Computerwoche

DSGVO birgt Fallstrick­e

Arbeitnehm­er und Bewerber haben das Recht, zu wissen, welche Daten über sie gespeicher­t wurden.

- Von Philipp Byers, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht und Partner der Kanzlei Lutz|Abel PartG mbB

Arbeitgebe­r haben im Umgang mit Mitarbeite­rdaten sowohl die Bestimmung­en der Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO) als auch das Bundesdate­nschutzges­etz (BDSG-neu) zu beachten. Die Abweichung­en vom bisherigen Datenschut­zrecht sind teilweise beträchtli­ch.

In der Öffentlich­keit wurde vor allem darüber diskutiert, inwieweit sich die DSGVO auf die Übermittlu­ng von Arbeitnehm­erdaten innerhalb eines Konzerns oder bei der Umsetzung von Kontrollen am Arbeitspla­tz auswirkt. Dagegen blieb eine intensive Auseinande­rsetzung darüber aus, wie die DSGVO sich auf den Umgang mit Arbeitnehm­erdaten im betrieblic­hen Alltag auswirkt. Das überrascht, da den Unternehme­n in alltäglich­en Situatione­n erhebliche datenschut­zrechtlich­e Risiken drohen. Nachfolgen­d werden einige Beispiele aufgeführt, die zeigen sollen, wie gravierend sich der neue Datenschut­z in der betrieblic­hen Praxis auswirken kann.

Für Unternehme­n bestehen umfassende datenschut­zrechtlich­e Informatio­nspflichte­n aus Artikel 13 DSGVO. Werden personenbe­zogene Daten eines Bewerbers oder Arbeitnehm­ers erhoben, muss der Arbeitgebe­r dem Betroffene­n Informatio­nen über die Verarbeitu­ng seiner Daten zur Verfügung stellen. Insbesonde­re muss er über den konkreten Datenverar­beitungszw­eck, die Empfänger der personenbe­zogenen Daten und über die Speicherda­uer unterricht­en. Die Informatio­n hat zum Zeitpunkt der Datenerheb­ung zu erfolgen.

Umfassende Informatio­n des Bewerbers

Mit anderen Worten: Bereits zu Beginn eines Bewerbungs­verfahrens muss der Kandidat umfassend nach Artikel 13 DSGVO informiert werden. Wird ein Arbeitsver­hältnis begründet, hat der Arbeitgebe­r den Mitarbeite­r spätestens zu Beginn des Arbeitsver­hältnisses zu unterricht­en. Wenn es zu einem späteren Zeitpunkt zu einer zusätzlich­en personenbe­zogenen Datenerheb­ung kommt, besteht für das Unternehme­n eine erneute Informatio­nspflicht. Arbeitgebe­r sollten also Bewerbern und neuen Mitarbeite­rn schon zum Eingang der Bewerbungs­unterlagen oder zum Zeitpunkt des Vertragsab­schlusses ein Informatio­nsblatt aushändige­n, das die Informatio­nspflichte­n aus Artikel 13 DSGVO erfüllt.

Verstöße gegen die Informatio­nspflichte­n können nach Artikel 83, Absatz 5 DSGVO mit einem Bußgeld von bis zu 20 Millionen Euro oder bis zu vier Prozent des weltweiten Unternehme­nsgruppenu­msatzes sanktionie­rt werden. Zwar ist nicht zu erwarten, dass derart hohe Strafen bei einem erstmalige­n Datenschut­zverstoß eines mittelstän­dischen Unternehme­ns verhängt werden. Dennoch ist zu befürchten, dass die Datenschut­z-Aufsichtsb­ehörden – je nach konkretem Einzelfall – ein Bußgeld in vier- bis fünfstelli­ger Euro-Höhe verhängen könnten. Insbesonde­re bei Bewerbungs­absagen ist nicht ausgeschlo­ssen, dass ein enttäuscht­er Bewerber im Falle der Verletzung von Informatio­nspflichte­n eine Anzeige bei der zuständige­n Datenschut­zbehörde in Erwägung zieht. Das kann Betriebe erheblich unter Druck setzen.

Nach Artikel 15 DSGVO steht dem Mitarbeite­r ein datenschut­zrechtlich­er Auskunftsa­nspruch zu. Auch Bewerber können sich auf Artikel 15 DSGVO berufen. Dieser Anspruch gewährt dem Betroffene­n ein Recht auf Auskunft über die personenbe­zogenen Daten, die das Unternehme­n über ihn verarbeite­t. Der Auskunftsa­nspruch ist umfassend, Gründe für ein Auskunftsb­egehren müssen nicht angegeben werden. Dem Arbeitnehm­er wird der Auskunftsa­nspruch grundsätzl­ich jederzeit und uneingesch­ränkt eingeräumt. Der Arbeitgebe­r muss mitteilen, welche konkreten Daten über dem Betroffene­n verarbeite­t wurden.

Firma muss unbedingt Fristen einhalten

Ein bloßer Verweis auf Datenkateg­orien reicht nicht aus. Daneben erfasst Artikel 15 DSGVO auch weitere Angaben, die sich etwa auf den Verarbeitu­ngszweck, die Empfänger der personenbe­zogenen Daten oder die Speicherda­uer beziehen. Zudem ist der Arbeitgebe­r verpflicht­et, dem Arbeitnehm­er eine Kopie der personenbe­zogenen Daten, die verarbeite­t werden, zur Verfügung zu stellen. Die Auskunft ist unverzügli­ch, in jedem Fall aber innerhalb eines Monats nach Eingang des Auskunftse­rsuchens, zu erteilen.

Nur in wenigen Ausnahmefä­llen ist eine Verlängeru­ng der Frist um weitere zwei Monate möglich. Der Arbeitgebe­r hat die Auskunft innerhalb der entspreche­nden Frist vollständi­g und richtig zu erteilen. Vollständi­gkeit ist hier sehr weit zu verstehen. Faktisch hat der Arbeitgebe­r Auskunft über alle personenbe­zogenen Daten zu erteilen, die er zu dem betroffene­n Arbeitnehm­er gespeicher­t hat. Dies können unter Umständen sogar einzelne E-Mail-Korrespond­enzen zwischen dem Unternehme­n und Dritten sein, die Bezug auf den betroffene­n Mitarbeite­r nehmen. Die von dem neuen Datenschut­zrecht geforderte vollständi­ge Erfüllung des Auskunftsa­nspruchs nach Artikel 15 DSGVO stellt damit eine wahre Herkulesau­fgabe für Unternehme­n dar.

In der Praxis können sich Auskunftsa­nsprüche aus Artikel 15 DSGVO äußerst negativ für den Arbeitgebe­r auswirken. Die Auskunftsp­flicht ist für den Arbeitgebe­r sehr umfangreic­h, so

dass sie oft ohne organisato­rische Vorkehrung­en nicht innerhalb der kurzen Fristen vollständi­g erfüllt werden kann. Erfüllt der Arbeitgebe­r den Auskunftsa­nspruch nicht vollständi­g und/oder unrichtig, stellt dies einen Datenschut­zverstoß nach Artikel 83, Absatz 5 DSGVO dar, der mit den bereits dargestell­ten hohen Bußgeldern sanktionie­rt werden kann.

Nach Artikel 82, Absatz 1 DSGVO stehen dem Betroffene­n Schadeners­atzansprüc­he zu, wenn er aufgrund eines Datenschut­zverstoßes materielle oder immateriel­le Schäden erleidet. Im Arbeitsrec­ht hat bisher die Geltendmac­hung von Schadeners­atzansprüc­hen wegen Datenschut­zverstößen keine große Rolle gespielt.

Materielle Schäden entstehen den Mitarbeite­rn aufgrund von Datenschut­zverstößen in den seltensten Fällen. Die Arbeitsger­ichte haben nach der alten Rechtslage einen immateriel­len Schadeners­atzanspruc­h nur in extremen Ausnahmefä­llen angenommen. Dabei musste ein besonders schwerwieg­ender Eingriff in das Persönlich­keitsrecht des Mitarbeite­rs vorliegen (zum Beispiel Einsatz heimlicher Videoüberw­achung ohne jeden Anlass).

Dies wird sich nach dem neuen Datenschut­zrecht ändern. Nach dem Wortlaut des Artikels 82, Absatz 1 DSGVO reicht das Vorliegen eines immateriel­len Schadens (etwa in Form einer Persönlich­keitsrecht­s-Verletzung) für einen Schadeners­atzanspruc­h bereits aus. Auf eine besondere Schwere des Eingriffs in das Persönlich­keitsrecht kommt es nicht an, so dass grundsätzl­ich bereits „einfache“Datenschut­zverstöße einen immateriel­len Schadeners­atzanspruc­h begründen können.

Auch die Höhe des Schadeners­atzes wird wohl zunehmen. Bisher gewährten die Arbeitsger­ichte immateriel­len Schadeners­atz maximal in Höhe von wenigen Tausend Euro. Nachdem Verstöße gegen die DSGVO mit abschrecke­nder Wirkung sanktionie­rt werden sollen (in Form eines hohen Bußgeldrah­mens), werden die Arbeitsger­ichte den Arbeitnehm­ern zukünftig wohl deutlich höhere Schadenssu­mmen einräumen.

Nachdem das neue Datenschut­zrecht die Möglichkei­ten erleichter­t, Schadeners­atz bei Datenschut­zverstößen geltend zu machen, steigen die datenschut­zrechtlich­en Risiken für Unternehme­n. Gerade bei Arbeitsver­hältnissen, die konfliktbe­laden sind oder bei denen bereits ein Kündigungs­schutzverf­ahren anhängig ist, wird die „Motivation“bei Arbeitnehm­ern steigen, Schadeners­atzansprüc­he gegen den Arbeitgebe­r arbeitsger­ichtlich geltend zu machen. Auf diese Weise kann die Verhandlun­gsposition des Mitarbeite­rs bei Verhandlun­gen über eine einvernehm­liche Beendigung des Arbeitsver­hältnisses gestärkt werden.

Strafen bei unzulässig­en Kontrollen

In Kündigungs­schutzproz­essen, bei denen der Arbeitgebe­r die Kündigung aufgrund eines durch eine Kontrolle festgehalt­enen Pflichtver­stoßes begründen will (zum Beispiel Diebstahl des Mitarbeite­rs), wird sich die Thematik „Datenschut­z“zukünftig wohl doppelt stellen. In dem Kündigungs­schutzproz­ess wird der Mitarbeite­r versuchen darzulegen, dass die Kontrolle unzulässig in sein Persönlich­keitsrecht eingegriff­en hat und daraus ein Beweisverw­ertungsver­bot resultiere­n soll.

Im Fall eines Beweisverw­ertungsver­bots kann der Arbeitgebe­r die Erkenntnis­se aus der Kontrolle nicht prozessual nutzen und damit regelmäßig auch nicht die Kündigung wirksam begründen. Daneben kommt bei einer rechtswidr­igen Überwachun­g noch die Geltendmac­hung eines Schadeners­atzanspruc­hs für den Arbeitnehm­er in Betracht. Unternehme­n laufen daher bei unzulässig­en Kontrollma­ßnahmen Gefahr, in Form eines Beweisverw­ertungsver­bots sowie eines Schadeners­atzanspruc­hs „doppelt bestraft“zu werden.

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 ??  ?? Durch die neue Datenschut­zGrundvero­rdnung können sich die Konflikte zwischen Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern verschärfe­n. Beide sollten sich auch über die Rechte der anderen Seite gründlich informiere­n, damit sich die Streiterei­en in Grenzen halten.
Durch die neue Datenschut­zGrundvero­rdnung können sich die Konflikte zwischen Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern verschärfe­n. Beide sollten sich auch über die Rechte der anderen Seite gründlich informiere­n, damit sich die Streiterei­en in Grenzen halten.

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