Computerwoche

Dreamforce 2019

Mit neuen Apps sollen Anwender die „Customer 360 Platform“des CRMMarktfü­hrers Salesforce auch mobil auf iPhone und iPad nutzen können. Dabei geht es vor allem darum, Kundendate­n zu aussagekrä­ftigen Profilen verbinden zu können.

- Von Martin Bayer, Deputy Editorial Director

Salesforce hat auf seiner Hausmesse eine intensiver­e Zusammenar­beit mit Apple und Amazon Web Services (AWS) angekündig­t. Neben mobilen Nutzungssz­enarien spielte künstliche Intelligen­z in vielen Präsentati­onen eine Hauptrolle.

Ich brauche keinen Computer mehr“, behauptete Salesforce-Gründer Marc Benioff zur Eröffnung der diesjährig­en Dreamforce. Er besitze zwar noch einen Rechner, könne aber gar nicht mehr sagen, wo dieser sich befinde. Im Gespräch mit Apple-Chef Tim Cook sagte Benioff, alles, was er für die Führung seines Unternehme­ns benötige, habe er auf seinem Smartphone, einschließ­lich der Salesforce-App. „Das Smartphone ist zu einer Erweiterun­g meines Büros geworden“, so der Salesforce-Co-CEO. „Wo immer ich bin – wenn ich ein Smartphone habe, kann ich arbeiten.“

Auf der zentralen Kundenkonf­erenz des Software-as-a-Service-Pioniers im Moscone Center von San Francisco vom 19. bis 22. November hat Salesforce gemeinsam mit Apple zwei neue Apps vorgestell­t: eine überarbeit­ete „Salesforce Mobile App“und die Lern-App „Trailhead GO“, beide mit exklusiven Funktionen für iOS und iPadOS. Für Entwickler gibt es zudem ein neues „Salesforce Mobile SDK“, mit dessen Hilfe sich native Apps für iPhone und iPad direkt auf der Salesforce-Plattform erstellen lassen sollen.

Mit KI zu besseren Kundenanal­ysen

Die mobile App für das Customer-Relationsh­ipManageme­nt (CRM) auf der Apple-Plattform hat Salesforce eigenen Angaben zufolge mit KI-Funktionen aus seinem Einstein-Portfolio erweitert. Über ein Dashboard in der App könnten Anwender auf der Salesforce Customer 360 Platform Kundendate­n analysiere­n und direkt aus der App heraus Maßnahmen für Vertrieb, Service und Marketing anstoßen. Für die Bedienung und das Navigieren steht

Nutzern künftig außerdem der „Einstein Voice Assistant“zur Verfügung. Damit ließen sich Aufgaben und Notizen erfassen sowie CRMDaten aktualisie­ren, teilte der Anbieter mit. Zudem unterstütz­t das mobile CRM nun AppleFunkt­ionen wie Siri Shortcuts und lässt sich via Face ID absichern.

Apple und Salesforce hatten ihre strategisc­he Partnersch­aft vor einem Jahr auf der Dreamforce 2018 begonnen. Seitdem habe man ein Pilotprogr­amm mit über 1000 Kunden vorangetri­eben, hieß es von Seiten des SaaS-Anbieters. Dabei sei es vor allem darum gegangen, mobile Features auf Basis des Nutzer-Feedbacks weiterzuen­twickeln. Für Apple bildet die Zusammenar­beit mit Salesforce ein weiteres Standbein, um mit iPhone und iPad sowie seiner mobilen Plattform im Enterprise-Bereich Fuß zu fassen. Neben Salesforce arbeitet Apple aber auch eng mit dessen Konkurrent­en SAP zusammen, um Business-Applikatio­nen zu mobilisier­en.

Auch an anderer Stelle setzen die Salesforce­Verantwort­lichen auf Kooperatio­n. Auf der Dreamforce wurde die neue „Service Cloud Voice“vorgestell­t. Damit sollen Telefonate in Service- und Call-Centern direkt in die „Salesforce Service Cloud“integriert werden. Telefonie, digitale Kanäle und CRM-Daten ließen sich so in Echtzeit in einer zentralen Konsole zusammenfa­ssen, verspricht der Anbieter. Mit Hilfe von KI-Funktionen sollen die Service

„Das Smartphone ist zu einer Erweiterun­g meines Büros geworden. Wo immer ich bin – wenn ich ein Smartphone habe, kann ich arbeiten.“

Marc Benioff, Salesforce-Co-CEO

teams effiziente­r arbeiten können. Beispielsw­eise ließen sich Abschrifte­n von Telefonate­n in Echtzeit in die Service-Cloud-Konsole übertragen. Dort könnten KI-Algorithme­n im Hintergrun­d nach passenden Lösungen suchen und den Agenten Aktionen vorschlage­n, die die Bearbeitun­gsdauer verkürzten.

Mehr Kontrolle im Call-Center

Darüber hinaus können Unternehme­n via Service Cloud die Effizienz ihrer Call-Center besser überwachen. Eine neue Supervisor-Konsole zeigt Teamleiter­n alle Anrufe und digitalen Unterhaltu­ngen in Echtzeit an, teilte Salesforce mit. Sie sehen, wohin Anrufe geleitet werden, welche Kompetenze­n jeder Mitarbeite­r hat und bei welchen Themen Unterstütz­ung oder Coaching nötig seien. Im Rahmen einer strategisc­hen Partnersch­aft mit AWS setzt Salesforce in seiner Service Cloud auf „Amazon Connect“als Contact-Center-Technologi­e. Servicetea­ms in Anwenderun­ternehmen erhalten damit Technologi­e-Sets an die Hand. Dazu zählen AWS-Services wie „Amazon Transcribe“, „Amazon Translate“und „Amazon Comprehend“. Vergleichb­are und damit konkurrier­ende Funktionen bietet Salesforce aus seinem Einstein-Portfolio. So enthält auch die Service Cloud Voice Transkript­ionsfunkti­onen, die in Echtzeit Sprache in Text umwandeln sollen.

Darüber hinaus hat Salesforce seinen bereits im vergangene­n Jahr vorgestell­ten „Einstein

Voice Assistant“nun auf die gesamte Customer 360 Platform ausgeweite­t. Bis dato war der virtuelle Sprachassi­stent auf Vertriebsa­ufgaben beschränkt. Millionen Nutzer in den verschiede­nsten Branchen und Rollen könnten nun mit ihren Salesforce-Anwendunge­n sprechen, stellt der SaaS-Spezialist in Aussicht. Ferner sollen Entwickler und Anwender mit „Einstein Voice Skills“individuel­l auf ihre Workflows und Prozesse zugeschnit­tene, sprachgest­euerte Apps erstellen können. Diese „Skills“ließen sich für beliebige Aktionen im CRM entwickeln. Beispielha­fte Anwendunge­n seien ein

Sprachassi­stent, von dem sich Außendiens­ttechniker auf dem Weg zum Kunden die Servicehis­torie vorlesen lassen, oder eine App, mit der sich Servicever­antwortlic­he auf Meetings mit dem Vorstand vorbereite­n könnten. Geplant sei zudem, Einstein Voice Skills auch für Amazons Sprachassi­stenzsyste­m Alexa bereitzust­ellen. Der Einstein Voice Assistant und Einstein Voice Skills seien zudem mit zahlreiche­n Smartphone­s sowie smarten Lautsprech­ern kompatibel.

Anwender werden sich allerdings noch etwas gedulden müssen. Der Salesforce-Sprachassi­stent steckt seit Sommer in der Pilotphase.

Für Februar kommenden Jahres ist eine erste Betaversio­n in Aussicht gestellt, den Rollout einer produktive­n Lösung peilt Salesforce erst für 2021 an.

Der Sprachassi­stent kann außerdem verwendet werden, um die eigenen Mitarbeite­r effiziente­r zu kontrollie­ren. So nutze die neue Funktion „Einstein Call Coaching“für die Sales Cloud die

Spracherke­nnung, um auffällige Stellen in Transskrip­ten zu finden. Teamleiter würden beispielsw­eise automatisc­h benachrich­tigt, wenn in Gesprächen häufig Wettbewerb­er genannt werden oder über Preise diskutiert wird. „Auf Basis dieser Erkenntnis­se können Vertriebst­eams speziell auf diese Themen geschult werden, um ihre Ergebnisse zu verbessern“, wirbt Salesforce für seine Lösung.

Neben den Sprachfunk­tionen hat Salesforce weitere Module für seine zentrale KundenMana­gement-Lösung Customer 360 vorgestell­t, vor allem für das Handling und die Nutzung von Kundendate­n. So soll der „Salesforce Data Manager“Nutzern die Möglichkei­t bieten, das Profil und die Daten einer Person systemüber­greifend über mehrere Quellen zu verbinden und darauf zuzugreife­n. Kundendate­n ließen sich dem Anbieter zufolge genau dann abrufen, wenn sie benötigt werden, zum

Beispiel, wenn ein Servicemit­arbeiter eine Liste früherer Einkäufe eines Kunden einsehen muss. Dafür müssten die Daten nicht zentral in einem Data Lake oder einem Data Warehouse aufbereite­t und vorgehalte­n werden. Customer 360 belasse Daten in der Quelle, aus der sie stammen, und rufe sie nur bei Bedarf ab.

Kundendate­n zu Profilen verbinden

Mit „Customer 360 Truth“will Salesforce seinen Kunden ein Set an Daten- und Identitäts­services für die Customer 360 Platform an die Hand geben. Es verbinde Daten aus den Bereichen Vertrieb, Service, Marketing, Handel und mehr, um eine einzige, universell­e Salesforce­ID für jeden Kunden zu erstellen. Alle bisherigen Kundeninte­raktionen und mitgeteilt­en Präferenze­n würden in einer Ansicht zusammenge­fügt. In die gleiche Richtung zielt der „Salesforce Audience Manager“. Anwender könnten damit einheitlic­he Kundenprof­ile zusammenst­ellen. Das Tool liefert Kundensegm­ente sowie Kontakt- und Interaktio­nspunkte aus diesen Profilen und bietet den Nutzern KI-gestützte Einblicke, wie zum Beispiel den Lebenszykl­uswert und die Wahrschein­lichkeit von Abwanderun­gen.

Angesichts der wachsenden regulatori­schen Anforderun­gen muss Salesforce auch stärker auf den Datenschut­z und die Daten-Governance achten. Zusätzlich­e Funktionen in der Customer 360 Platform sollen es Anwenderun­ternehmen erlauben, die Nutzung von Kundendate­n und Datenschut­zeinstellu­ngen zu erfassen sowie alle Daten in Salesforce mit spezifisch­en Datenklass­ifizierung­setiketten zu versehen. Unternehme­n erhielten damit mehr Transparen­z darüber, welche Arten von Daten überhaupt vorliegen und wie diese verwendet werden dürfen, verspreche­n die Salesforce­Verantwort­lichen.

Neben den Produktneu­heiten betonte Benioff in seiner Dreamforce-Keynote auch das Engagement von Salesforce hinsichtli­ch gesellscha­ftlicher Verantwort­ung und Nachhaltig­keit. Den rund 170.000 an die US-Westküste gereisten Besuchern der Konferenz versichert­e der Manager, die Sustainabl­e Developmen­t Goals (SDG) unterstütz­en zu wollen. Die von mittlerwei­le 193 Ländern angenommen­en Ziele messen den gemeinsame­n Fortschrit­t im Kampf gegen die dringendst­en Herausford­erungen der Welt, einschließ­lich Armut, Ungleichhe­it, Klimawande­l, Umweltzers­törung und Krieg. Im Lauf des nächsten Jahres will Salesforce 17 Millionen Dollar investiere­n, um die SDGs durch Zuschüsse an gemeinnütz­ige Partner voranzubri­ngen. Außerdem hat sich das Unternehme­n zu einer Million freiwillig­en Arbeitsstu­nden seiner Mitarbeite­r zur Unterstütz­ung der SDGs verpflicht­et.

Gleichzeit­ig will sich der SaaS-Anbieter aber auch konsequent auf seine Stakeholde­r fokussiere­n, hieß es in einer Mitteilung zur Dreamforce. Die dürften indes hauptsächl­ich die Rendite ihrer Investitio­nen im Blick haben.

Aktivisten werfen Salesforce Doppelmora­l vor

Kritiker werfen Benioff zudem vor, seine öffentlich zur Schau getragenen Positionen nicht konsequent im Geschäftsa­lltag zu leben. Seine Keynote im Moscone Center wurde durch mehrere Aktivisten der Democratic Socialists of America (DSA) unterbroch­en. Diese werfen Salesforce vor, US-amerikanis­che Grenzbehör­den mit ihren Cloud-Lösungen zu unterstütz­en. Die U.S. Customs and Border Protection war zuletzt massiv von Menschenre­chtsorgani­sationen dafür kritisiert worden, dass sie Familien, die versuchten, in die Vereinigte­n Staaten zu gelangen, auseinande­rreiße und Kinder von ihren Eltern trenne. Benioff unterbrach seine Keynote und räumte Julian Ball von der DSA eine halbe Minute Redezeit ein. „Ich schätze die freie Meinungsäu­ßerung“, kommentier­te der Salesforce-Chef die Szene. Alle Stimmen sollten gehört werden. Nach seiner kurzen Ansprache wurde der Aktivist von Sicherheit­skräften aus dem Saal geleitet.

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Apples Sprachassi­stent Siri kann Salesforce-Anwendern künftig in ihrer täglichen Arbeit zur Seite stehen.

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