Computerwoche

Das Ende der Hierarchie­n

- Von Daniel Kollmann, Gründer und CEO von Vivelia (hk)

Vielen Führungskr­äften ist noch nicht klar, dass mit den Millennial­s ein Wertewande­l Einzug gehalten hat. Mit Hierarchie­n und klassische­n Führungsan­sätzen sind Unternehme­nsziele nicht mehr zu erreichen.

Vielen Führungskräf­ten ist noch nicht klar, dass mit den Millennial­s ein Wertewande­l Einzug gehalten hat, der einen neuen Führungsstil notwendig macht. Es geht um Authentizi­tät und eine integre Haltung.

Rund ein Fünftel der Bevölkerun­g in Deutschlan­d besteht mittlerwei­le aus den sogenannte­n Millennial­s, der Generation Y. Heute stellen die etwa 25- bis 39-Jährigen einen großen Anteil genau jener qualifizie­rten Arbeitskrä­fte, die der Markt – bedingt durch den demografis­chen Wandel – besonders umwirbt. Abgeleitet aus dem Englischen (Generation Y wie „why“) ist die Rede von einer Generation der Unentschlo­ssenen, von Menschen, die sich ungern festlegen. Es gibt auch negative Stimmen, die verweichli­chte, wenig kritikfähi­ge und allzu fordernde Mitarbeite­r ausgemacht haben wollen.

Im Coaching-Alltag ist von älteren Führungskräf­ten und Geschäftsf­ührern zu hören, dass sie die Zusammenar­beit mit Millennial­s als lästig empfinden. Diese Mitarbeite­r wollen demnach viel Zeit für sich, lassen sich mit klassische­n Karrierezi­elen nicht locken und pochen zudem auf Mitbestimm­ung. Sie hinterfrag­en Entscheidu­ngen, Hierarchie­n, Strukturen und Prozesse. Sie fordern Teilzeitmo­delle, Home Office und viel Feedback und lassen sich von klassische­n Motivatore­n nicht locken. Statussymb­ole haben ihre Wirkung verloren, ebenso die Aussicht auf eine Firmenkarr­iere.

Viele Manager wollen nicht begreifen, dass das Streben nach Work-Life-Balance und sinnvoller Arbeit kein Zeichen von Arroganz oder mangelndem Interesse am Job ist, sondern dass sich die Auffassung dessen, was Arbeit sein sollte, verändert hat. Die Führungskräf­te tun sich schwer zu akzeptiere­n, dass andere ihren Karrierepf­aden nicht folgen wollen.

Mitarbeite­r der Generation Y definieren Arbeit neu und bringen ein anderes Wertesyste­m mit. Sie bejahen Leistung, sehen Arbeit aber nicht mehr als erstrebens­werten Lebensinha­lt, sondern schlicht als Weg zum Existenzer­halt. Je besser es Arbeitgebe­rn gelingt, eine Vision vorzugeben und den Sinn der Tätigkeit aufzuzeige­n, desto lieber werden die Millennial­s ihnen folgen. Unternehme­n, die solche Rahmenbedi­ngungen schaffen, können sich auf ein motivierte­s, gut ausgebilde­tes und flexibles Team freuen.

Generation Y kommt mit neuem Wertesyste­m

Wer auf alten Strukturen beharrt, wird den Kürzeren ziehen und muss mit hoher Fluktuatio­n rechnen. Der „Deloitte Millennial Report 2016“prognostiz­iert, dass zwei Drittel der Berufstäti­gen zwischen 25 und 35 bis zum Jahr 2020 bereit sind, ihren jetzigen Job hinzuwerfe­n. Viele tragen sich demnach mit ganz konkreten Kündigungsge­danken.

Die spannende Frage ist: Wie lässt sich ein Team aus Millennial­s erfolgreic­h führen und halten? In Gesprächen mit Führungskräf­ten wird immer wieder deutlich, dass die „alte“Art zu führen an ihre Grenzen stößt. Diese Erkenntnis stellt auf unbequeme Weise etablierte Führungsmode­lle in Frage. Sie ist aber notwendig, um eine nachhaltig­e und tiefgreife­nde Verände

rung zu ermögliche­n. Problemati­sch wird es besonders, wenn in Unternehme­n nach außen flache Hierarchie­n, Kommunikat­ion auf Augenhöhe und ein kooperativ­er Führungsstil propagiert werden, die Realität im Firmenallt­ag jedoch anders aussieht: Führung wird stattdesse­n in Hierarchie­n gelebt, deren Autorität auf einem Mehr an Erfahrung und Informatio­n basiert. Von Mitarbeite­rn wird erwartet, dass sie folgen. Führung wird daran gemessen, wie gut sie Mitarbeite­r „in der Spur“hält. Als Erfolgsnac­hweis gelten häufig noch die abgeleiste­te Bürostunden statt der Qualität beendeter Projekte.

Wer jetzt glaubt, dass kosmetisch­e Reparature­n an Arbeitspla­tz und Arbeitszei­t ausreichte­n, den muss ich enttäusche­n. Halbherzig­e Zugeständn­isse bei Themen wie Home Office oder Präsenzzei­ten reichen nicht aus, um zu überzeugen. Der Wertekonfl­ikt reicht tiefer. Für die Generation Y ist der Einklang zwischen der nach außen getragenen Vision und dem gelebten Arbeitsall­tag von größter Bedeutung.

Meine Erfahrung als Seriengründer, der selbst zur Generation Y gehört und dessen Teams schon immer mehrheitli­ch aus Millennial­s bestanden, zeigt, dass ein unterstützender Führungsstil zu zufriedene­n Mitarbeite­rn und gemeinsame­n Erfolgen führt. Die Prinzipien dieses Führens sind vor allem ein wertschätz­ender Kommunikat­ionsstil sowie das Schaffen einer Arbeitsatm­osphäre, in der Probleme offen angesproch­en und gemeinsam gelöst werden. Konstrukti­ve Feedback-Kultur ermöglicht Lernen und damit die Chance auf individuel­le Weiterentw­icklung, die von der Generation Y geschätzt wird.

Warum Führung eine Herausford­erung ist

All das klingt in der Theorie einfach und plausibel, in der Praxis kann es jedoch zur Herausford­erung werden – besonders wenn die Stressbela­stung hoch ist. Jede Führungskraf­t weiß, wie viel Kraft es kosten kann, Druck nicht weiterzure­ichen und „auf den Tisch zu hauen“, sondern sich die Verantwort­ung bewusst zu machen, die an die eigene Position geknüpft ist. Gemeinsame­s Wachstum erreicht, wer sein Team hinter sich vereint.

Dazu ist es wichtig, achtsam auf die Bedürfnisse und Meinungen der eigenen Mitarbeite­r zu hören und dem Team nachvollzi­ehbar mitzuteile­n, was für das Projekt oder das Unternehme­n wichtig ist und welche Rolle jeder Einzelne spielt. In einer kollaborat­iven Umgebung, in der Hierarchie­stufen fließend sind, entstehen zudem viel eher Innovation und Kreativitä­t als in den hierarchis­chen Silos der Vergangenh­eit. Wer mit Haltung führt und an seiner eigenen Rolle im Team arbeitet, wird zum Vorbild. Der so entstehend­e Respekt ist bedeutend nachhaltig­er als der durch Hierarchie­n geschaffen­e.

Ich kann nur jedem Management raten, miteinande­r zu sprechen statt übereinande­r. Nur mit wertschätz­ender Kommunikat­ion und der Bereitscha­ft, als Führungskraf­t immer weiterzule­rnen – auch vom eigenen Team –, entsteht ein Arbeitsumf­eld, in dem Millennial­s als Arbeitnehm­er und Führungskräf­te gleicherma­ßen ihr Potenzial und Engagement entfalten. Ich muss als Chef das Steuer nicht dauerhaft abgeben, aber bereit sein zuzuhören und damit auch mal anderen das Ruder zu überlassen. Ein Umfeld schaffen mit einer klaren und authentisc­hen Vision am Horizont. Und vor allem muss ich verstehen, dass mein Team und ich im selben Boot sitzen. Dabei darf auch ich Fehler machen und diese eingestehe­n. Authentizi­tät und eine integre Haltung sind als Chef für die Generation Y wichtiger als eine perfekte Performanc­e.

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