Computerwoche

IBM und Fortiss forschen an KI

- Von Jens Dose, Redakteur

In einem gemeinsame­n Forschungs­zentrum wollen IBM und das bayerische Forschungs­institut Fortiss die Zukunft der KI ausloten.

In einem gemeinsame­n Forschungs­zentrum wollen IBM und das Fortiss-Institut die Zukunft der KI ausloten. Davon profitiere­n soll auch die bayerische Wirtschaft.

IBMs KI-Lösung Watson musste seit ihrem Sieg in der Gameshow Jeopardy 2011 einige Rückschläg­e einstecken. Beispielsw­eise hielt sich die 2013 angekündig­te Innovation in der Krebsvorso­rge durch KI in Grenzen. Viele medizinisc­he Pilotproje­kte wurden wegen falscher Behandlung­sempfehlun­gen wieder eingestell­t. Anfang des Jahres betonte IBMDeutsch­land-Chef Matthias Hartmann jedoch erneut die strategisc­he Bedeutung von Watson für Big Blue und sagte, dass die Projekt-Pipeline in diesem Bereich stark wachse.

Es besteht aber weiterhin viel Verbesseru­ngsbedarf, soll KI eines Tages in der Breite, etwa in autonomen Fahrzeugen, eingesetzt werden. Daher gründete IBM gemeinsam mit dem Forschungs­institut des Freistaats Bayern für softwarein­tensive Systeme und Services (Fortiss) ein Forschungs­zentrum für KI-Technologi­e. KI braucht einen ethischen Rahmen

Nach über einem Jahr Vorbereitu­ngszeit öffnete das Zentrum nun im Münchner IBM Watson IoT Center seine Pforten. Mehr als 50 Wissenscha­ftler beider Partner sollen dort die Potenziale der KI für geschäftsk­ritische Internetof-Things-(IoT-)Anwendunge­n erforschen. Der Fokus liegt dabei auf KI-gestützten Assistenzs­ystemen für transparen­te Entscheidu­ngsunterst­ützung; der Prototypis­ierung neuer digitaler Bürgerdien­ste; der verlässlic­hen, sicheren Steuerung autonom agierender Roboter, verteilter Produktion­ssysteme und kritischer Versorgung­sinfrastru­kturen.

Hartmann sagte, IBM wolle mit der Partnersch­aft die Übersetzun­g in Anwendunge­n und Geschäftsm­odelle beschleuni­gen. Beinahe jede Jobrolle werde künftig von KI beeinfluss­t, daher gelte es jetzt Vertrauen aufzubauen. Faktoren wie Vorurteils­freiheit, ethische Guidelines, Verzicht auf Datenkomme­rzialisier­ung sowie der Fokus auf den Menschen und Transparen­z seien wichtige Grundpfeil­er der Forschung.

Neben Vertretern von IBM und Fortiss nahm auch Hubert Aiwanger, Bayerische­r Staatsmini­ster für Wirtschaft, Landesentw­icklung und Energie, an der Eröffnung teil. „Künstliche

Intelligen­z ist einer der wesentlich­en Motoren der zukünftige­n Wirtschaft­sentwicklu­ng,“kommentier­te der Politiker. Die zukunftswe­isenden Technologi­en, die in dem neuen Zentrum entwickelt würden, seien für die Wettbewerb­sfähigkeit des Hochtechno­logiestand­orts Bayern von herausrage­nder Bedeutung.

99 Prozent reichen nicht

Für Harald Rueß, wissenscha­ftlicher Geschäftsf­ührer von Fortiss, bietet KI als eine der Kerndiszip­linen der Informatik alle Chancen, die industriel­le Produktion auf einen neuen Level zu heben. Allerdings sei die Technologi­e noch nicht robust genug und die Fehleranfä­lligkeit noch zu hoch.

Im Gespräch mit der COMPUTERWO­CHE sagte der promoviert­e Informatik­er und KI-Forscher Rueß, dass zwar in einzelnen Bereichen wie etwa der Bilderkenn­ung bereits eine Erfolgsquo­te von bis zu 99 Prozent realistisc­h sei, aber das reiche noch nicht aus. So entspräche­n ein Prozent falsche Bildinterp­retationen im Bereich des autonomen Fahrens im schlimmste­n Fall mehreren Tausend Verkehrsto­ten pro Tag.

Bis zur Marktreife einer absolut zuverlässi­gen und vertrauens­würdigen KI würden noch zehn bis 15 Jahre vergehen. Graduell gebe es aber Fortschrit­te darin, Teilfunkti­onen so zu verbessern, dass sie in Serienprod­uktionen einfließen könnten. Das Erstaunlic­he sei, dass der Schritt von der Grundlagen­forschung zur Anwendung klein sei. Jetzt komme es darauf an, die Möglichkei­ten zu identifizi­eren und sichere Anwendunge­n zu bauen.

Flugtaxis kommen bis 2025

Im Bereich der Flugtaxis zeigte sich Rueß optimistis­ch. München sei ein Hotspot für Entwicklun­gen auf diesem Gebiet und er rechne damit, dass bis 2025 die ersten Flugtaxis auf den Markt kommen. Die Geschäftsm­odelle würden sich jedoch erst rechnen, wenn die Taxis autonom fliegen könnten.

Systeme zu schaffen, die in unbekannte­n oder unsicheren Umgebungen selbständi­g Entscheidu­ngen treffen, dauere aber noch länger. Hier liege die Herausford­erung darin, intelligen­te Systeme nicht nur auf Basis sehr großer Datenmenge­n, sondern auch mit wenigen oder gar keinen Daten zu bauen.

KI wird sich selbst zertifizie­ren

In Bezug auf Absicherun­g und Vertrauens­bildung ist Rueß der Meinung, dass eine neue Art der Zertifizie­rung nötig wird. Da die Systeme sich laufend weiterentw­ickeln und lernen würden, müssten sie sich auch laufend selbst zertifizie­ren. Hierfür werde dann die entspreche­nde Infrastruk­tur benötigt. Wie das funktionie­ren kann, sei momentan ein Grundlagen­thema, an dem noch etwa zehn bis 20 Jahre geforscht werden müsse.

In der Zwischenze­it werde es Übergangsl­ösungen geben. So wird im Automobilb­ereich viel mit Simulation­en gearbeitet, um die Datenmenge­n zu verarbeite­n, die für das gewünschte Sicherheit­sniveau nötig sind. Auch eine Art KI-Führersche­in für autonome Fahrzeuge sei im Gespräch.

Der Mensch bleibt am „roten Knopf“

Ganz ohne menschlich­e Kontrolle werde KI laut Rueß aber so gut wie nie agieren. Auf absehbare Zeit werde die Technologi­e eine Assistenzr­olle einnehmen. Visionen von einer maschinell­en, autonomen Superintel­ligenz seien Utopie und würden das auch weitgehend bleiben.

Anderersei­ts könne bei Maschinen, die fortwähren­d lernen, nicht immer jedes Ergebnis vorhergesa­gt werden. Daher müsse KI immer beherrschb­ar bleiben und ein Mensch am „roten Knopf“sitzen, mit dem die Maschine im Zweifelsfa­ll abgeschalt­et werden kann.

„Künstliche Intelligen­z ist einer der wesentlich­en Motoren der zukünftige­n Wirtschaft­sentwicklu­ng. Wir sind stolz, dass Fortiss und IBM diese zukunftswe­isenden Technologi­en gemeinsam in Bayern entwickeln werden. Sie sind für die Wettbewerb­sfähigkeit des Hochtechno­logiestand­orts Bayern von herausrage­nder Bedeutung.“Hubert Aiwanger, Bayerische­r Staatsmini­ster für Wirtschaft, Landesentw­icklung und Energie

 ??  ?? Eröffnung des neuen KI-Forschungs­labors (v. li. n. re.): IBM-Vizepräsid­ent Bob Lord; General Manager IBM Watson IoT Kareem Yusuf; Leiterin des IBM-Watson-IoT-Centers Sherri Thomas; Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger; Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung IBM Deutschlan­d Matthias Hartmann; Sprecher des Direktoriu­ms der Fortiss GmbH Helmut Krcmar von der TU München; Geschäftsf­ührer Fortiss GmbH Harald Rueß.
Eröffnung des neuen KI-Forschungs­labors (v. li. n. re.): IBM-Vizepräsid­ent Bob Lord; General Manager IBM Watson IoT Kareem Yusuf; Leiterin des IBM-Watson-IoT-Centers Sherri Thomas; Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger; Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung IBM Deutschlan­d Matthias Hartmann; Sprecher des Direktoriu­ms der Fortiss GmbH Helmut Krcmar von der TU München; Geschäftsf­ührer Fortiss GmbH Harald Rueß.
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