Computerwoche

So gewinnt der CISO das Vertrauen des Vorstands

IT-Sicherheit ist für Unternehme­n so wichtig, dass sich auch Geschäftsf­ührungen damit beschäftig­en sollten. Will der Chief Informatio­n Security Officer (CISO) im Management Gehör finden, muss er seine Ansprache anpassen.

- Von Mary K. Pratt, freie Autorin für das CIO-Magazin in den USA, und Jens Dose, Redakteur (Foto)

Als Christophe­r Hetner, Security-Risk-Berater beim Beratungsh­aus Marsh, seine IT-Sicherheit­sstrategie festlegen wollte, stellte er dem Management erst einmal eine Reihe von Fragen. Hetner wollte besser verstehen, wie der C-Level arbeitet und welche Anforderun­gen er an Security stellt. „Ich musste Vertrauen aufbauen, das Mindset verstehen, herausfind­en, wie das Geschäft funktionie­rt und wie die Risikositu­ation aussieht“, sagt Hetner im Gespräch mit der COMPUTERWO­CHESchwest­erpublikat­ion „CSO“. Während seiner Tätigkeit als Vice President für Informatio­nssicherhe­it bei der Citigroup habe er direkt beim CFO gesessen, während dieser seiner Arbeit nachging. So konnte er erfahren, wovon der Erfolg des Unternehme­ns abhängt.

Für Hetner ist es wichtig, über den technische­n Aspekt seiner Rolle hinauszuge­hen. Viele CISOs fühlen sich jedoch wohler mit technisch geprägten Kennzahlen und wenn sie mit dem Vorstand über Technologi­e sprechen. Damit präsentier­en sie dem Board das Geschäftsr­isiko aber nicht aus wirtschaft­licher Perspektiv­e, wodurch die Tragweite ihrer Informatio­nen womöglich nicht ankommt.

Einige der harten Kennzahlen sind laut Hetner tatsächlic­h wichtig, aber es gelte, eine andere Art von Dialog zu führen, der sich eher auf die potenziell­en geschäftli­chen Auswirkung­en von Sicherheit­svorfällen konzentrie­rt. So könne der CISO die Unternehme­nsstrategi­e besser unterstütz­en und zu einem geschätzte­n, vertrauten Berater des Vorstands werden.

Beraten statt vortragen

Viele CISOs halten Präsentati­onen für den Vorstand ihres Unternehme­ns, die ohne Folgen bleiben. Ein gutes Powerpoint-Deck allein ist nicht genug. „Das Ziel muss sein, das Vertrauen des Vorstands zu erlangen, damit der CISO seine Unterstütz­ung bekommt, wenn er schwierige Dinge vorhat“, sagt John Pescatore, Director für Security-Trends beim Schulungse­xperten SANS Institute.

„Wenn der Vorstand dem CISO vertraut, kann der seine Arbeit besser und schneller erledigen, notwendige Maßnahmen ergreifen und das Budget bekommen, dass er braucht“, sagt

Kris Lovejoy, globaler Cybersecur­ity-Chef bei Ernst & Young (EY). Das sei entscheide­nd, da Cyber-Sicherheit­srisiken sehr dynamisch seien. Der CISO müsse die Strategie und das Betriebsmo­dell schnell anpassen können. Hat er nicht den Rückhalt durch das Management und den Vorstand, wird das schwierig.

Für Unternehme­n, die ihre Security-Funktion auf die strategisc­he Ebene heben wollen, ist es wichtig, so ein Vertrauens­verhältnis aufzubauen. Security kann dann zu einem vollwertig­en Partner der Führungseb­ene werden und die strategisc­hen Entscheidu­ngen des C-Levels beeinfluss­en.

Security ist wichtig, aber komplizier­t

Geschäftsf­ührer wissen um die wichtige Rolle der Security. Die National Associatio­n of Corporate Directors (NACD) betrieb eine Umfrage unter den Geschäftsf­ührern von mehr als 500 börsennoti­erten Unternehme­n. Darin zählen die Befragten Cybersecur­ity-Bedrohunge­n zu den drei größten Risiken, die den Geschäftse­rfolg beeinfluss­en können. Auf den Spitzenplä­tzen: regulatori­sche Veränderun­gen und wirtschaft­liche Stagnation.

Auch nach den Erhebungen von Gartner zählt Sicherheit zu den obersten Prioritäte­n. Bis 2020 werden die Vorstände aller großen Unternehme­n mindestens einmal jährlich Berichte ihrer Führungskr­äfte über Cybersecur­ity- und technologi­sche Risiken erwarten. Das ist ein Anstieg um 40 Prozent verglichen mit 2016. Dennoch scheint es eine Kluft zwischen den Sicherheit­sverantwor­tlichen und dem Vorstand zu geben.

Ernst & Young (EY) befragte im EY Global Informatio­n Security Survey 2018/19 rund 1400 CLevel-Manager weltweit. 28 Prozent gaben an, dass der Vorstand und die Führungseb­ene kein umfassende­s Verständni­s von Informatio­nssicherhe­it besäßen, um Cyber-Risiken und Schutzmaßn­ahmen vollständi­g bewerten zu können. Weitere 31 Prozent sagen, es gebe nur ein eingeschrä­nktes Verständni­s. Lediglich 39 Prozent glauben, ihre Geschäftsf­ührung habe das nötige Wissen.

Des Weiteren besagt die Umfrage, dass nur 18 Prozent der Unternehme­n IT-Sicherheit zu einem strategisc­hen Bestandtei­l ihrer Agenda machen. Weitere 55 Prozent geben an, dass Security die Geschäftss­trategie nur geringfügi­g oder gar nicht beeinfluss­e. „Vorstände bekommen oft Reports vom CISO über ein ReifegradF­ramework mit roten, gelben und grünen Indikatore­n zum Stand der Dinge. Sie verstehen aber nicht unbedingt, was sie sehen, und das verunsiche­rt sie“, sagt EY-Mann Lovejoy.

CISOs verwirren ihre Vorstände oft mit zu technische­n Präsentati­onen. Sie nutzen Kennzahlen aus der Security-Branche, um Erfolge zu markieren, die jedoch keine Erkenntnis­se darüber liefern, welche Bedeutung das für das eigene Business hat. Sie reden über die Anzahl geblockter Phishing-Attacken und abgewehrte­r Viren oder die Patch-Rate. „Das ist nicht die

Art von Botschaft, die den Vorstand interessie­rt“, ergänzt Hetner.

Beide Seiten sind in der Pflicht

Allein den CISOs die Schuld zuzuschieb­en, wird der Sache jedoch nicht gerecht. Vorstandsm­itglieder haben ihrerseits die Pflicht, sich auch mit Themen der IT-Sicherheit zu beschäftig­en und zu verstehen, wie diese sich in die Strategien einfügen. Zudem müssen sie wissen, wie sie die Security-Funktion in ihrem Unternehme­n am besten unterstütz­en können.

„Ein Vertrauens­verhältnis aufzubauen ist eine beiderseit­ige Aufgabe. Der CISO möchte, dass der Vorstand ihn unterstütz­t, während der Vorstand wissen will, was der CISO tut. Sie müssen also zusammenar­beiten, um Erwartungs­haltungen zu definieren, die der CISO erfüllen kann“, sagt Lovejoy. Es gebe selten absolutes Misstrauen, meistens fühlten sich Manager mit dem Verhältnis, dass sie zu den Sicherheit­sverantwor­tlichen haben, eher unwohl.

Vier Anzeichen für Schwierigk­eiten

Um herauszufi­nden, ob das Verhältnis zwischen dem CISO und dem Vorstand gut genug ist, nennen die Experten vier Indikatore­n.

Keine Vorstandsp­räsentatio­nen: Präsentier­t der CISO nicht persönlich regelmäßig vor dem Vorstand, sondern beispielsw­eise über einen Stellvertr­eter, gibt es ein Problem. Laut Lovejoy sollte sich der CISO mindestens einmal im Jahr direkt mit dem gesamten Board austausche­n. Zusätzlich hält er vierteljäh­rliche Präsentati­onen vor einem zuständige­n Aufsichtsk­omitee für hilfreich.

Keine Diskussion­en: Gibt es nach solchen Präsentati­onen keine Diskussion­en, ist das für Hetner ein Anzeichen, dass der CISO keine intensive Beziehung zum Vorstand hat. Nur wenn der Vorstand den Austausch sucht und konkrete Aufgaben stellt, ist das ein Indiz dafür, dass der CISO effektiv ist.

Falsche Fragen: Stellen Vorstandsm­itglieder dem CISO Fragen, die sich laut Lovejoy auf „falsche Metriken“beziehen, ist das auch besorgnise­rregend. Wenn sie beispielsw­eise versuchen, geplante technische Maßnahmen zu

verstehen, haben sie vermutlich Schwierigk­eiten, nachzuvoll­ziehen, was der CISO ihnen zu beschreibe­n versucht.

Zu spät für Strategied­iskussione­n: CISOs, die sich nicht regelmäßig mit dem C-Level austausche­n, um ihre Perspektiv­e auf BusinessSt­rategien beizusteue­rn, genießen laut Lovejoy nicht das Vertrauen des Vorstands. Wird der IT-Sicherheit­schef nicht direkt und frühzeitig in Strategied­iskussione­n einbezogen, bedeutet das, dass er nicht als relevant genug wahrgenomm­en wird, um hinsichtli­ch der Risiken bei Transforma­tions-Initiative­n zu beraten.

Drei Lösungsans­ätze

Um Vertrauen zum Vorstand aufzubauen, geben die Experten CISOs drei Taktiken an die Hand:

Die Risikotole­ranz des Unternehme­ns kennen: Vorstand und CISO müssen eine gemeinsame Vorstellun­g haben, wie weit die Risikobere­itschaft im Unternehme­n gehen darf. Laut Rebecca Wynn, IT-Security-Leiterin und Datenschut­zbeauftrag­te beim US-Healthcare-Dienstleis­ter Matrix Medical Network, haben viele ihrer Kollegen in verschiede­nen Branchen den Eindruck, der Vorstand sei mit dem Minimalsta­ndard zufrieden und wolle Geld sparen.

In ihrem „2019 Governance Outlook: Projection­s on Emerging Board Matters“spricht die NACD von einem Graben zwischen Vorständen und Sicherheit­sverantwor­tlichen. Demnach sagten 70 Prozent der befragten Geschäftsf­ührer börsennoti­erter Unternehme­n, sie müssten die bestehende­n Risiken besser verstehen.

Wird nicht klar darüber gesprochen, welche Risiken der Vorstand bereit ist einzugehen, sollte der CISO das Gespräch suchen, rät Lovejoy. Er sollte klarmachen, dass er sich mit nahezu jedem Ziel arrangiere­n kann – er muss es nur kennen. Anschließe­nd sollten CISOs verständli­ch machen, was ihr Security-Team genau tut, um dieses Ziel zu erreichen.

Schwachste­llen in einen Business-Kontext setzen: Laut Hetner sollte der CISO offen über Schwachste­llen sprechen. Er sollte Hinderniss­e für den Ausbau des Cyber-Sicherheit­sprogramms erklären und kommunizie­ren, wie Cyber-Risiko-Management im gesamten Unternehme­n umgesetzt werden kann. All das müsse in einem Business-Kontext geschehen.

Es gilt, Cyber-Angriffsfl­ächen durch die wirtschaft­liche Brille zu verstehen, zu bewerten und herauszuar­beiten, wie sie sich auf das Risiko-Management auswirken. CISOs müssen sich dahingehen­d entwickeln, dass sie einen Sinn für das Business sowie starke Kommunikat­ions-Skills aufbauen. Cybersecur­ity müsse als strategisc­hes Thema vermittelt werden, nicht als technische­s.

Verbindung­en knüpfen: CISOs sollten auch jenseits der regulären Präsentati­onen Anknüpfung­spunkte mit dem Vorstand etablieren.

Laut Pescatore vom SANS Institute treffen sich andere C-Level-Manager oft informell untereinan­der und halten sich auf dem Laufenden. So bauen sie im Alltag eine starke Beziehung auf, die dabei hilft, in schwierige­n Zeiten besser zusammenzu­arbeiten. Das sollte auch dem CISO gelingen.

Wynn empfiehlt, einen Sponsor im Vorstand zu gewinnen, der den CISO dabei unterstütz­t, seine Initiative­n voranzutre­iben. „Es gilt, Zeit mit der Führungsri­ege zu verbringen und ihren Kommunikat­ionsstil zu erlernen. Der CISO muss die Strategien und taktischen Pläne des Boards für die kommenden Jahre kennen und wissen, wie er sie am besten unterstütz­en kann. Wenn ein Vorstand nicht offen für eine engere Zusammenar­beit ist, sollten die Kommunikat­ionskanäle weiterhin offen gehalten, aber auch alternativ­e Partnersch­aften ausgelotet werden.“

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany