Bitkom zieht Zwischenbilanz
Auf der hub.berlin stellte der IT-Branchenverband eine Studie vor, die den Satus quo der digitalen Transformation aufzeigte.
Deutsche Unternehmen wissen zwar, wie wichtig große Schritte im digitalen Umbau wären, doch oft fehlt ihnen die Entschlossenheit, so eine BitkomUmfrage. Vor allem in Sachen KI gebe es viele Diskussionen und wenige Taten.
Laut Bitkom-Präsident Achim Berg, der auf der großen Verbandskonferenz hub.berlin eine Rede hielt, hat die Digitalisierung in Deutschland zwei Gesichter. Positiv sei, dass die Wirtschaft offenbar erkenne, was die Stunde geschlagen hat. Die Betriebe spürten den steigenden Wettbewerbsdruck durch Wettbewerber mit besser digitalisierten Angeboten. Außerdem schwinde die Angst. Berg nahm auf eine BitkomUmfrage Bezug, an der über 600 Topentscheider aus der deutschen Wirtschaft teilgenommen hatten. Nur zwölf Prozent hätten angegeben, sich durch digitale Technologien in ihrer Existenz bedroht zu fühlen. Vor einem Jahr hegte noch jede vierte Firma diese Befürchtung. Immer mehr Unternehmen würden zudem digitale Produkte und Services offerieren (53 Prozent), ihr bestehendes Angebot überarbeiten (72 Prozent) oder nicht mehr zeitgemäße Erzeugnisse vom Markt nehmen. Auch sehen neun von zehn Geschäftsführer in der Digitalisierung mehr Chance als Risiko. Die Rate der Skeptiker ist auf sieben Prozent geschrumpft.
Umso irritierter zeigte sich Berg angesichts anderer Ergebnisse der Bitkom-Umfrage. Nur 15 Prozent der Befragten haben demnach einen Digitalverantwortlichen, zum Beispiel einen Chief Digital Officer (CDO) oder einen Leiter Digitalisierung, eingesetzt. Jeder vierte Betrieb (26 Prozent) hat noch immer keinen konkreten Plan, wie der digitale Wandel für das eigene Unternehmen aussehen soll. Und über eine zentrale unternehmensweite Digitalstrategie verfügt nur jedes dritte Unternehmen (33 Prozent). Lediglich 22 Prozent wollen im laufenden Jahr gezielt in die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle investieren. „Keine personelle Verantwortung, keine Zeit, kein Geld – so macht man keine Digitalisierungsstrategie“, lautet das Fazit des Bitkom-Sprechers.
Technik ist wichtig, aber ...
Der Bitkom ist die Interessenvertretung der Digitalwirtschaft. Insofern verwundert es nicht, dass die Verantwortlichen den Einsatz neuer Technologien empfehlen. Viele Anwender wüssten das, doch es folgten keine Taten. So sprechen jeweils rund 80 Prozent der Unternehmen Big Data und dem Internet of Things eine große Bedeutung zu. Immerhin zwei Drittel sehen das genauso für 3D-Druck sowie Virtual und Augmented Reality. Rund sechs von zehn Unternehmen halten KI (60 Prozent), Blockchain (59 Prozent) und autonome Fahrzeuge (57 Prozent) für wichtig.
Laut Bitkom wird aber nicht entsprechend investiert. Der Prozentsatz derer, die Big Data nutzen, es planen oder zumindest darüber diskutieren, liegt nur bei 59 Prozent. Ähnlich verhält es sich mit den Technologien Internet of Things (44 Prozent), 3D-Druck (43 Prozent) sowie Virtual und Augmented Reality (32 Prozent). Abgeschlagen rangieren autonome Fahrzeuge (17 Prozent), KI (zwölf Prozent) und Blockchain (sechs Prozent) auf den hinteren Plätzen im Technik-Ranking.
„Wenn man an die Bedeutung von KI als Querschnitts- und Schlüsseltechnologie denkt und an die Chancen, die eine junge Technologie wie Blockchain bieten kann, dann muss diese Zurückhaltung verwundern“, klagte Berg. Verglichen mit dem Vorjahr gebe es bei KI und Blockchain trotz der größeren Sichtbarkeit dieser Themen keine stärkere Resonanz in den Unternehmen.
Telekom-Chef Höttges sieht verlorene Jahre
Timotheus Höttges, Chef der Deutschen Telekom, nutzte die Bitkom-Bühne, um davor zu warnen, dass Deutschland und Europa im globalen Wettbewerb zwischen den USA und China aufgerieben werden könnten. Insbesondere China investiere Milliardenbeträge in Schlüsseltechnologien. Europa dagegen habe sich in den vergangenen drei Jahren mit internen Problemen, Flüchtlingsfragen und Nationalismus beschäftigt. Keiner habe sich über die Wettbewerbsfähigkeit Gedanken gemacht. „Das waren drei verlorene Jahre“, sagte Höttges. „Wenn wir so weitermachen, werden wir weiter zurückfallen.“
Der Telekom-Chef plädierte dafür, Ökosysteme zu schaffen, damit Europa global wettbewerbsfähig bleibe. Mehr Regulierung helfe an dieser Stelle nicht weiter. Wichtiger sei es, groß zu denken. Europäische Champions müssten entstehen, die den großen Konzernen in den USA und Asien Paroli bieten könnten. Die fragmentierten europäischen Märkte mit ihren vielen Playern ständen dem jedoch im Wege. „Wir müssen Europa noch stärker als zusammenhängenden Markt definieren.“
Von der Politik verlangte Höttges mehr Unterstützung. Dazu zählten Steuererleichterungen für Forschung und Entwicklung sowie für Investitionen in neue Techniken und Startups. Über die aktuell laufende Auktion der 5G-Frequenzen, die gerade die Fünf-Milliarden-EuroGrenze durchbrochen hat, beklagte sich der Telekom-CEO bitterlich. „Das ist ein Skandal.“ Für das Geld hätten sich weit über 20.000 Sendemasten aufstellen lassen, Geld, das nun beim Netzausbau fehle. „Man kann den Euro nur einmal ausgeben.“
Wake-up-Call für mehr Umweltschutz
Höttges nahm sich noch eines weiteren aktuellen Themas an: Die „Fridays-for-Future“-Proteste der Schüler in ganz Europa seien eine schallende Ohrfeige für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Der Telekom-Chef sprach von einem Wake-up-Call und kündigte an, dass sein Konzern bis 2030 seine CO2-Emissionen um 90 Prozent senken werde. Ab 2021 wolle man den eigenen Energiebedarf aus erneuerbaren Energien gewinnen. Zudem soll der Plastikverbrauch bei der Telekom massiv verringert werden.
Während über die richtige Industrie- und Technologiepolitik gestritten wurde, machte die Konferenz hub.berlin aber auch deutlich, dass sich etliche Unternehmen bereits auf den Weg der Digitalisierung begeben haben. Ein Beispiel ist der Werkzeugmaschinenbauer Trumpf, der derzeit Machine-Learning-Lösungen entwickelt und sein Portfolio neu aufstellen will. „Wie bekommt man die neue Denke in ein Unternehmen, dem es sehr gut geht?“, fragte Julia Duwe, Forschungsleiterin und Chief Agile Manager bei Trumpf, in die Runde. Für Trumpf bedeute das, nicht einfach nur mehr Maschinen zu verkaufen, sondern Lösungen für die Produktionsprozesse der Kunden zu finden – und das End-to-End.
Trumpf beginnt, seine Maschinen mit Sensoren auszurüsten. Darüber hinaus gebe es aber noch das traditionelle Geschäft, mahnt Duwe. Beide Seiten ließen sich nicht voneinander trennen. Das sieht auch Nandani Lynton so, Chief Transformation Officer für die Bereiche Digitales und Service in der Gas- und Energiesparte von Siemens. Auch hier gebe es nach wie vor viel Legacy. Der Lebenszyklus solcher Anlagen umfasse mehrere Jahrzehnte. Lynton sieht es in erster Linie als Führungsaufgabe, in einem solchen Umfeld Visionen für eine digitalisierte Zukunft zu entwickeln. Märkte und das eigene Geschäft müssten kontinuierlich beobachtet und neu justiert werden.
Startups als Digitalisierungs-Katalysatoren
Um die Digitalisierung in Gang zu bekommen, setzt die deutsche Wirtschaft auch auf Startups. So kann die 2017 gestartete Hub-Initiative der Bundesregierung erste Erfolge vorweisen. In den zwölf Standorten haben sich mittlerweile rund 450 Startups sowie rund 200 Unternehmen und etwa 100 Forschungseinrichtungen zusammengeschlossen.