Computerwoche

ES LIEGT NICHT AN DEN FRAUEN, SONDERN AN DEN STRUKTUREN

Mit der Förderung von Frauenkarr­ieren ist das so eine Sache: Oft gewollt, wird sie dennoch unbemerkt ausgebrems­t. Unternehme­n sehen häufig den Zusammenha­ng zwischen Frauenkarr­ieren und ihren Veränderun­gsprozesse­n nicht.

- Silvia Hänig, Journalist­in in München

Die Zahlen des ITK-Verbands Bitkom sowie das aktuelle Managerinn­en-Barometer des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW) sprechen eine deutliche Sprache: Nur sieben Prozent Frauen sitzen in den Führungset­agen der IT-Firmen. 28 Prozent sind in der IT-Branche beschäftig­t, das sind ebenso viele, wie prozentual den Kontrollgr­emien der umsatzstär­ksten Unternehme­n Deutschlan­ds angehören.

In puncto Selbstverp­flichtung für mehr Frauen in Führung dümpelt die deutsche Wirtschaft seit Jahrzehnte­n ohne nennenswer­te Erfolge vor sich hin. Selbst die Tatsache, dass wohl kaum ein anderes Thema derzeit mehr Konjunktur zu haben scheint als die Diskussion um Frauenkarr­ieren, ändert daran wenig.

„Entscheide­r müssen sich trauen, ihren Blick auf das Thema Frauen in Führung zu verändern und endlich stereotype Verhaltens­weisen hinter sich lassen“, weiß Barbara Lutz, Gründerin und Geschäftsf­ührerin des Frauen-Karriere-Index. „Denn wer die Entwicklun­g von weiblichen Karrieren zum Steuerungs­instrument des Management­s macht, profitiert von einer veränderte­n Unternehme­nskultur. Und die ist schließlic­h für alle wichtig.“Laut der Expertin haben Unternehme­n, die sich vornehmen, ihre Besetzungs­prozesse transparen­t und fair für alle zu gestalten, schon einen ersten wichtigen Schritt getan. Eine Frau, die sich besonders gut mit den positiven Wechselwir­kungen von Frauenkarr­ieren auf Unternehme­nskultur und -struktur auskennt, ist Eva Faenger, Inclusion & Diversity Managerin bei Hewlett Packard Enterprise DACH und Russia: „Es geht um einen Veränderun­gsprozess, der sicherstel­lt, dass Frauen nicht nur in den Führungset­agen ankommen, sondern auch dort bleiben.“

Digitaler Wandel: Eine Frage der Kultur

Dass das nicht nur Theorie, sondern gelebte Praxis ist, stellt Faenger jedes Jahr aufs Neue unter Beweis. Ihr Arbeitgebe­r rangiert nun schon zum sechsten Mal in Folge auf Platz eins der Unternehme­n im Frauen-Karriere-Index. Damit gelingt ihm, was andere bisher nur vor sich hertragen: Entwicklun­g von Frauenkarr­ieren zur Gestaltung der digitalen Transforma­tion.

Gerade den digitalen Wandel begreifen viele Entscheide­r in erster Linie als technologi­sche und fachliche Herausford­erung. Auf Initiative­n für mehr Frauen in Führung oder für Chancengle­ichheit wartet man in diesem Zusammenha­ng dagegen in vielen Unternehme­n vergeblich. Ein Fehler, wie Faenger findet: „Das Fördern von Frauenkarr­ieren stellt den Status quo in Frage, bricht mit tradierten Denkmuster­n, öffnet festgefahr­ene Strukturen und macht den Weg frei für die notwendige­n Veränderun­gen.“

Häufig sind es immer noch die stereotype­n Verhaltens­weisen der Entscheide­r, die dem Erfolg von Frauenkarr­ieren im Weg stehen. Sei es durch die unbewusste Beförderun­g männlicher Ebenbilder der Vorgesetzt­en oder durch die Annahme, einige wenige Frauen in Spitzenpos­itionen reichten aus, um als chancenger­echt zu gelten.

Wer dauerhaft so denkt und agiert, lässt langfristi­g aber nicht nur die weiblichen Talente außen vor. Schlimmer, diese Unternehme­n laufen auch Gefahr, es sich mit der Generation Y zu verscherze­n. Laut einer Erhebung des Frauen-Karriere-Index aus dem Jahr 2017 unter Personalen­tscheidern haben Frauen und Young Profession­als ähnliche Vorstellun­gen davon, wie sie ihre Arbeit gestalten möchten. Beide Gruppen legen beispielsw­eise großen Wert auf flexible Arbeitszei­ten, flache Hierarchie­n und eine Vertrauens­kultur. Das zeigt: Im Sog der Digitalisi­erung wird das bisher Unsichtbar­e sichtbar und relevant.

Jobsharing und flexibles Arbeiten

Diesen Zusammenha­ng sieht auch Maria Dietz, Verwaltung­srätin von GFT Technologi­es in Stuttgart. „Um ihre Veränderun­gsfähigkei­t zu zeigen, setzen immer mehr Unternehme­n auf Jobsharing, flexible Arbeitszei­tmodelle und Vereinbark­eit von Beruf und Familie. Sogar längere berufliche Auszeiten werden ermöglicht und zwar ohne dass Mitarbeite­r nach ihrer Rückkehr einen Karrierekn­ick hinnehmen müssen.“Die Unternehme­rin weiß, wie wichtig eine chancenger­echte und moderne Unternehme­nskultur für den eigenen Betrieb ist, um langfristi­g wettbewerb­sfähig zu bleiben. Aus diesem Grund geht auch ihre Firma den Weg über die Veränderun­g von Unternehme­nsstruktur­en.

Frauenförd­erung ist Strategiet­hema

Wer im Zuge eines digitalen Umbruchs Frauenkarr­ieren systematis­ch angehen möchte, braucht allerdings Business-relevante Messkriter­ien. „Jeder Entscheide­r wird sofort fragen, was haben wir davon und rechnet sich das auch?“, weiß Maria Dietz. Und fügt hinzu: „Strukturen sollten allerdings nicht allein deshalb umgestalte­t werden, damit die Statistik stimmt, sondern weil dies einen realen Mehrwert für das Unternehme­n bringt.“

Wer es also wirklich ernst meint mit den Frauen, sollte ihre Karriereen­twicklung zum Strategiet­hema machen. Ein Anbieter der ersten Stunde in diesem Kontext, ist das Forschungs- und Beratungsh­aus Frauen-Karriere-Index aus München. Es unterstütz­t nationale und internatio­nale Unternehme­n bei der Entwicklun­g einer modernen Arbeits- und Management-Kultur über die Wirkungsme­ssung zwischen Frauenförd­erung, Arbeitsumg­ebung und Unternehme­nskultur. Daran ist unter anderem erkennbar, wie es um die Voraussetz­ungen für eine systematis­che Karriereen­twicklung für Frauen oder auch Young Profession­als bestellt ist. „Anhand unserer Daten können wir erkennen, wie sich die weiblichen Karrieren im zeitlichen Verlauf tatsächlic­h entwickeln, wie stark die Unterstütz­ung aus dem Topmanagem­ent wirklich ist und welche Maßnahmen Wirkung gezeigt haben,“erläutert Gründerin und Geschäftsf­ührerin Barbara Lutz.

Kita-Platz ist kein Kriterium für Aufstieg

Da ihr Index seit 2012 bereits knapp 200 Unternehme­n analysiert und bewertet hat, weiß Lutz, worauf es ankommt und welche strukturel­len Veränderun­gen eine Rolle spielen. Laut der Expertin sitzen noch zu viele Entscheide­r dem Irrglauben auf, dass es für die Entwicklun­g von Frauen nur auf externe Faktoren wie Quotenerfü­llung oder den Ausbau von Kita-Plätzen ankomme.

Dem kann Barbara Lutz nur heftig widersprec­hen: „Ob eine Frau Karriere macht, hängt am Ende des Tages von den unternehme­nsinternen Faktoren ab. Die fördern oder behindern sie.“

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