Führen im Tandem
Bei BTC führt eine Doppelspitze ein Team von über 100 Mitarbeitern. Nicht simples Jobsharing, sondern gegenseitiges Unterstützen mit komplementären Skills ist das Motiv.
Barbara Bruns und Urte Rieken von BTC führen im Doppel fast 100 Mitarbeiter nach agilen Prinzipien. Was die beiden im eigenen Unternehmen praktizieren, bieten sie auch anderen Firmen an: den Weg in eine agile Organisation. Eine Doppelspitze kann dabei helfen.
Anfangs wurden sie noch belächelt. Heute kommen immer mal wieder Kollegen aus anderen Business-Einheiten und drücken ihr Erstaunen aus: „Ihr habt so tolle Leute! Wie macht ihr das?“– Die Rede ist von Urte Rieken und Barbara Bruns, die im Tandem führen.
Die Idee hatten die beiden Frauen, die seit rund zehn Jahren zusammenarbeiten, im Jahr 2016. Der Einfall fand bei ihrer Führungskraft und beim BTC-Vorstand Unterstützung.
Die Mathematikerin Urte Rieken und die Medieningenieurin Barbara Bruns sind charismatische Gesprächspartnerinnen. Beide bringen unterschiedliche Stärken und Kompetenzen ein. „Wenn Barbara auf dem Fahrrad sitzt und mich dann anruft, weiß ich, dass sie wieder eine neue Idee hat“, schmunzelt Rieken. Sie beschreibt Bruns als kreative Kollegin, die anstachelt und treibt, der es oft nicht schnell genug gehen kann.
Barbara Bruns lächelt und sagt: „Von Urte kommt immer mal wieder ein ,Lass uns das noch mal durchdenken’ oder ,Halt mal, die müssen wir auch noch mitnehmen.’“Urte Rieken sei klar strukturiert und eindeutig in Strategie und Aussage. Auf diese Weise kommen sich ergänzende Eigenschaften und Stärken in der Tandemführung zusammen. Das entspricht auch der Philosophie der Diversität, die das IT-Beratungshaus schon lange verfolgt.
Der Tag beginnt am Kanban-Board
BTC war eines der ersten mittelständischen Unternehmen, das die Charta der Vielfalt 2009 unterzeichnete. Die Initiative, die heute rund 3000 Unterzeichner in Deutschland zählt, wirbt für Unterschiedlichkeit und Vorurteilsfreiheit – Eigenschaften, die sich positiv auf Arbeitsergebnisse auswirken sollen.
Das dürfte auch der Grund dafür sein, dass der Managing Director Human Resources, Rüdiger Theobald, auf die Frage, ob es Mut brauche, sich für eine Doppelspitze zu entscheiden, so leichtfüßig antwortet: „Wenn ich ganz ehrlich bin, halte ich das nicht für mutig. Die beiden Kolleginnen sind als Tandem mit hohem Führungsverständnis und starken Kompetenzen angetreten und wir haben ihnen gerne die Aufgabe übertragen.“Bei BTC gibt es auch noch in einem anderen Bereich eine ähnliche Führungskonstellation. Theobald ist es egal, ob sich zwei Frauen die Führung teilen, zwei Männer oder ein gemischtes Doppel am Zug ist: „Entscheidend ist, welche Wirksamkeit aus dem Führungshandeln entsteht – sowohl
gegenüber den Mitarbeitern als auch in Richtung Kunden.“
Trotzdem ist ein solches Führungsmodell kein Selbstläufer. Besonders am Anfang waren es zwei Fragen, die den beiden Frauen, die die Bereiche BTC Digital sowie Projekt- und Qualitäts-Management führen, immer wieder begegneten: Teilt ihr euch die Rolle auf? Und: Wer ist denn der Schiedsrichter, wenn ihr euch einmal nicht einig seid? Rieken und Bruns überraschen solche Fragen heute nicht mehr. Sie brauchen keinen Schiedsrichter, sagen sie. Sie führen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – darunter acht Teamleiterinnen beziehungsweise Teamleiter – Hand in Hand und in enger Absprache. Den Arbeitstag beginnen sie zehn Minuten lang am Kanban-Board und stimmen sich ab. „Wir erledigen keine Arbeiten doppelt“, betont Barbara Bruns. „Aber wir durchdenken Themen gemeinsam.“ Als „Riesenvorteil“nennt Urte Rieken zudem die Tatsache, dass die Führungsposition auch dann besetzt ist, wenn eine Kollegin vorübergehend ausfällt. Dieses Argument relativiert Rieken allerdings gleich wieder: „Es geht nicht um das Aufteilen einer Rolle. Es geht um eine andere Denkweise.“
Genau hier dürfte der tiefere Grund für die Idee der Doppelspitze liegen. Bruns und Rieken sind seit einigen Jahren als Beraterinnen für Agilität unterwegs. Zuerst begleiteten sie die Scrum-Teams der BTC-Softwareentwicklung. Doch mittlerweile beschäftigen sich die Frauen immer intensiver mit der agilen Organisation von anderen Unternehmen. Rieken orientiert sich dabei durchaus an Startups: „Warum sind die oft erfolgreich?“Sie schiebt die Antwort gleich hinterher: „Weil sie erstens für ein gemeinsames Ziel brennen. Und zweitens, weil sie gemeinsam überlegen, wie sie an dieses Ziel kommen. Danach wird dann couragiert losmarschiert.“
Damit ist das Grundprinzip der Tandemführung erklärt. Barbara Bruns verdeutlicht die Erfolgsfaktoren: „Urte und ich haben das gleiche Ziel.“Auch die Teams, die das Tandem führt, bekennen sich gemeinsam zu einem Ziel. Für das IT-Beratungshaus heißt das: Zufriedenheit des Kunden sowie Wirtschaftlichkeit, die jedes Unternehmen zur Existenzsicherung braucht. „Innerhalb dieses Rahmens gestalten die Teams das Wie“, erläutert Rieken.
Agile Werte sind wichtiger als Methoden
Zwingend gehört zu einer agilen Organisation das Wertesystem der Agilität. Mit Blick auf die Stärkung der Eigenverantwortung eines Mitarbeiters geht Barbara Bruns sogar so weit zu sagen: „Wie man miteinander umgeht, ist viel wichtiger als Methodiken oder Organisationsformen.“Doch wie lassen sich die (agilen) Werte Respekt, Commitment, Fokussierung, Mut, Vertrauen und Transparenz mit Leben füllen? Rieken und Bruns sind sich einig: „Wir spiegeln Vertrauen, wir leben es vor.“Dazu hat das Duo eine Arbeitsatmosphäre geschaffen, „in der sich jede und jeder traut, zu uns zu kommen und zu erzählen, was einen verletzt oder verunsichert hat“. Und dann übernehmen die Führungsfrauen ihre Rolle als Coach. „Auch wenn jemand ein belastendes Thema am liebsten unter den Teppich kehren würde, am Ende ist er froh, dass er es mit Hilfe von Beratung und Rollenspiel geschafft hat, die Beziehung zum Kollegen oder Kunden wieder ins Lot zu bringen“, beschreiben Rieken und Bruns den Effekt.
Führen im Tandem ist eine Typfrage
Ähnliches erleben die beiden als Team-Coaches in Unternehmen, die eine agile Organisation anpeilen. „Wichtig ist sich klarzumachen, wo Agilität Sinn gibt“, sagt Bruns und erklärt: „Es kann durchaus vernünftig sein, ein Projekt klassisch planbasiert umzusetzen und trotzdem in einer agilen Organisation unterwegs zu sein.“Keine gute Idee sei es indes, den Big Bang für ein ganzes Unternehmen durchziehen zu wollen. Ans Ziel führe ein Schritt nach dem anderen. „Der Weg zur agilen Organisation ist kein Sprint, sondern ein Marathon“, sagt Rieken. Das bestätigt auch der Personalverantwortliche Theobald: „Im Moment ist BTC noch nicht vollständig agil. Durch ausgewählte Projekte finden wir schrittweise in einzelnen Bereichen heraus, wie wir für Bewerber noch attraktiver werden und mit unseren Kunden effektiver zusammenarbeiten können.“
Und wie gelingt die Führung im Doppel organisatorisch? Transparenz spielt dabei eine bedeutende Rolle. Aber noch wichtiger ist die Haltung, betonen Urte Rieken und Barbara Bruns. Und die hänge von den Persönlichkeiten ab. Führung im Tandem eignet sich für Menschen, die auf Augenhöhe agieren und nicht in Konkurrenz zueinander stehen. Das gilt für Frauen ebenso wie für Männer.