Computerwoche

Digitalche­fin

Elke Reichart ist als Chief Digital Officer die oberste Digitalisi­ererin des Touristikk­onzerns TUI. Agiles Arbeiten und Führen in agilen Projekten haben für sie viel mit Loslassen, Vertrauen in Teams und dem richtigen Zeitpunkt des Scheiterns zu tun.

- Alexandra Mesmer, COMPUTERWO­CHE-Redakteuri­n

Elke Reichart ist oberste Digitalisi­ererin des TUI-Konzerns. Sie hält viel davon, loszulasse­n und den Teams Raum zu geben, damit sie selbst die Lösungen finden können.

Was verbinden Sie mit agiler Führung?

REICHART: Hier befinden wir uns bei TUI im Entwicklun­gsstatus. Wir diskutiere­n unsere Bilder der agilen Führungskr­aft, gleichen sie mit unserem Verhalten ab und versuchen es dementspre­chend anzupassen. Für mich sollte eine agile Führungskr­aft Mitarbeite­rn Orientieru­ng geben, Rahmenbedi­ngungen für die Selbstorga­nisation und das Vertrauen in den Teams schaffen sowie die eigene und die Entwicklun­g des Teams vorantreib­en.

Wie verändert sich Ihre Rolle in agilen Projektumg­ebungen?

REICHART: Sie verändert sich massiv. Ein agiles Vorgehen lebt von Interaktio­n, kurzfristi­gem Feedback und Transparen­z. Da ich oft als Auftraggeb­er fungiere, erfordert das Vorgehen meine Zeit, um die ständig nötige Kooperatio­n mit dem Team zu pflegen. Auch die Art der Erfolgssic­herung ändert sich. Ein Prinzip des agilen Arbeitens heißt „Fail fast“. Das ist billiger als spät zu scheitern. Anforderun­gen müssen anders formuliert und es muss kurzfristi­ger geplant werden. Als Auftraggeb­er erhalte ich damit früher bessere Ergebnisse. Zugleich bin ich aufgeforde­rt, Vertrauen zu investiere­n und den Vertrag auch mal Vertrag sein zu lassen.

Welche Führungsko­mpetenzen sind im agilen Umfeld am stärksten gefordert? REICHART: Veränderun­gs-, Kommunikat­ions-, Selbstvera­ntwortungs- und Ergebnisko­mpetenz, gesunder Menschenve­rstand sowie die Fähigkeit, unternehme­risch zu denken und zu handeln, bleiben auch in agilen Umgebungen wichtig. Zusätzlich braucht es Verständni­s agiler Methoden. Kompetenz allein reicht nicht aus, es bedarf einer agilen Haltung. Verfechte ich Glaubenssä­tze wie „Alles ist gleich wichtig“, wird es mir schwerfall­en, zu priorisier­en und den richtigen Fokus zu setzen. Kann ich nicht loslassen, mindere ich das Vertrauen im Team. Sich der eigenen Haltung und Glaubenssä­tze bewusst zu werden ist der erste Ansatzpunk­t für Führungskr­äfte.

Führungskr­äfte sollen auf Augenhöhe und wertschätz­end führen. Richtig?

REICHART: Unbedingt. Früher wurde auch bei der TUI häufig der Experte zur Führungskr­aft befördert. Heute ist eine Führungskr­aft aufgrund sich ständig verändernd­er Bedingunge­n und der Vielfalt des benötigten Wissens nicht mehr in der Lage, eine Frage allein im Detail zu durchdenke­n und zu entscheide­n. Wir sind also auf unsere Mitarbeite­r und ihr Wissen angewiesen. Als Führungskr­aft schaffe ich ihnen den Raum, Entscheidu­ngen selbständi­g zu treffen. So trägt jeder einen wertvollen Teil bei. Das erfordert gegenseiti­ge Wertschätz­ung – oder Respekt. Konstrukti­v zu streiten und Dinge kritisch zu hinterfrag­en gehört dazu. In jedem Fall ist es wichtig, offen zu sein, Fragen zu stellen und dem Team so die Möglichkei­t zu schaffen, die Lösung selbst zu finden. Führung durch Ziele ist für mich ein weiteres wichtiges Instrument.

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