Digitalchefin
Elke Reichart ist als Chief Digital Officer die oberste Digitalisiererin des Touristikkonzerns TUI. Agiles Arbeiten und Führen in agilen Projekten haben für sie viel mit Loslassen, Vertrauen in Teams und dem richtigen Zeitpunkt des Scheiterns zu tun.
Elke Reichart ist oberste Digitalisiererin des TUI-Konzerns. Sie hält viel davon, loszulassen und den Teams Raum zu geben, damit sie selbst die Lösungen finden können.
Was verbinden Sie mit agiler Führung?
REICHART: Hier befinden wir uns bei TUI im Entwicklungsstatus. Wir diskutieren unsere Bilder der agilen Führungskraft, gleichen sie mit unserem Verhalten ab und versuchen es dementsprechend anzupassen. Für mich sollte eine agile Führungskraft Mitarbeitern Orientierung geben, Rahmenbedingungen für die Selbstorganisation und das Vertrauen in den Teams schaffen sowie die eigene und die Entwicklung des Teams vorantreiben.
Wie verändert sich Ihre Rolle in agilen Projektumgebungen?
REICHART: Sie verändert sich massiv. Ein agiles Vorgehen lebt von Interaktion, kurzfristigem Feedback und Transparenz. Da ich oft als Auftraggeber fungiere, erfordert das Vorgehen meine Zeit, um die ständig nötige Kooperation mit dem Team zu pflegen. Auch die Art der Erfolgssicherung ändert sich. Ein Prinzip des agilen Arbeitens heißt „Fail fast“. Das ist billiger als spät zu scheitern. Anforderungen müssen anders formuliert und es muss kurzfristiger geplant werden. Als Auftraggeber erhalte ich damit früher bessere Ergebnisse. Zugleich bin ich aufgefordert, Vertrauen zu investieren und den Vertrag auch mal Vertrag sein zu lassen.
Welche Führungskompetenzen sind im agilen Umfeld am stärksten gefordert? REICHART: Veränderungs-, Kommunikations-, Selbstverantwortungs- und Ergebniskompetenz, gesunder Menschenverstand sowie die Fähigkeit, unternehmerisch zu denken und zu handeln, bleiben auch in agilen Umgebungen wichtig. Zusätzlich braucht es Verständnis agiler Methoden. Kompetenz allein reicht nicht aus, es bedarf einer agilen Haltung. Verfechte ich Glaubenssätze wie „Alles ist gleich wichtig“, wird es mir schwerfallen, zu priorisieren und den richtigen Fokus zu setzen. Kann ich nicht loslassen, mindere ich das Vertrauen im Team. Sich der eigenen Haltung und Glaubenssätze bewusst zu werden ist der erste Ansatzpunkt für Führungskräfte.
Führungskräfte sollen auf Augenhöhe und wertschätzend führen. Richtig?
REICHART: Unbedingt. Früher wurde auch bei der TUI häufig der Experte zur Führungskraft befördert. Heute ist eine Führungskraft aufgrund sich ständig verändernder Bedingungen und der Vielfalt des benötigten Wissens nicht mehr in der Lage, eine Frage allein im Detail zu durchdenken und zu entscheiden. Wir sind also auf unsere Mitarbeiter und ihr Wissen angewiesen. Als Führungskraft schaffe ich ihnen den Raum, Entscheidungen selbständig zu treffen. So trägt jeder einen wertvollen Teil bei. Das erfordert gegenseitige Wertschätzung – oder Respekt. Konstruktiv zu streiten und Dinge kritisch zu hinterfragen gehört dazu. In jedem Fall ist es wichtig, offen zu sein, Fragen zu stellen und dem Team so die Möglichkeit zu schaffen, die Lösung selbst zu finden. Führung durch Ziele ist für mich ein weiteres wichtiges Instrument.