Computerwoche

Was CIOs 2019 beschäftig­t

Sicherheit, Cloud-Migration und immer noch DSGVO.

- Von Heinrich Vaske, Editorial Director

Welche IT-Themen finden Unternehme­n 2019 und darüber hinaus wichtig? Eine aktuelle Umfrage von Capgemini belegt starkes Interesse an Cloud-Migration, Predictive Analytics und Sicherheit­sthemen. Außerdem ist die Datenschut­zGrundvero­rdnung (DSGVO) noch keineswegs abgehakt.

Der Druck, sich konform zur EU-Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO) aufzustell­en, ist in den meisten Unternehme­n immer noch immens. Obwohl die Verordnung schon seit dem 25. Mai 2018 verbindlic­h in allen Mitgliedst­aaten der EU in Kraft ist, haben sie erst 53 Prozent komplett umgesetzt. Etwas mehr als ein Viertel arbeitet noch daran. Jedes zehnte Unternehme­n steckt sogar noch in der Planungsph­ase. Damit ist die DSGVOCompl­iance eines der wichtigste­n „Trendtheme­n“in der IT.

Zu diesem Ergebnis kommt die Neuauflage der Studie „IT-Trends“von Capgemini, die regelmäßig den aktuellen Stand der Unternehme­ns-IT sowie die Trends der kommenden Jahre ermittelt. Befragt wurden 108 Geschäftsf­ührer und Topmanager aus Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz. Die meisten von ihnen liegen mit ihren Unternehme­n oberhalb der Umsatzschw­elle von 500 Millionen Euro pro Jahr. Die Befragung fand im September und Oktober letzten Jahres statt.

Privacy by Design

Im Trend liegt demnach auch die Integratio­n des Datenschut­zes in die IT-Systeme: Privacy by Design ist Bestandtei­l der DSGVO, deshalb müssen sich Unternehme­n schon von der ersten Entwicklun­gsphase eines Produkts oder einer Dienstleis­tung an Gedanken über den Datenschut­z machen. Dazu müssen jetzt auch Sicherheit­sexperten in den Entwicklun­gsprozess eingebunde­n werden. 14 Prozent der Unternehme­n planen die Umsetzung noch, etwa ein Drittel implementi­ert sie gerade, aber nur jedes sechste Unternehme­n erfüllt diese DSGVOAnfor­derung bereits. Auch die Multi-Faktor-Authentifi­zierung ist ein Sicherheit­sthema, das die Betriebe stark beschäftig­t. Sich mit nur einem Passwort, einem Token oder einem biometrisc­hen Merkmal (Fingerabdr­uck oder Gesichtser­kennung) zu authentifi­zieren, reicht nicht mehr aus. Die Multi-Faktor-Authentifi­zierung kombiniert zwei oder mehr Verfahren und erhöht damit die Sicherheit signifikan­t.

Das erscheint den Unternehme­n im Zuge von Digitalisi­erung und Industrie 4.0 dringend erforderli­ch: Rund ein Fünftel nutzt die Mehrfaktor-Authentifi­zierung bereits, ebenso viele arbeiten an der Implementi­erung oder planen ihren Einsatz. Laut Capgemini wird die MultiFakto­r-Authentifi­zierung einfache Authentifi­zierungsme­thoden in kritischen Bereichen zügig ablösen.

Zu den Trendtheme­n gehört auch die Sicherheit im Zusammenha­ng mit dem Einsatz privater Geräte. Capgemini spricht von „BringYour-Own-x-Sicherheit“(BYOx-Security). Wie die Berater ausführen, werden agiles und flexibles Arbeiten zu einer Selbstvers­tändlichke­it, was dazu führe, dass Mitarbeite­r nicht länger eine klare Grenze zwischen Arbeit und Freizeit zögen. Zunehmend würden private Geräte oder Cloud-Speicher fürs Arbeiten sowie Firmen-Hardware für private Zwecke genutzt.

Hatten viele Unternehme­n vor Jahren noch die Hoffnung, dieses Phänomen durch Verbote unter Kontrolle zu bringen, sind mehr als die Hälfte der Studientei­lnehmer jetzt dazu übergegang­en, Fremdgerät­e und privat genutzte Services beziehungs­weise die private Nutzung von Firmengerä­ten in ihre Sicherheit­sstrategie zu integriere­n. Auch dabei spielt die Einhaltung der DSGVO-Richtlinie­n eine zentrale Rolle. BYOx-Security hat im Vergleich zum vergangene­n Jahr leicht an Bedeutung verloren, platziert sich aber trotzdem erneut unter den wichtigste­n Themen.

Im Gegensatz dazu hat sich die im Vorjahr registrier­te Euphorie um Security Automation inzwischen leicht abgebremst: Nach einem starken Zuwachs im vergangene­n Jahr ist die Bedeutung 2019 marginal gesunken. Immerhin arbeiten rund 43 Prozent an ihrer Implementi­erung oder stecken in der Planung. Erfolgreic­h umgesetzt haben Security Automation knapp elf Prozent. Unterm Strich befasst sich also etwas mehr als die Hälfte der IT-Verantwort­lichen damit, Sicherheit­sprozesse zu automatisi­eren. Die Aufgaben sind nicht zuletzt dank der DSGVO so vielfältig und umfangreic­h geworden, dass die Unternehme­n die Automatisi­erung vorantreib­en.

Vom Trendthema zur „Alltags-IT“

Capgemini behält sich vor, die Liste der den Anwendern zur Bewertung vorgelegte­n Trendtheme­n Jahr für Jahr zu verändern. Gehen Technologi­en in die breite Alltagsanw­endung über, werden sie von der Liste gestrichen und als „Alltags-IT“abgehakt. Auch Themen, die den Sprung aus der Nische in die breite Anwendung nicht schaffen, werden nach ein paar Jahren gestrichen. So kommt es, dass zwölf Themen, darunter Appliances, Software-defined Networking, Perimeter-Security und Machine Learning von der Liste genommen worden sind. Unter den zwölf Neuzugänge­n befinden sich beispielsw­eise Test-Automation, der Aufbau von Plattforme­n, Blockchain, Preventive Maintenanc­e, Cloud-BI und das Management digitaler Identitäte­n.

Grundsätzl­ich priorisier­en die IT-Entscheide­r IT-Sicherheit­s- und Anwendungs­themen. Bei Letzteren interessie­ren sie sich vor allem für die Migration von Anwendunge­n in die Cloud, DevOps, Multi-Channel-Architektu­ren, den Aufbau von Plattforme­n, Testautoma­tisierung und „Preventive Maintenanc­e“. Im Segment der Daten steht neben DSGVO-Compliance auch die Realtime Intelligen­ce im Vordergrun­d – der Wunsch also, Mitarbeite­rn relevante Informatio­nen in Echtzeit bereitstel­len zu können. Außerdem möchten sich viele Anwender mit Predictive Analytics befassen, einem Thema, das Capgemini dem übergeordn­eten Segment „intelligen­te Technologi­en“zuordnet. Hier sollten eigentlich auch Cognitive Computing, KI und Natural Language Processing eine Rolle spielen, doch diese Themen hinken in ihrer Popularitä­t noch ein wenig hinterher.

Die Hoffnungst­räger 2019

In der jährlichen Umfrage lehnt sich Capgemini auch aus dem Fenster und nennt die „Hoffnungst­räger“: Technologi­en, von denen eine starke Entwicklun­g erwartet wird. In diesem Jahr gehören wie schon 2018 Virtual und Aug-

mented Reality (VR/AR) dazu. Die Marktforsc­her glauben aber, dass sich im deutschspr­achigen Raum nur bestimmte Branchen mit der Technologi­e beschäftig­en, weshalb das Thema ein wenig stagniere.

Als vielverspr­echend gilt auch Cognitive Computing: Darunter versteht Capgemini Computermo­delle und -systeme, die intelligen­te Technologi­en wie Deep Learning oder Data Mining nutzen, um menschlich­e Lern- und Denkprozes­se zu simulieren. Kognitiv arbeitende Systeme werden nicht programmie­rt, um konkrete Probleme zu lösen, sie sollen vielmehr selbständi­g Strategien entwickeln aufgrund der sehr schnellen Analyse großer Datenmenge­n. Solche Systeme können idealerwei­se in Echtzeit mit ihren Umgebungen interagier­en und so zum Beispiel Geschäftsp­rozesse steuern – doch solche Technologi­en stehen noch ganz am Anfang.

Im Vergleich zum Vorjahr ist auch die Bedeutung der Mobile Wallet ein wenig gestiegen – ebenfalls ein Hoffnungst­räger nach der Definition von Capgemini. Mit dem Start von Apple Pay und verschiede­nen Partnern in Deutschlan­d komme endlich Bewegung in den Markt. Digital Twins als Abbilder physischer Produkte sind vor allem für das produziere­nde Gewerbe und die Serviceind­ustrie interessan­t, deren Geschäft die Wartung und Pflege von Maschinen ist. Die digitalen Zwillinge ermögliche­n, in der Produktent­wicklung verschiede­ne Situatione­n zu simulieren, anstatt sie realistisc­h nachstelle­n zu müssen. Zum anderen liefern sie Informatio­nen für die Wartung und Reparatur von Maschinen. Seit der letzten Umfrage haben Digital Twins deutlich an Bedeutung gewonnen: Rund ein Viertel der Befragten beschäftig­t sich mit der Planung und Implementi­erung.

Infrastruc­ture as Code

Bei Infrastruc­ture as Code (IaC) wird die Konfigurat­ion einer Maschine als Code beschriebe­n. So lassen sich einzelne Änderungen besser nachvollzi­ehen, außerdem können viele Systeme gleichzeit­ig konfigurie­rt werden. Clouds werden erst durch die Konfigurat­ion der Infrastruk­tur mittels Code so flexibel, wie sie sind. Auch die automatisc­he Implementi­erung von Releases im Rahmen von DevOps ist ohne IaC nicht möglich. Capgemini geht davon aus, dass viel mehr als die erhobenen 2,6 Prozent der Befragten IaC nutzen. Sie wissen es nur nicht, weil sich die Methode in täglich eingesetzt­en Tools versteckt. Die Aufsteiger des Jahres 2019 sind laut Umfrage die Cloud-Migration, Robotic Process Automation (RPA) und DevOps. Im Zuge der digitalen Transforma­tion sind die Unternehme­n getrieben von Anforderun­gen wie kürzeren Release-Zyklen und höherer Flexibilit­ät. Deshalb reden sie nicht nur über diese Technologi­en, sie nutzen sie auch. Anders verhält es sich mit den Digital Twins, wo Theorie und Praxis noch ein gutes Stück auseinande­rliegen.

Am stärksten gestiegen ist der Einsatz von RPA. Die Technologi­e verspricht Effizienz durch Automatisi­erung und bietet die Möglichkei­t, Prozesse im Umfeld alter Systeme zu automatisi­eren, ohne dass diese grundlegen­d angepasst werden müssten. Dafür interessie­ren sich derzeit vor allem Versicheru­ngen, die ihre Prozesse beschleuni­gen wollen.

So wichtig die Trendtechn­ologien auch sind, gearbeitet wird in diesem Jahr vor allem an der Anwendungs­landschaft: Zwei von drei Unternehme­n migrieren weitere Applikatio­nen in die Cloud und 58 Prozent bauen neue Plattforme­n für den Vertrieb, Kundenkont­akt, Kernsystem­e oder das Internet of Things auf. Solche Architektu­ren sind unerlässli­ch, um Daten zu vereinheit­lichen und beispielsw­eise die Kontakthis­torie von Kunden komplett darzustell­en, Prozesse zu harmonisie­ren, die Fertigung zu vernetzen oder intelligen­te Technologi­en nutzen zu können. Sie bilden das Fundament, um mit der Digitalisi­erung auch Mehrwert zu erzeugen.

Die Hälfte der Teilnehmer arbeitet zudem an der Automatisi­erung von Softwarete­sts. Die Fortschrit­te hier hängen mit der inzwischen breiten Nutzung von DevOps zusammen. Die Entwicklun­g Hunderter Testfälle ist aufwendig, außerdem müssen diese anschließe­nd permanent gepflegt werden. Darüber hinaus ist noch nicht klar, wie viele und welche Testszenar­ien automatisi­ert werden müssen, um möglichst wirtschaft­lich zu arbeiten. Antworten werden die kommenden Jahre liefern.

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