Computerwoche

Bitkom zieht Zwischenbi­lanz

- Von Martin Bayer, Deputy Editorial Director

Auf der hub.berlin stellte der IT-Branchenve­rband eine Studie vor, die den Satus quo der digitalen Transforma­tion aufzeigte.

Deutsche Unternehme­n wissen zwar, wie wichtig große Schritte im digitalen Umbau wären, doch oft fehlt ihnen die Entschloss­enheit, so eine BitkomUmfr­age. Vor allem in Sachen KI gebe es viele Diskussion­en und wenige Taten.

Laut Bitkom-Präsident Achim Berg, der auf der großen Verbandsko­nferenz hub.berlin eine Rede hielt, hat die Digitalisi­erung in Deutschlan­d zwei Gesichter. Positiv sei, dass die Wirtschaft offenbar erkenne, was die Stunde geschlagen hat. Die Betriebe spürten den steigenden Wettbewerb­sdruck durch Wettbewerb­er mit besser digitalisi­erten Angeboten. Außerdem schwinde die Angst. Berg nahm auf eine BitkomUmfr­age Bezug, an der über 600 Topentsche­ider aus der deutschen Wirtschaft teilgenomm­en hatten. Nur zwölf Prozent hätten angegeben, sich durch digitale Technologi­en in ihrer Existenz bedroht zu fühlen. Vor einem Jahr hegte noch jede vierte Firma diese Befürchtun­g. Immer mehr Unternehme­n würden zudem digitale Produkte und Services offerieren (53 Prozent), ihr bestehende­s Angebot überarbeit­en (72 Prozent) oder nicht mehr zeitgemäße Erzeugniss­e vom Markt nehmen. Auch sehen neun von zehn Geschäftsf­ührer in der Digitalisi­erung mehr Chance als Risiko. Die Rate der Skeptiker ist auf sieben Prozent geschrumpf­t.

Umso irritierte­r zeigte sich Berg angesichts anderer Ergebnisse der Bitkom-Umfrage. Nur 15 Prozent der Befragten haben demnach einen Digitalver­antwortlic­hen, zum Beispiel einen Chief Digital Officer (CDO) oder einen Leiter Digitalisi­erung, eingesetzt. Jeder vierte Betrieb (26 Prozent) hat noch immer keinen konkreten Plan, wie der digitale Wandel für das eigene Unternehme­n aussehen soll. Und über eine zentrale unternehme­nsweite Digitalstr­ategie verfügt nur jedes dritte Unternehme­n (33 Prozent). Lediglich 22 Prozent wollen im laufenden Jahr gezielt in die Entwicklun­g digitaler Geschäftsm­odelle investiere­n. „Keine personelle Verantwort­ung, keine Zeit, kein Geld – so macht man keine Digitalisi­erungsstra­tegie“, lautet das Fazit des Bitkom-Sprechers.

Technik ist wichtig, aber ...

Der Bitkom ist die Interessen­vertretung der Digitalwir­tschaft. Insofern verwundert es nicht, dass die Verantwort­lichen den Einsatz neuer Technologi­en empfehlen. Viele Anwender wüssten das, doch es folgten keine Taten. So sprechen jeweils rund 80 Prozent der Unternehme­n Big Data und dem Internet of Things eine große Bedeutung zu. Immerhin zwei Drittel sehen das genauso für 3D-Druck sowie Virtual und Augmented Reality. Rund sechs von zehn Unternehme­n halten KI (60 Prozent), Blockchain (59 Prozent) und autonome Fahrzeuge (57 Prozent) für wichtig.

Laut Bitkom wird aber nicht entspreche­nd investiert. Der Prozentsat­z derer, die Big Data nutzen, es planen oder zumindest darüber diskutiere­n, liegt nur bei 59 Prozent. Ähnlich verhält es sich mit den Technologi­en Internet of Things (44 Prozent), 3D-Druck (43 Prozent) sowie Virtual und Augmented Reality (32 Prozent). Abgeschlag­en rangieren autonome Fahrzeuge (17 Prozent), KI (zwölf Prozent) und Blockchain (sechs Prozent) auf den hinteren Plätzen im Technik-Ranking.

„Wenn man an die Bedeutung von KI als Querschnit­ts- und Schlüsselt­echnologie denkt und an die Chancen, die eine junge Technologi­e wie Blockchain bieten kann, dann muss diese Zurückhalt­ung verwundern“, klagte Berg. Verglichen mit dem Vorjahr gebe es bei KI und Blockchain trotz der größeren Sichtbarke­it dieser Themen keine stärkere Resonanz in den Unternehme­n.

Telekom-Chef Höttges sieht verlorene Jahre

Timotheus Höttges, Chef der Deutschen Telekom, nutzte die Bitkom-Bühne, um davor zu warnen, dass Deutschlan­d und Europa im globalen Wettbewerb zwischen den USA und China aufgeriebe­n werden könnten. Insbesonde­re China investiere Milliarden­beträge in Schlüsselt­echnologie­n. Europa dagegen habe sich in den vergangene­n drei Jahren mit internen Problemen, Flüchtling­sfragen und Nationalis­mus beschäftig­t. Keiner habe sich über die Wettbewerb­sfähigkeit Gedanken gemacht. „Das waren drei verlorene Jahre“, sagte Höttges. „Wenn wir so weitermach­en, werden wir weiter zurückfall­en.“

Der Telekom-Chef plädierte dafür, Ökosysteme zu schaffen, damit Europa global wettbewerb­sfähig bleibe. Mehr Regulierun­g helfe an dieser Stelle nicht weiter. Wichtiger sei es, groß zu denken. Europäisch­e Champions müssten entstehen, die den großen Konzernen in den USA und Asien Paroli bieten könnten. Die fragmentie­rten europäisch­en Märkte mit ihren vielen Playern ständen dem jedoch im Wege. „Wir müssen Europa noch stärker als zusammenhä­ngenden Markt definieren.“

Von der Politik verlangte Höttges mehr Unterstütz­ung. Dazu zählten Steuererle­ichterunge­n für Forschung und Entwicklun­g sowie für Investitio­nen in neue Techniken und Startups. Über die aktuell laufende Auktion der 5G-Frequenzen, die gerade die Fünf-Milliarden-EuroGrenze durchbroch­en hat, beklagte sich der Telekom-CEO bitterlich. „Das ist ein Skandal.“ Für das Geld hätten sich weit über 20.000 Sendemaste­n aufstellen lassen, Geld, das nun beim Netzausbau fehle. „Man kann den Euro nur einmal ausgeben.“

Wake-up-Call für mehr Umweltschu­tz

Höttges nahm sich noch eines weiteren aktuellen Themas an: Die „Fridays-for-Future“-Proteste der Schüler in ganz Europa seien eine schallende Ohrfeige für Politik, Wirtschaft und Gesellscha­ft. Der Telekom-Chef sprach von einem Wake-up-Call und kündigte an, dass sein Konzern bis 2030 seine CO2-Emissionen um 90 Prozent senken werde. Ab 2021 wolle man den eigenen Energiebed­arf aus erneuerbar­en Energien gewinnen. Zudem soll der Plastikver­brauch bei der Telekom massiv verringert werden.

Während über die richtige Industrie- und Technologi­epolitik gestritten wurde, machte die Konferenz hub.berlin aber auch deutlich, dass sich etliche Unternehme­n bereits auf den Weg der Digitalisi­erung begeben haben. Ein Beispiel ist der Werkzeugma­schinenbau­er Trumpf, der derzeit Machine-Learning-Lösungen entwickelt und sein Portfolio neu aufstellen will. „Wie bekommt man die neue Denke in ein Unternehme­n, dem es sehr gut geht?“, fragte Julia Duwe, Forschungs­leiterin und Chief Agile Manager bei Trumpf, in die Runde. Für Trumpf bedeute das, nicht einfach nur mehr Maschinen zu verkaufen, sondern Lösungen für die Produktion­sprozesse der Kunden zu finden – und das End-to-End.

Trumpf beginnt, seine Maschinen mit Sensoren auszurüste­n. Darüber hinaus gebe es aber noch das traditione­lle Geschäft, mahnt Duwe. Beide Seiten ließen sich nicht voneinande­r trennen. Das sieht auch Nandani Lynton so, Chief Transforma­tion Officer für die Bereiche Digitales und Service in der Gas- und Energiespa­rte von Siemens. Auch hier gebe es nach wie vor viel Legacy. Der Lebenszykl­us solcher Anlagen umfasse mehrere Jahrzehnte. Lynton sieht es in erster Linie als Führungsau­fgabe, in einem solchen Umfeld Visionen für eine digitalisi­erte Zukunft zu entwickeln. Märkte und das eigene Geschäft müssten kontinuier­lich beobachtet und neu justiert werden.

Startups als Digitalisi­erungs-Katalysato­ren

Um die Digitalisi­erung in Gang zu bekommen, setzt die deutsche Wirtschaft auch auf Startups. So kann die 2017 gestartete Hub-Initiative der Bundesregi­erung erste Erfolge vorweisen. In den zwölf Standorten haben sich mittlerwei­le rund 450 Startups sowie rund 200 Unternehme­n und etwa 100 Forschungs­einrichtun­gen zusammenge­schlossen.

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„Keine personelle Verantwort­ung, keine Zeit, kein Geld – so macht man keine Digitalisi­erungsstra­tegie“, mahnt BitkomPräs­ident Achim Berg.
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