Legacy-Modernisierung: IT-Chefs setzen auf Cloud-Strategien
Beim Modernisieren ihrer Altanwendungen entscheiden sich viele IT-Verantwortliche für eine Migration in die Cloud. Sicherheitsanforderungen und Integrationsprobleme machen die Projekte aber oft zu einem komplexen Unterfangen.
Unternehmen aus der „Old Economy“müssen die digitale Transformation zunächst mit einer gewachsenen Prozess- und IT-Landschaft bewältigen, erklärt Mario Zillmann, Partner beim Marktforschungsund Beratungsunternehmen Lünendonk & Hossenfelder. Das Problem: IT-Systeme sind in der Regel auf die individuellen Prozessanforderungen ausgerichtet und weniger auf Kundenbedürfnisse – ein gravierender Nachteil gegenüber Startups und Internet-Konzernen vom Schlage Amazon oder Google. Kein Wunder also, dass immer mehr Unternehmen umfassende Modernisierungsprojekte aufsetzen.
Lünendonk befragte dazu IT-Führungskräfte aus 122 großen mittelständischen Unter- nehmen und Konzernen. Die Marktforscher kooperierten dabei mit Arvato Systems, Kobaltblau Management Consultants und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant. Ein Ergebnis der Studie lautet: Die digitale Transformation ist zwar in vollem Gang, doch viele Unternehmen tun sich schwer mit der damit verbundenen IT-Modernisierung.
Operation am offenen Herzen
Zillmann vergleicht die digitale Transformation mit Infrastruktur-Großprojekten wie Stuttgart 21, wo im laufenden Betrieb eine komplett neue Verkehrsinfrastruktur entstehe – was einer Operation am offenen Herzen gleichkomme. Ganz ähnlich müssten während der Digitalisierung von Kernprozessen wie ERP, CRM oder MES die Prozesse und IT-Systeme stabil laufen und weiter das Kerngeschäft unterstützen. Neue E-Business-Anwendungen und digitale Plattformen dürften nicht separat ausgerollt, sondern müssten eng mit den IT-Kernsystemen verzahnt werden.
Hier beginnen die Probleme. Viele Abhängigkeiten zwischen IT-Systemen sind nicht mehr nachvollziehbar, Daten liegen oft mehrfach und dezentral vor. Das Risiko von Prozessstörungen, Produktionsausfällen oder Unterbrechungen der Lieferkette sei vielen Topmanagern mit Blick auf Modernisierungsprojekte zu hoch gewesen, blickt Zillmann zurück. Das habe dazu geführt, dass Digitalisierungsvorhaben im Frontend häufig nicht zum gewünschten Erfolg führten.
Nun aber habe ein Umdenken eingesetzt: „Das Bewusstsein, dass eine moderne und vor allem schnittstellenoffene IT-Landschaft sowie eine zentrale Data Governance und konsistente (Stamm-)Daten die Grundvoraussetzungen für die digitale Transformation sind, ist mittlerweile auch in den obersten Führungsebenen vorhanden.“
Treiber der Legacy-Modernisierung
Die Antworten der Studienteilnehmer passen zu dieser Einschätzung. 92 Prozent nennen die Nutzung neuer Technologien wie künstliche Intelligenz, IoT, E-Business oder Digital Marketing als Hauptgrund für den Anstoß von Modernisierungsprojekten. Für neun von zehn Befragten ist eine bessere Integrationsfähigkeit von neuen digitalen Lösungen mit Altsystemen entscheidend (siehe Grafik „Die wichtigsten Gründe ...“).
Nur drei von zehn befragten Entscheidern sehen dagegen den Fachkräftemangel als Treiber. Das Problem des demografischen Wandels und der damit verbundene Mangel an IT-Experten, die sich in „alten“Programmiersprachen auskennen, sei zwar vorhanden, kommentieren die Studienautoren. Allerdings würden in naher Zukunft viele standardisierte Routineaufgaben im Application-Management mit Hilfe von Bots, also künstlicher Intelligenz (KI), erledigt. Manuelle Tätigkeiten im IT-ServiceManagement entfielen deshalb teilweise.
IT-Modernisierung häufig nur im „Silo“
Am häufigsten finden Legacy-Modernisierungsprojekte in einzelnen „UnternehmensSilos“statt, so ein weiteres Ergebnis. Besonders Großunternehmen mit mehr als fünf Milliarden Euro Umsatz scheinen ein schrittweises Vorgehen zu bevorzugen. So gaben sechs von zehn CIOs aus Unternehmen mit mehr als zehn Milliarden Euro Umsatz an, Legacy-Systeme in einzelnen Geschäftsbereichen auf den neuesten Stand zu bringen und auf BusinessAnforderungen auszurichten. Nur 13 Prozent modernisieren die komplette IT-Landschaft.
Industrieunternehmen hinken hinterher
Im Vergleich zu anderen Branchen hinken Industrieunternehmen der Studie zufolge hinterher. 55 Prozent der Befragten aus diesem Sektor erklärten, derzeit keine Strategie zur Legacy-Modernisierung zu haben. In den kommenden ein bis zwei Jahren soll sich das allerdings ändern. Ganz anders die Situation in Banken und Versicherungen: 63 Prozent der Unternehmen setzen laut eigenen Angaben bereits Modernisierungsprojekte um.
ERP-Instanzen bereiten Probleme
Besonders zu schaffen macht den IT-Chefs die Modernisierung der ERP-Landschaft. Die Mehrheit der untersuchten Organisationen hat mindestens zehn verschiedene ERP-Systeme im Einsatz. Vor allem Konzerne kämpfen mit einer großen Zahl an ERP-Instanzen. So nutzen sechs von zehn befragten Unternehmen mit mehr als zehn Milliarden Euro Umsatz mindestens 20 verschiedene ERP-Systeme.
Zwar verfolgen alle befragten IT-Manager konkrete Pläne, ihre ERP-Landschaft zu modernisieren und auf veränderte Prozesse auszurichten. Doch die Strategien fallen sehr unterschiedlich aus. Während eine Hälfte der Interviewten auf die Konsolidierung der ERP-Systeme setzt oder diese bereits abgeschlossen hat, nimmt die andere Hälfte davon Abstand.
Den Studienergebnissen zufolge scheint es eine kritische Grenze zu geben, ab der sich eine ERP-Konsolidierung betriebswirtschaftlich nicht mehr lohnt. Demnach sind es häufig Unternehmen mit mehr als zehn ERP-Systemen, die auf eine Konsolidierung verzichten. In vollem Gang befindet sich dagegen die Konsolidierung von Datenbanksystemen. Jedes zweite Unternehmen verfolgt einschlägige Projekte.
Strategien für die Legacy-Modernisierung
Geht es um die grundsätzlichen Modernisierungsstrategien, bevorzugen die Studienteilnehmer eine Migration von Altanwendungen in die Cloud, um sie anschließend zu modernisieren. Ein Großteil befindet sich eigenen Angaben zufolge bereits in der Umsetzungsphase solcher Projekte.