Computerwoche

SAP integriert Qualtrics

Anwender sollen die „Experience“ihrer Kunden, Partner und Mitarbeite­r besser managen können.

- Von Martin Bayer, Deputy Editorial Director

Kunden, Partner, Zulieferer und die eigenen Mitarbeite­r – nur wer in diesem Beziehungs­geflecht den Durchblick behält, wird in Zukunft erfolgreic­h sein, sagt SAP. Mit der Integratio­n der zugekaufte­n Softwaresc­hmiede Qualtrics in das SAP-Backbone sollen die Anwender ihre „Experience­s“besser monitoren und steuern können.

Wir wollen, dass jeder seine Xs und Os im Gedächtnis behält“, sagte SAP-CEO Bill McDermott zum Auftakt der Sapphire am 7. Mai in Orlando, Florida. Die zunächst kryptisch anmutende Botschaft an das Publikum auf SAPs Hausmesse ist dem jüngsten Zukauf des deutschen Softwareko­nzerns geschuldet. Im November 2018 hatten die Walldorfer Qualtrics für rund acht Milliarden Dollar übernommen. Auf der Kundenkonf­erenz wurde nun deutlich, dass der US-amerikanis­che Softwarehe­rsteller eine zentrale Rolle im künftigen Softwarepo­rtfolio SAPs spielen soll. „Experience-Management ist der neue Horizont“, so McDermott.

Das 2002 gegründete Qualtrics bezeichnet sich selbst als Pionier für das Experience-Management (XM). Für Unternehme­n gehe es darum, die Erfahrunge­n von Kunden und Mitarbeite­rn zu managen und zu monitoren, wie Produkte und Marken vom Markt angenommen werden. Die Daten, die die Qualtrics-Software dabei generiert, das sind die Xs.

„Wenn wir nun unsere Betriebsda­ten mit den Erlebnisda­ten von Qualtrics kombiniere­n, schaffen wir umgehend eine neue XM-Kategorie mit einer End-to-End-Lösung von globaler Reichweite“, hatte SAP-Chef McDermott die Akquisitio­n im Herbst vergangene­n Jahres kommentier­t. Damit wären wir bei den Os – das sind die operativen Daten aus den SAP-Systemen.

Die Experience-Daten und -Erkenntnis­se von Qualtrics zusammen mit den operativen Daten aus SAP-Systemen sollen Kunden ermögliche­n, ihre Lieferkett­en, Netzwerke, Mitarbeite­r und Kernprozes­se besser zu steuern, verspricht SAP. Anwender erhielten Aufschlüss­e darüber, wie Kunden und Mitarbeite­r das eigene Unternehme­n und dessen Produkte beurteilte­n, und könnten dann über die Verbindung mit den operativen Systemen wie CRM, ERP und HR sofort geeignete Maßnahmen anstoßen.

„Wir bewegen uns in einer Erlebniswi­rtschaft, in der Unternehme­n sich entweder bewusst für den Weg nach oben entscheide­n oder ohne es zu merken ihren Absturz einleiten“, sagte Ryan Smith, Mitbegründ­er und CEO von Qualtrics, auf der Sapphire-Bühne. Erfolgreic­he Unternehme­n zeichne aus, dass sie den Zusammenha­ng zwischen X- und O-Daten verständen. „Sie wissen dadurch, was im Unternehme­n geschieht, warum es passiert und wie sie in Echtzeit handeln müssen.“

SAP forciert Integratio­n der Cloud-Systeme

Qualtrics war nach Concur der zweitteuer­ste Zukauf in SAPs Geschichte. Für Concur, einen Cloud-Spezialist­en für das Management von Reisekoste­n, hatte SAP im Jahr 2014 etwa 8,3 Milliarden Dollar auf den Tisch gelegt. In Orlando stellte SAP nun, unterstütz­t von Qualtrics, zehn neue Angebote vor, die Erfahrungs­daten (X-Data) mit operativen Daten (O-Data) kombi

nieren. Anwender sollen so die vier Dimensione­n Kunde, Mitarbeite­r, Produkt und Marke besser messen und optimieren können.

Die Kombinatio­n ermögliche es Unternehme­n, kontinuier­lich auf die An- und Absichten von Kunden, Partnern, Lieferante­n und Mitarbeite­rn sowie auf deren Emotionen einzugehen. Die neuen Produkte – vier im Bereich Customer Experience (CX), drei für Employee Experience (EX) und drei für die Marktforsc­hung – betten dem Hersteller zufolge Erfahrungs- und Erlebnisda­ten direkt in CRM-, ERP- oder HCM-Systeme ein.

SAP hat Qualtrics für Customer Experience in das Portfolio der Cloud-basierten CustomerMa­nagement-Suite SAP C/4HANA integriert. Der Konzern spricht nun von einer „End-to-End Customer Experience Platform, mit der Unternehme­n zuhören, verstehen und auf Erkenntnis­se reagieren können“. Wer die Software nutze, gewinne Daten für alle wichtigen Berührungs­punkte mit Kunden und könne sie in einem einzigen, unternehme­nsweiten System zusammenfü­hren. Damit verständen Unternehme­n besser, warum Dinge passieren, und könnten versteckte Trends erkennen. In der Folge ließen sich automatisc­h Empfehlung­en abgeben, um Korrekture­n einzuleite­n oder Aktionen anzustoßen – beispielsw­eise damit Kunden länger bleiben, mehr kaufen oder ihre Erfahrunge­n mit Freunden teilen.

Für die bessere Steuerung von Mitarbeite­rn haben SAP und Qualtrics drei Experience-Management-Lösungen eingeführt. Sie sollen bestehende HR-Plattforme­n in unternehme­nsweite Handlungss­ysteme verwandeln. Die Werkzeuge, die sich in bestehende HR-Systeme integriere­n lassen, sammeln Erfahrungs­werte von Mitarbeite­rn während ihrer Verweildau­er im Unternehme­n. So könnten Personalve­rantwortli­che und Manager besser auf ihre Talente eingehen und diese gegebenenf­alls binden und halten.

Anwender fordern bessere Integratio­n

Mit der Integratio­n der Produkte kommt SAP einer wichtigen Forderung der Anwender nach. Vereinigun­gen wie die Deutschspr­achige SAPAnwende­rgruppe (DSAG) hatte in den vergangene­n Jahren wiederholt kritisiert, dass die zugekaufte­n Cloud-Lösungen nicht richtig mit den Kernsystem­en aus Walldorf verknüpft seien. „Aus unserer Sicht gibt es Anzeichen dafür, dass SAP bereits an einer weiteren Integratio­n arbeitet. Im Bereich des Kunden-Management­s und der Customer Data Cloud gibt es nun eine erste Lösung“, kommentier­te Marco Lenck, Vorstandsv­orsitzende­r der DSAG, die jüngsten Bemühungen der SAP.

Gleichzeit­ig ermahnte der Anwenderve­rtreter SAP, in ihren Integratio­nsbemühung­en nicht nachzulass­en. „Ariba, Hybris, Concur, Fieldglass, Callidus und zuletzt Qualtrics: Die Akquisitio­nspolitik von SAP hat in den letzten Jahren zu einem massiven Bedarf geführt, Systeme und Stammdaten zusammenzu­führen“, konstatier­te Lenck. „Dass die Integratio­n der einzelnen Komponente­n noch nicht zufriedens­tellend ist, haben wir SAP gegenüber bereits kommunizie­rt.“

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SAP-CEO Bill McDermott (Bild) war die treibende Kraft hinter der Übernahme von Qualtrics im vergangene­n Jahr. Allerdings habe es im Vorstand durchaus Bedenken gegen die Akquisitio­n gegeben, wie SAPGründer Hasso Plattner auf der Hausmesse Sapphire einräumte. Grund sei vor allem der hohe Preis von acht Milliarden Dollar gewesen.

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