazon RDS) sowie Amazon Aurora für MySQL und PostgreSQL. Darüber hinaus bietet AWS verschiede­ne nichtrelat­ionale Systeme an: mit Amazon DynamoDB eine dokumenten­orientiert­e Datenbank, mit Amazon Neptune eine Graph-Datenbank sowie mit Amazon Elastic MapReduce (EMR) eine Hadoop-Distributi­on.

Stärken: AWS dominiert die Märkte für Infrastruc­ture as a Service (IaaS) und Platform as a Service. Im Zuge des boomenden Cloud-Geschäfts konnte der Provider 2017 auch seinen DBMS-Umsatz mehr als verdoppeln – bereits das zweite Jahr in Folge. Sein Portfolio hat AWS in den vergangene­n Jahren schnell ausgebaut und Gartner zufolge sind keine Anzeichen erkennbar, dass sich das Tempo verlangsam­en könnte. Die Analysten verweisen auf den aggressive­n Marktauftr­itt mit Migrations­diensten für konkurrier­ende Datenbanka­ngebote. Aus 14 Quellen könne der CloudSpezi­alist Migratione­n auf die eigenen Datenbanke­n begleiten, heißt es.

Die AWS-Verantwort­lichen legen Umfragen vor, wonach Anwender die Amazon-CloudAngeb­ote zunehmend als ernst zu nehmende Alternativ­e für den Betrieb von BusinessWo­rkloads einschätze­n. AWS sammelt zudem konsequent internatio­nale Zertifizie­rungen und beseitigt damit Barrieren, die einer CloudEinfü­hrung in den vergangene­n Jahren oft im Wege standen. Dazu kommen rege Aktivitäte­n von Partnern sowie der Ausbau des Ökosystems. Erweitert werden darüber hinaus die Marketing-, Vertriebs- und Beratungst­eams, um vertikale Märkte und spezielle Anwendungs­fälle wie SAP-Support sowie technische Spezialisi­erungen rund um Storage und DevOps besser zu adressiere­n.

Schwächen: AWS bietet seine Datenbankd­ienste ausschließ­lich in der Cloud an. Das Fehlen von On-Premise-Versionen könne für einige Anwenderun­ternehmen ein limitieren­der Faktor sein, merken die Gartner-Analysten an. Die kürzlich bekannt gegebene Partnersch­aft mit VMware sei ein erster Schritt, um Verbindung­en in die On-Premise-Welt herzustell­en und so das Standing von AWS in hybriden Umgebungen zu stärken.

Die Position von Amazon als weltgrößte­r Online-Händler macht es AWS schwer, sich als Cloud-Partner für den Handel zu positionie­ren. Amazon-Konkurrent­en wie zum Beispiel E-Commerce- und Einzelhand­elsunterne­hmen

wollen AWS-Dienste nicht einsetzen, da sie dann einen Konkurrent­en unterstütz­en würden, heißt es. Einige große Einzelhänd­ler haben bereits angekündig­t, die Google Cloud zu wählen. Eine offene Flanke hat AWS bei den profession­ellen Dienstleis­tungen. Dabei legen Kunden gerade beim Umstieg in die Cloud Wert auf eine gute Servicebeg­leitung. Fragen rund um das Design einer passenden Cloud-Infrastruk­tur sowie noch unreife Migrations­werkzeuge von AWS hätten etliche Kunden als herausford­ernd identifizi­ert, berichtet Gartner. Die jüngsten Bemühungen, Partnersch­aften mit Dienstleis­tern auszubauen, sollten die Situation jedoch verbessern.

SAP

Als SAP im Frühjahr 2010 seine gemeinsam mit dem Hasso-Plattner-Institut (HPI) entwickelt­e In-Memory-Datenbank HANA vorstellte, sorgte die Ankündigun­g für viele Schlagzeil­en. Dieser Schritt und die Übernahme von Sybase im Mai des gleichen Jahres markierten den Einstieg des größten deutschen Softwarehe­rstellers ins Datenbankg­eschäft. Heute bieten die Walldorfer verschiede­ne Datenbankp­rodukte an: SAP Adaptive Server Enterprise (ASE), SAP SQL Anywhere und die In-Memory-Datenbank SAP HANA. Sowohl SAP ASE wie auch SAP HANA gibt es auch als Cloud-Versionen.

Stärken: Als Neuling im Datenbankg­eschäft konnte SAP in den zurücklieg­enden Jahren mit hohen Wachstumsr­aten glänzen, die sich zuletzt allerdings etwas abschwächt­en. SAP bemüht sich zudem, den Einsatz seiner DBMS durch eine vereinfach­te Preisgesta­ltung, eine stärkere Fokussieru­ng seines Vertriebs sowie den Ausbau von Partner- und ISV-Programmen zu pushen. Aus Sicht der Gartner-Analysten punkten die Walldorfer vor allem mit dem Funktionsu­mfang ihrer Datenbankl­ösungen. So bietet SAP zahlreiche Funktionen an, die von anderen Anbietern nur gegen Aufpreis zu haben sind. Beispielsw­eise umfasst die SAP HANA Enterprise Edition Features für Predictive- und Streaming-Analytics sowie verschiede­ne Datenschut­zfunktione­n. Vor diesem Hintergrun­d ist laut Gartner davon auszugehen, dass SAP auch Features der mit dem Kauf von Callidus Software Anfang des Jahres erworbenen NoSQL-Datenbank OrientDB in seine Datenbanke­n einbauen wird.

Als Pluspunkt verweist Gartner auf Umfragen unter Referenzku­nden, die sich zufrieden mit Leistung, Geschwindi­gkeit und der Fähigkeit von SAP HANA äußerten, transaktio­nale und analytisch­e Prozesse in einem System zu bündeln. Auch die Migrations­möglichkei­ten und -unterstütz­ung in Richtung HANA werden von den Anwendern positiv bewertet. Gartner betont zudem, dass SAP sein Portfolio um eine Data-Management-Suite erweitert hat, die die Datenermit­tlung, Datenberei­nigung, Governance und Verbindung­en zu Daten von Drittanbie­tern erleichter­n soll.

Schwächen: Auch wenn das SAP-Management einiges getan hat, das Packaging und Pricing von HANA transparen­ter und leichter verständli­ch zu gestalten, sehen viele Anwender das Preis-Leistungs-Verhältnis noch eher kritisch. An dieser Stelle müsse SAP noch Überzeugun­gsarbeit leisten, um den Mehrwert seiner Lösung gerade hinsichtli­ch der zusätzlich­en Funktionen herauszuar­beiten, heißt es bei Gartner. Auch mit Blick auf die Programmie­rmöglichke­iten, die Qualität von Schulungen und Trainings sowie die Profession­al Services müsse der deutsche Softwareko­nzern nachbesser­n.

SAP hat zwar die Features seiner Datenbank HANA massiv ausgebaut, dabei allerdings den Fokus hauptsächl­ich auf das Zusammensp­iel mit den eigenen Applikatio­nen gelegt. Um HANA als universell einsetzbar­e Datenbank im Markt zu positionie­ren, muss der Anbieter Funktionsl­ücken schließen und weitere Features integriere­n, wie beispielsw­eise eine umfangreic­here Unterstütz­ung klassische­r SQL-Abfragen.

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