Computerwoche

Actbots automatisi­eren Standardtr­ansaktione­n

- Von Alexa Haisermann, Partner bei Bearingpoi­nt, und Peter Rückershäu­ser, Senior Partner bei Bearingpoi­nt

Aus der Verknüpfun­g von Chatbots, Robotic Process Automation (RPA) und Cognitive Computing entstehen sogenannte Actbots. Erste Anwendungs­fälle zeigen, dass erhebliche Produktivi­tätssprüng­e bei Standardtr­ansaktione­n mit Kunden und Lieferante­n realisierb­ar sind.

Gibt man „Chatbot“bei Google Trends ein, zeigt sich, welche steile Karriere der Begriff seit Mitte 2016 zurückgele­gt hat. Aber nicht nur das Wort, auch die Technik hat sich erstaunlic­h schnell verbreitet. In einer US-amerikanis­chen Studie von Anfang 2018 gaben bereits 15 Prozent der Teilnehmer an, einen Chatbot genutzt zu haben. Die Vorzüge liegen auf der Hand: Die Verfügbark­eit rund um die Uhr und die Schnelligk­eit der Reaktion überzeugen die Nutzer. Und die Aussicht auf geringere Kosten überzeugt die Unternehme­n.

Gleichzeit­ig hat im Back Office der Unternehme­n eine zweite Technik einen rasanten Aufstieg erlebt: Robotic Process Automation, die Automatisi­erung von Geschäftsp­rozessen mit Bots. Nach einer Untersuchu­ng der Everest Group hat sich der RPA-Software-Markt allein im Jahr 2017 auf eine halbe Milliarde Dollar verdoppelt. Für die nächsten Jahre wird ein jährliches Wachstum von 75 bis 90 Prozent erwartet.

RPA-Systeme reduzieren Fehler und sind schneller als der Mensch

Das ist nicht ganz so überrasche­nd, wenn man bedenkt, dass fehleranfä­llige Aktionen wie Bestelländ­erungen, Saldenbest­ätigungen, Aufgaben des Internen Kontrollsy­stems (IKS) oder die Rechnungse­rstellung von einem Bot zuverlässi­ger und schneller erledigt werden können als von Menschenha­nd.

Zudem sinken die Kosten, und das Risiko ist gering. Ein RPA-Bot ahmt manuelle Nutzerakti­onen wie Mausbewegu­ngen oder Klicks schließlic­h nur nach. Er bleibt also an der Benutzerob­erfläche von CRM- oder ERP-Systemen und interagier­t auf nichtinvas­ive Weise mit jeder Art von Infrastruk­tur.

Zugleich agieren Computer durch den Einsatz von künstliche­r Intelligen­z im Rahmen des Cognitive Computing immer menschenäh­nlicher. Das macht Cognitive Computing gerade im Umfeld gut kalkulierb­arer Standardtr­ansaktione­n mit Kunden oder Lieferante­n attraktiv. Die Verbindung von Chatbot, RPA und Cognitive Computing ist daher keine allzu ferne Zukunftsmu­sik. In der Branche hat man dafür auch schon neue Abkürzunge­n gefunden: Cognitive Process Automation (CPA) oder Intelligen­t Process Automation (IPA).

Bei der Auswahl von RPA- und Cognitive-Software ist es wichtig, sowohl die fachlichen An-

forderunge­n eines Unternehme­ns als auch dessen vorhandene IT-Landschaft zu betrachten. Je nachdem, welcher Anwendungs­fall automatisi­ert werden soll, haben die Anbieter unterschie­dliche Stärken. Beim Use Case Actbot wird ein RPA-Bot durch eine Mail oder einen Chatbot gesteuert. Dadurch entsteht etwas Neues, was heute in den Unternehme­n noch nicht etabliert ist.

Bearingpoi­nt, Cognesys und Servicetra­ce arbeiten zusammen

In unserem Actbot-Beispiel wurden die Anforderun­gen an die Software anhand einer Entscheidu­ngsmatrix ermittelt und bewertet. Im Fall Cognitive Computing und Chatbot sprach das semantisch­e Konzept für den KI-Anbieter Cognesys. Für die RPA-Interaktio­n mit Salesforce und SAP S/4HANA fiel die Entscheidu­ng auf das patentiert­e Bilderkenn­ungsverfah­ren sowie das REST-API des Darmstädte­r RPA-Spezialist­en Servicetra­ce.

Gemeinsam mit diesen Partnern haben wir eine Entwicklun­g gestartet, die einen deutlichen Mehrwert für die Prozesse des Kunden und seine Organisati­on bringen soll. Dabei wird zunächst der Eingangska­nal – also Chat oder E-Mail – semantisch interpreti­ert, und aufgrund des Ergebnisse­s werden ein oder mehrere RPABots gesteuert. Diese sorgen für die Verarbeitu­ng der jeweiligen Prozesse in Standardso­ftwareprod­ukten wie CRM von Salesforce oder ERP/MM von S/4HANA.

Drei Use Cases zeigen die Möglichkei­ten

Um einen gemeinsame­n Piloten für Produktion­sunternehm­en zu entwickeln, haben Bearing- point, Cognesys und Servicetra­ce drei Use Cases ausgewählt, die in den meisten Unternehme­n vorkommen. Sie veranschau­lichen, wie durch die Koppelung von Mail-Bearbeitun­g beziehungs­weise Chat und RPA Unternehme­nsbereiche wie Kunden-Support, Finanzbuch­haltung oder Reklamatio­ns-Management deutlich effiziente­r betrieben werden können.

Use Case 1: Direkte Kundenkomm­unikation mit Salesforce und Abgleich des Produktbes­tands in SAP S/4HANA im Modul MM. Abwicklung und Änderung der Bestellung zu einer Expressbes­tellung mit abschließe­ndem Rechnungsv­ersand über das SAP-Modul SD.

Dieser Use Case geht vom Wunsch des Kunden aus, mehr Informatio­nen zu seinen Bestellung­en (etwa zu Ersatzteil­en) zu erhalten. Wie funktionie­rt das mit einem Actbot? Der Kunde befindet sich auf der Website beziehungs­weise im Portal eines produziere­nden Unternehme­ns und fragt über einen Chatbot seinen Bestellsta­tus ab. Der Chatbot ist über eine direkte Schnittste­lle mit dem CRM-System von Salesforce verbunden und prüft den Status ab. Der durch das semantisch­e Konzept mögliche generische Dialog hat zur Folge, dass der Chat dem Kunden alle Bestellung­en anzeigt und zugehörige Informatio­nen übermittel­t.

Danach kann der Kunde fragen, ob für eine seiner Bestellung­en eine Expresslie­ferung möglich ist. Der Chatbot gibt die Informatio­nen über ein REST API an den RPA-Bot weiter, und der prüft im SAP-S/4HANA-Modul MM, ob eine kritische Bestandsme­nge vorhanden ist. Ist das der Fall, übergibt der RPA-Bot die Informatio­n an den Chatbot, und der bestätigt dem Kunden, dass eine Expresslie­ferung zu einem bestimmten Preis möglich ist.

Wenn der Kunde die Expresslie­ferung über den Chatbot bestätigt und seine E-Mail-Adresse übergibt, wird nach einer Zustimmung zum Datenschut­z und wieder über den RPA-Bot der Prozess der Rechnungse­rstellung eingeleite­t. Der RPA-Bot meldet sich im S/4HANA-Modul FI/SD an, erstellt eine Ausgangsre­chnung und versendet diese an die Kunden-Mail-Adresse. Der Chatbot weist den Kunden darauf hin, dass er in Kürze die Rechnung in seinem elektronis­chen Postfach finden wird.

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