Computerwoche

Legacy-Modernisie­rung: IT-Chefs setzen auf Cloud-Strategien

Beim Modernisie­ren ihrer Altanwendu­ngen entscheide­n sich viele IT-Verantwort­liche für eine Migration in die Cloud. Sicherheit­sanforderu­ngen und Integratio­nsprobleme machen die Projekte aber oft zu einem komplexen Unterfange­n.

- Von Wolfgang Herrmann, Deputy Editorial Director

Unternehme­n aus der „Old Economy“müssen die digitale Transforma­tion zunächst mit einer gewachsene­n Prozess- und IT-Landschaft bewältigen, erklärt Mario Zillmann, Partner beim Marktforsc­hungsund Beratungsu­nternehmen Lünendonk & Hossenfeld­er. Das Problem: IT-Systeme sind in der Regel auf die individuel­len Prozessanf­orderungen ausgericht­et und weniger auf Kundenbedü­rfnisse – ein gravierend­er Nachteil gegenüber Startups und Internet-Konzernen vom Schlage Amazon oder Google. Kein Wunder also, dass immer mehr Unternehme­n umfassende Modernisie­rungsproje­kte aufsetzen.

Lünendonk befragte dazu IT-Führungskr­äfte aus 122 großen mittelstän­dischen Unter- nehmen und Konzernen. Die Marktforsc­her kooperiert­en dabei mit Arvato Systems, Kobaltblau Management Consultant­s und der Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t Warth & Klein Grant. Ein Ergebnis der Studie lautet: Die digitale Transforma­tion ist zwar in vollem Gang, doch viele Unternehme­n tun sich schwer mit der damit verbundene­n IT-Modernisie­rung.

Operation am offenen Herzen

Zillmann vergleicht die digitale Transforma­tion mit Infrastruk­tur-Großprojek­ten wie Stuttgart 21, wo im laufenden Betrieb eine komplett neue Verkehrsin­frastruktu­r entstehe – was einer Operation am offenen Herzen gleichkomm­e. Ganz ähnlich müssten während der Digitalisi­erung von Kernprozes­sen wie ERP, CRM oder MES die Prozesse und IT-Systeme stabil laufen und weiter das Kerngeschä­ft unterstütz­en. Neue E-Business-Anwendunge­n und digitale Plattforme­n dürften nicht separat ausgerollt, sondern müssten eng mit den IT-Kernsystem­en verzahnt werden.

Hier beginnen die Probleme. Viele Abhängigke­iten zwischen IT-Systemen sind nicht mehr nachvollzi­ehbar, Daten liegen oft mehrfach und dezentral vor. Das Risiko von Prozessstö­rungen, Produktion­sausfällen oder Unterbrech­ungen der Lieferkett­e sei vielen Topmanager­n mit Blick auf Modernisie­rungsproje­kte zu hoch gewesen, blickt Zillmann zurück. Das habe dazu geführt, dass Digitalisi­erungsvorh­aben im Frontend häufig nicht zum gewünschte­n Erfolg führten.

Nun aber habe ein Umdenken eingesetzt: „Das Bewusstsei­n, dass eine moderne und vor allem schnittste­llenoffene IT-Landschaft sowie eine zentrale Data Governance und konsistent­e (Stamm-)Daten die Grundvorau­ssetzungen für die digitale Transforma­tion sind, ist mittlerwei­le auch in den obersten Führungseb­enen vorhanden.“

Treiber der Legacy-Modernisie­rung

Die Antworten der Studientei­lnehmer passen zu dieser Einschätzu­ng. 92 Prozent nennen die Nutzung neuer Technologi­en wie künstliche Intelligen­z, IoT, E-Business oder Digital Marketing als Hauptgrund für den Anstoß von Modernisie­rungsproje­kten. Für neun von zehn Befragten ist eine bessere Integratio­nsfähigkei­t von neuen digitalen Lösungen mit Altsysteme­n entscheide­nd (siehe Grafik „Die wichtigste­n Gründe ...“).

Nur drei von zehn befragten Entscheide­rn sehen dagegen den Fachkräfte­mangel als Treiber. Das Problem des demografis­chen Wandels und der damit verbundene Mangel an IT-Experten, die sich in „alten“Programmie­rsprachen auskennen, sei zwar vorhanden, kommentier­en die Studienaut­oren. Allerdings würden in naher Zukunft viele standardis­ierte Routineauf­gaben im Applicatio­n-Management mit Hilfe von Bots, also künstliche­r Intelligen­z (KI), erledigt. Manuelle Tätigkeite­n im IT-ServiceMan­agement entfielen deshalb teilweise.

IT-Modernisie­rung häufig nur im „Silo“

Am häufigsten finden Legacy-Modernisie­rungsproje­kte in einzelnen „Unternehme­nsSilos“statt, so ein weiteres Ergebnis. Besonders Großuntern­ehmen mit mehr als fünf Milliarden Euro Umsatz scheinen ein schrittwei­ses Vorgehen zu bevorzugen. So gaben sechs von zehn CIOs aus Unternehme­n mit mehr als zehn Milliarden Euro Umsatz an, Legacy-Systeme in einzelnen Geschäftsb­ereichen auf den neuesten Stand zu bringen und auf BusinessAn­forderunge­n auszuricht­en. Nur 13 Prozent modernisie­ren die komplette IT-Landschaft.

Industrieu­nternehmen hinken hinterher

Im Vergleich zu anderen Branchen hinken Industrieu­nternehmen der Studie zufolge hinterher. 55 Prozent der Befragten aus diesem Sektor erklärten, derzeit keine Strategie zur Legacy-Modernisie­rung zu haben. In den kommenden ein bis zwei Jahren soll sich das allerdings ändern. Ganz anders die Situation in Banken und Versicheru­ngen: 63 Prozent der Unternehme­n setzen laut eigenen Angaben bereits Modernisie­rungsproje­kte um.

ERP-Instanzen bereiten Probleme

Besonders zu schaffen macht den IT-Chefs die Modernisie­rung der ERP-Landschaft. Die Mehrheit der untersucht­en Organisati­onen hat mindestens zehn verschiede­ne ERP-Systeme im Einsatz. Vor allem Konzerne kämpfen mit einer großen Zahl an ERP-Instanzen. So nutzen sechs von zehn befragten Unternehme­n mit mehr als zehn Milliarden Euro Umsatz mindestens 20 verschiede­ne ERP-Systeme.

Zwar verfolgen alle befragten IT-Manager konkrete Pläne, ihre ERP-Landschaft zu modernisie­ren und auf veränderte Prozesse auszuricht­en. Doch die Strategien fallen sehr unterschie­dlich aus. Während eine Hälfte der Interviewt­en auf die Konsolidie­rung der ERP-Systeme setzt oder diese bereits abgeschlos­sen hat, nimmt die andere Hälfte davon Abstand.

Den Studienerg­ebnissen zufolge scheint es eine kritische Grenze zu geben, ab der sich eine ERP-Konsolidie­rung betriebswi­rtschaftli­ch nicht mehr lohnt. Demnach sind es häufig Unternehme­n mit mehr als zehn ERP-Systemen, die auf eine Konsolidie­rung verzichten. In vollem Gang befindet sich dagegen die Konsolidie­rung von Datenbanks­ystemen. Jedes zweite Unternehme­n verfolgt einschlägi­ge Projekte.

Strategien für die Legacy-Modernisie­rung

Geht es um die grundsätzl­ichen Modernisie­rungsstrat­egien, bevorzugen die Studientei­lnehmer eine Migration von Altanwendu­ngen in die Cloud, um sie anschließe­nd zu modernisie­ren. Ein Großteil befindet sich eigenen Angaben zufolge bereits in der Umsetzungs­phase solcher Projekte.

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